54|unerwartete Züge des Lebens

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„Naja.. Also.. Habt ihr ein typisches Eltern-Kind Verhältnis oder bist du auch irgendwie.. zurückgelassen?", fragte ich rücksichtsvoll und wollte nicht gemein klingen.

~

Eine komische Stimmung herrschte.
Ich war mir gestern noch so sicher, dass wir streiten würden, wenn wir uns begegneten, aber jetzt saß ich mit ihm alleine auf dem Dach der Universität und redete über seine Eltern.

Das Leben konnte echt unerwartete Züge mit sich bringen.

„Meine Eltern haben mein Leben schon vorgeplant. Ich werde mein Studium beenden und dann die ganzen Firmen übernehmen. Ob ich das wollte war nie relevant oder ob ich was anderes vorhatte.", fing er an zu erzählen und ich hörte aufmerksam zu.

„Sie wollen doch nur das Beste für dich.", versuchte ich sie zu beschützen, aber er schüttelte nur seinen Kopf und lachte genau wie Serdar spöttisch und enttäuscht auf.

Ob Baran auch so fühlte? Oder Erkan?
Fühlten alle Jungs so? Mir machte es bei den beiden nicht den Anschein, also wieso dann die beiden hier?

Kenan war anscheinend auch verletzt.
Sollte ich versuchen ihn zu trösten?
Dass was ich bei Serdar falsch machte, bei Kenan besser machen?

„Meine Eltern haben sich nie um mich gekümmert. Seit ich denken kann waren da immer nur diese Erzieher im Kindergarten und Babysitter zuhause, die aber alle nach der Reihe gingen, weil ich so ein.. Problemkind war. Schließlich musste meine Mutter bei mir bleiben und auf mich aufpassen. Somit hinderte ich sie drei Jahre lang am Arbeiten bis ich in die Schule kam. Da gab es dann auch immer Stress mit den Lehrern oder Schülern.", erzählte er mit heißerer Stimme,„Ich war.. bin nur eine Last für meine Eltern."

Ich schüttelte sofort den Kopf.
Niemand sollte so denken. Ich stieß mich von der Wand ab und richtete meinen Körper in seine Richtung.

„Nein. Das bist du nicht.", versuchte ich es ihm aus dem Kopf zu schlagen,„Sie lieben dich doch bestimmt. Sie sind schließlich deine Eltern und.. und egal was du auch tun magst sie würden dich niemals verstoßen. Ich bin mir sicher, dass es sich regeln würde, wenn ihr reden würdet. Du meinst zwar, dass man keine Bindung zueinander hat, aber das denke ich nicht. Auch wenn es nur etwas ist, da wird immer eine Bindung sein. Wieso sind Waisenkinder denn traurig? Schließlich kennen sie ihre Eltern nicht, doch trotzdem trauern sie. Sie trauern, weil da trotzdem diese Bindung ist, auch wenn sie sie nicht kannten. Es ist wichtig eine gute Beziehung zu den Eltern zu pflegen. Sie gaben einem das Leben und sorgten für einen. Ich bin mir sicher, dass auch deine Eltern dich lieben."

Er sah mich schweigend an und wechselte von einem Auge zum anderen.

„Klar, sie sollten dich fragen was du willst anstatt dich wie ein Objekt zu behandeln, aber schließlich tun sie es doch nur, damit es dir gut geht oder nicht? Das ist viel Macht und Geld welches sie dir weitergeben werden. Daraus kannst du schließen, dass sie dir vertrauen.", redete ich einfach weiter und holte tief Luft,„Du solltest einfach mal probieren mit ihnen zu reden."

Ich hörte auf zu reden und sah ihn abwartend an. Er sah mich immer noch so leblos an und musterte mein komplettes Gesicht.
Das machte mich etwas unwohl.

„Wie konntest du nur so unschuldig bleiben?", flüsterte er. Ich schluckte und lehnte mich wieder zurück an die Wand.
Mein Herz machte einen dumpfen Schlag.
Das war jetzt nicht das Thema.

Wir redeten nicht mehr und sahen bloß vor uns. Irgendwann seufzte Kenan hörbar tief aus.

„Wie auch immer.. Vergiss das einfach und komm nicht mehr in meine Nähe.", sagte er plötzlich und räusperte sich um wieder seine normale Stimme zu bekommen, was nicht klappte.

„Ich war vor dir hier oben du Idiot.", merkte ich an und schraubte den Deckel meiner Wasserflasche auf. Ich wollte trinken, doch Kenan drückte plötzlich von hinten und das Wasser lief auf meinen Hals.

„Geht's noch?", fauchte ich und er grinste breit. Plötzlich schien er glücklich. Vor wenigen Sekunden war jegliche Emotion von ihm gestrichen und jetzt funkelten seine Augen.

War klar.
Er provozierte mich ja grade, deswegen.
Er nervte mich, dass musste ihn ja einfach glücklich machen.

Ich schüttelte etwas Wasser aus meiner Flasche auf ihn und er schreckte kurz hoch.

„Ey! Ich bin krank.", versuchte er es als Ausrede zu finden, jedoch grinste ich nur und sah auf den nassen Fleck seines Pullovers.

„Das warst du schon immer.", meinte ich und er schüttelte etwas Wasser von seiner Flasche auf mich, als wäre es ein Unfall gewesen.

„Ups. War ein Versehen.", spielte er vor und ich schüttelte auch den Rest aus meiner Flasche auf ihn.

„Meinerseits auch.", log ich lachend. Er lachte ebenfalls und ließ den Rest der Flasche auf mich spritzen. Ich hielt meine Hände vor und er schraubte wieder den Deckel drauf.

„Na los es klingelt gleich.", stand er auf und ich tat es ihm nach.
Eigentlich konnten wir uns ja ganz normal verstehen.
Aber ich hatte jetzt schon alles geplant als Revanche für die Klubaktion. Ich konnte es nicht mehr rückgängig machen außerdem sollte er es auch büßen.

Wir kamen unten in der Eingangshalle an und es klingelte tatsächlich.

„Tschüss. Sprich mich bitte niemals wieder an.", verabschiedete er sich und drehte um.

„Das habe ich ganz sicher nicht vor!", rief ich ihm hinterher. Plötzlich tauchten Alina und Lara auf und hakten sich beide bei mir ein.

„Warst du grade mit Kenan?", fragte Alina zur Bestätigung nach und glotzte auf seinen Rücken, weil sie es nicht fassen konnte.

„Joa, irgendwie schon.", antwortete ich zögerlich. Beide zogen mich hoch.

„Habt ihr euch wieder gestritten?", fragte Lara schon genervt davon, doch als ich den Kopf schüttelte sah sie mich entgeistert an,„Wie? Was ist dann passiert?"

„Halt.. Keine Ahnung wir haben einfach geredet.", erzählte ich knapp und Alina zog meinen Arm etwas runter.

„Kenan ist jetzt egal. Seren wir haben uns und dich zu diesem Stand eingeteilt.", gab sie mir Bescheid. Ich sah sie verwirrt und geschockt an.

„Was für ein Stand?", fragte ich und Lara ließ meinen Arm los.

„Ich muss hier rein. Bis später.", verabschiedete sie sich und verschwand im Hörsaal. Alina und ich gingen weiter.

Von weitem sah ich schon Lewis an der Tür auf mich warten.
Wie süß er doch sein konnte.
Konnte.

„Also es wird immer am Anfang jedes Semesters ein kleiner Stand in der Innenstadt aufgebaut wo Freiwillige der Uni für die Uni werben und Vorteile eines Studiums oder die Aussichten Blabla erklären.", erzählte sie knapp und ließ mich los, da sie die Treppen benutzen musste,„Lies dir das unten gleich einfach durch."

Sie rannte die Treppen hoch und ich ging zu Lewis, der breit grinste als er mich sah.

„Miss, Sie hier? Sie kommen noch zu den Vorlesungen und hören auf Ihren Freund alleine mit der Popelfresserin zu lassen, die sich einfach jedes Mal neben ihn setzte?", redete er sofort los und ich verzog lachend mein Gesicht.

„Ich wollte, dass du meinen Wert endlich schätzt.", erfand ich eine Ausrede und er legte seinen Arm mich während wir den Saal betraten.

Kenan und Seren verstehen sich langsam immer besser..
Was bei dem Stand passiert?😁
Würde mich wirklich sehr über Kommentare, allgemein Feedback, freuen ❤️

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