Part 87 ~ Hellwach

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Total in Gedanken versunken saß ich auf dem riesigen Kingsize Bett, beobachtete Vladislav beim schlafen und strich ihm sanft über seinen Kopf. Immer wieder wurde er unruhig und begann im Schlaf zu wimmern, als würde ihn etwas quälen. Ich war einfach enttäuscht, dass er sich dieses Dreckszeug reingezogen hatte. Aber ich wusste, dass er es nicht ohne Grund getan hatte – und das beunruhigte mich ungemein. Über was zerbrach er sich so schlimm den Kopf, dass er seine Gefühle mit Kokain betäuben musste? Als die Sache mit Vanessa damals war, hatte er zu mir gesagt, dass er das macht wenn er den Kopf voll hat und nicht klar kommt. Aber warum? Lag es an mir? Eigentlich war ich der Meinung, dass zwischen uns alles gut war. Oder lag es wirklich daran, dass er sich so schlimme Vorwürfe machte, weil er in Florenz war als Khalil mir aufgelauert hatte? Ich atmete einmal tief durch, zog seine Decke liebevoll ein Stück weiter nach oben und gab ihm einen kleinen Kuss auf der Wange, bevor ich vorsichtig aus dem Bett stieg. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet mir, dass die anderen mittlerweile auch rein gegangen waren. Obwohl Vladislav wahrscheinlich nicht damit einverstanden gewesen wäre, entschloss ich mich noch einmal alleine runter zum Pool zu gehen. Es war schon 2:30Uhr Nachts, und ich war hellwach. Ich hatte einfach so viele Gedanken im Kopf, die mich nicht schlafen lassen wollten. Als ich den Flur entlang lief, hörte ich ein poltern, welches aus Samras Zimmer kam, gefolgt von einem weiblichen Kichern. Schnell weg, ich wollte gar nicht wissen was die da drinnen machten. In der Küche war alles dunkel. Ich leuchtete mir mit meinem Handy den weg und schnappte mir die kleine Schale mit dem restlichen Obst, welche auf der Küchentheke stand. Leise schlich ich nach draußen, setzte mich an den Pool und ließ meine Beine im Wasser hängen, während ich in den sternenklaren Nachthimmel schaute. Es war einfach so entspannt, Nachts draußen zu sein. Wenn sich die Luft nach so einem heißen Tag abgekühlt hatte, und alles ruhig war, bis auf die Grillen, die man weiter entfernt zirpen hören konnte. Während ich so da saß, meine Beine baumeln ließ und mir immer mal wieder ein Stückchen Ananas in den Mund schob, bemerkte ich gar nicht, wie jemand hinter mir stand.
„Schlaflos?" fragte Granit lächelnd und setzte sich neben mich.
„Hmm." Brummte ich nur und beobachtete das Wasser,
„So geil hier draußen bei Nacht." schwärmte er und ließ seine Beine ebenfalls ins Wasser hängen.
„Mach dir keine Sorgen. Capi hat das öfter." Versuchte er mir zuzureden.
„Ernsthaft?" fragte ich schockiert.
„Jap. Er übertreibt gerne. Aber er hat auch ne schwere Zeit hinter sich. Das was er jetzt erreicht hat, hat viele Opfer gefordert. Er wurde viel verarscht, egal ob von Freunden ober Weibern. Ich glaube, es fällt deswegen manchmal einfach schwer, zu vertrauen."
„Aber warum. Warum dieses scheiß Pulver? Er kann doch mit mir reden. Ich glaube, er macht sich Vorwürfe weil er nicht da war als Khalil kam. Er war ja beim ersten mal auch nicht da."
„Das kann schon sein. Aber das konnte er ja auch nicht wissen. Konnte keiner. Capi ist einfach ein sehr gutherziger Mensch. Desto mehr verletzt es ihn, wenn er jemanden im Stich lässt. Vor allem jemanden wie dich. Er liebt dich über alles, das sieht sogar ein Blinder." sagte Granit, und bei dem letzten Satz wurde mir Augenblicklich warm ums Herz und ich bekam eine Gänsehaut.
„Das hast du schön gesagt." flüsterte ich und spürte, wie mir eine kleine Träne die Wange herunter lief.
„Mach dir keinen Kopf kleine, das wird wieder. Gönn ihm morgen ausreichend Ruhe, dann geht es ihm auch wieder besser. Der Kick, den du hast wenn du kokst hält ca sechzig Minuten an. Während dieser Zeit fühlst du dich einfach unbesiegbar, deine Hemmschwelle sinkt extrem und du bist euphorisch ohne Ende. Aber sobald die Wirkung nachlässt, holt sich der Körper das, was das Zeug unterdrückt hat. Schlaf, Hunger, dies das."
„Warum hast du zugelassen, dass er sich was holt? Du warst doch dabei, als er den Stoff gekauft hat..."
„Erstens: Du weißt wie er ist. Wenn er etwas will, dann will er es. Da kann ich nix machen. Und zweitens hab ich selber was gebraucht."
„Was? Du auch?" fragte ich entsetzt.
„Zum verkaufen. Ich nehm das Zeug nur, wenn ich weiß dass ich in einer Extremsituation entspannt bleiben muss. Bei einem größeren Deal zum Beispiel, wenn einiges auf dem Spiel steht. Wie gesagt, es senkt eben die Hemmschwelle. Ich kauf immer mal was und vertick es dann teurer. Eigentlich hätte ich es nicht nötig, dadurch dass ich mit der Musik genug Geld verdiene. Aber du weißt wie das ist...du kannst einen Jungen aus dem Ghetto holen, aber das Ghetto niemals aus dem Jungen." grinste er, knuffte mir leicht in die Wange und stand dann auf.
„Wohin gehst du?" fragte ich enttäuscht.
„Schlafen. Solltest du auch versuchen." sagte er freundlich und reichte mir seine Hand. Ihn nahm sie und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen, wobei wir beide lachen mussten, als ich auf den nassen Steinen beinahe weg gerutscht wäre.

„Schläfst du auf der Couch?" fragte ich, als er Richtung Wohnzimmer ging,
„Ja. Nima ist mit der arroganten Bitch im Gästezimmer verschwunden. Was die da machen will ich ehrlich gesagt nicht wissen. Und Larissa hab ich heim geschickt, die wollte nur Jayjo." Lachte er und machte es sich auf der Couch bequem.
„Gut, dann bin ich also nicht die einzige, die diese Melanie zum kotzen findet." Lachte ich ebenfalls, worauf er nur mit einem „Allerdings" reagierte.
„Gute Nacht, Granit. Schlaf gut und danke. Für alles." sagte ich leise, bevor ich wieder nach oben ging. Ich schlich zurück in mein Zimmer und zog mir dann ein Top zusammen mit meinen Schlafshorts an. Vladislav lag ruhig im Bett und schnarchte leise. Geräuschlos suchte ich meine Kulturtasche und schlich mich wieder leise auf den Flur, damit ich ihn nicht weckte. Mit leisen Schritten tapste ich den Gang entlang, als ich einen Schrei aus Samras Zimmer hörte, der mich zusammen zucken ließ. Starr vor Schreck blieb ich stehen und hielt die Luft an.
„Samra!" Hörte ich Valentina lachen und atmete erleichtert aus, als ich fest stellte dass niemand verletzt war.
„Mach die Beine breit." Vernahm ich seine Stimme und hörte sie wieder lachen. Oh Gott, ich bekam schon wieder viel zu viel mit. Schnell hüpfte ich zum Badezimmer und hoffte, dass ich dieses Bild aus meinem Kopf kriegen könnte.
Während ich die Zahnpasta auf meine Zahnbürste schmierte und Wasser in meinen Becher ließ, hörte ich wie hinter mir die Tür aufging.
„Beeil dich!" Rief Samra. Gleich danach kam Valentina ins Badezimmer – nur in Unterwäsche bekleidet.
„Hey." sagte sie freundlich und lächelte mich an.
„Hi."
„Ist alles gut mit dir und Capi? Fand den Streit vorhind ganz schön heftig." fragte sie besorgt und richtete sich die Haare.
„Ja, alles gut, danke. Wir haben das schon wieder geklärt." Je länger ich hier mit ihr stand, desto mehr stellte ich fest, dass sie eigentlich gar nicht so abgehoben war, wie ich gedacht hatte. Eigentlich war sie mir sogar recht symphatisch.
„Wo bleibst du Baby? Ich bin noch nicht fertig mit dir." sagte Samra, der nun ebenfalls (mit nichts als schwarzen Calvin Klein Boxershorts ) ins Bad kam. Seine Augen blitzten kurz auf, als er mich ansah. Ich schaute verlegen weg und putzte mir weiter die Zähne, während er seine Arme von hinten um Valentina legte und ihren Hals küsste. Sie kicherte wieder und band sich die Haare zu einem Zopf.
„Gleich startet Runde zwei, also dehn dich schonmal." brummte er und klatschte ihr dann so heftig auf den Hintern, dass ich neben ihr zusammenzuckte. In dem Moment tat sie mir echt leid...das musste ganz schön zwiebeln. Sie zuckte zwar auch erst zusammen, grinste dann aber noch breiter übers ganze Gesicht und neigte ihren Hals zur Seite, damit er mehr Fläche hatte. Ich musste mich echt anstrengend, nicht die ganze Zeit nach drüben zu gaffen.
„Ich warte." sagte er, blieb kurz im Türrahmen stehen, schaute erst zu ihr und dann zu mir, zwinkerte mir pervers im Spiegel zu und verschwand dann wieder.
„Ich würde sagen, da steht jemand auf dich." Kicherte Valentina neben mir und zog ihren Lipgloss nach.
„Was, Samra?"
„Ja. Sag bloß, dir fällt das nicht auf. Wie gequält er guckt, wenn er dich mit Capi zusammen sieht. Und wie seine Augen eben gefunkelt haben. Süße, dem hast du ziemlich den Kopf verdreht, glaub mir."
„Ich glaube, das bildest du dir ein. Samra und ich sind eher wie...Geschwister. Außerdem kann er mich sowieso nicht ab...das zeigt er mir immer wieder ganz gerne." murmelte ich mit einem gequälten Lächeln und band mir dann ebenfalls die Haare zusammen.
„Wenn ich dir einen Tipp geben darf..." sagte sie und betrachtete mich nachdenklich.
„Lass dich auf ihn ein. Glaub mir, du würdest es nicht bereuen." grinste sie, steckte den Lipgloss weg und ging dann zurück ins Zimmer. Wenn ich über ihre Worte nachdachte, lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Samra und ich? Niemals. Ich würde Vladislav für nichts auf der Welt betrügen, dafür liebte ich ihn einfach viel zu sehr. Kopfschüttelnd lief ich wieder in mein Zimmer, legte meine Kulturtasche in den Schrank zurück und kuschelte mich dann an Vladislav, der immer noch leise vor sich hin schnarchte. „So viel zu deiner perfekten Nacht." flüsterte ich lächelnd, strich ihm seine Haare aus dem Gesicht und küsste seine Stirn.

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