Josy
"Hör zu, mag sein dass du mit deinem gezicke bei Capi weiterkommst. Aber bei mir mit Sicherheit nicht.", sagte Samra eiskalt und trat auf das Gaspedal, als die Ampel auf Grün schaltete. Ich drehte meinen Kopf weiter nach rechts, damit er nicht bemerkte, wie wieder mal eine Träne über mein Gesicht lief. Wie konnte er nur so ekelhaft sein? War ich wirklich so ein schrecklicher Mensch, dass er mich so behandeln musste? Ich wischte die Träne schnell mit meiner Hand weg und versuchte, mich zusammen zu reißen. Aber das war alles andere als einfach, weil ich immer wieder seinen wütenden Blick auf mir spüren konnte.
"Wir sind da.", sagte er, als wir in einer Gasse hielten. Von weitem sah ich schon einige Leute, unter anderem den Kameramann. Bevor wir zu ihnen liefen, nahm Samra meinen Arm und drehte mich mit dem Gesicht zu ihm.
"Ich kann nicht die ganze Zeit ein Auge auf dich haben. Wenn ich am drehen bin, hängst du dich an irgendjemanden dran, sodass du trotzdem in meinem Blickfeld bist. Wenn du scheiße baust, sperr ich dich in den Kofferaum. Verstanden?", brummte er und funkelte mich böse an.
"Der Kofferaum wäre mir im Moment lieber als deine Anwesenheit.", zischte ich und wollte mich losreißen, doch er ließ es nicht zu.
"Vorsicht, Habibi.", knurrte er leise und ließ mich dann endlich los. Er drängte mich dazu, vor ihm zu laufen und so kamen wir bei den anderen an. Nachdem er alle begrüßt und mich bei einem Kumpel von ihm geparkt hatte, kümmerte er sich um seine Aufnahmen und ließ mich glücklicher Weise für ein paar Minuten aus den Augen. Die Aufnahmen in der Stadt gingen relativ schnell. Sie drehten ein paar Szenen auf der Straße, und welche mit seinem Auto. Als sie dort fertig waren, war es bereits dunkel um uns herum, und die Luft kühlte sich auf 0 Grad herunter.
"Bis gleich.", sagte er zu den anderen und kam dann auf mich zu.
"Komm, wir müssen woanders weiter drehen.", sagte er zu mir und legte seinen Arm um mich, damit ich gezwungenermaßen mit ihm mitlaufen musste.
"Hast du jetzt Hunger?", fragte er und startete den Motor. Ich schüttelte schniefend mit dem Kopf, und kuschelte mich dann in meine Jacke ein.
"Bevor wir nachher nach Hause fahren, gehen wir was essen.", legte er streng fest, doch ich antwortete nicht darauf.
Wir kamen bei eines etwas größeren Gelände an, wo Samra das Auto direkt auf einer Wiese abstellte.
"Nimm alles mit raus, was du hast. Hier darf nichts drin liegen bleiben.", sagte er und schaute auf sein Handy.
"Kann ich bitte im Auto warten, bis du fertig bist?", fragte ich vorsichtig in der Hoffnung, dass er ja sagen würde.
"Gerne. Aber der Wagen fliegt in weniger als einer halben Stunde in die Luft. Also wenn du an deinem Leben hängst, solltest du lieber aussteigen.", sagte er grinsend und stieg dann aus.
"Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt, weil ich nicht wusste ob das ernst gemeint war.
"So, wie ich es gesagt habe.", antwortete er und lief dann vorraus.
"Aber warum?", rief ich ihm halb stolpernd hinterher, weil er um einiges schneller lief als ich.
"Erklär ich dir später. Bleib einfach weit genug vom Auto weg, und halte dich an Sergen.", antwortete er im normalen Ton - was mich ziemlich überraschte.
"Warte, wer ist Sergen?", fragte ich verwundert, doch Samra war schon zu weit entfernt von mir.
"Ich denke, das bin ich.", sprach mich ein Typ mit einem grauen Kaputzenpulli und Bart an, der gerade seine Kameratasche abgestellt hatte.
"Und du bist die Freundin von ihm?", fragte er mich freundlich und wies auf den in schwarz gekleideten Libanesen, der sich konzentriert mit jemandem unterhielt.
"Nein, ich bin mit Capi zusammen.", sagte ich halb abwesend, weil ich immer noch nicht so recht verstand, warum Samra das hier machte.
"Nimm mir das nicht übel. Aber wenn du mit Capi zusammen bist, warum ist er dann nicht hier? Beziehungsweise, warum bist du dann nicht bei ihm?", grinste der Fremde und baute nebenbei sein Zeug auf.
"Weil er irgendwelche Termine hat, bei denen ich anscheinend nicht dabei sein darf. Keine Ahnung. Ist alles ziemlich kompliziert.", sagte ich nachdenklich und steckte meine frierenden Hände in meine Jackentaschen.
"Hast du kurz eine Minute?", fragte Samra, der direkt auf uns zukam und seine Hand auf die Schulter von dem Typ legte, dem die Kamera gehörte.
"Sicher.", sagte dieser nett und ging mit ihm ein paar Meter weiter weg. Während die beiden sich unterhielten, schaute ich mich um. Hier war absolut niemand, den ich irgendwie kannte. Oder schonmal gesehen hatte. Während ich so mutterseelenallein herumstand und die anderen beobachtete, sprach mich plötzlich jemand an.
"Alleine hier?", fragte mich der etwas größere Araber, dessen Gesicht mir irgendwie bekannt vorkam. Aber ich konnte ihn nicht zuordnen.
"Nein, ich bin mit Samra hier.", sagte ich freundlich und wies den besten Freund meines Freundes, der bereits ein paar Szenen drehte.
"Ah, du bist seine Freundin, oder?", fragte mich der Typ neugierig und schaute Samra beim drehen zu.
"Nicht direkt.", antwortete ich ihm und tippelte leicht hin und her, um etwas Wärme zu erzeugen.
"Ist dir kalt? Wir haben auch Tee hier. Warte, ich hole dir welchen.", sagte der junge Mann und lief etwas weiter weg, sodass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Als Samras Blick aufmerksam zu mir ging, stand ich wieder alleine da und fing seinen Blick auf. Für einen kurzen Moment bildete ich mir ein, sowas wie ein lächeln gesehen zu haben. Aber da er gleich danach wieder arrogant seinen Blick anwandte, ging ich davon aus, dass das im dunkeln nur so aussah.
"Hier, trink. Dann wird dir warm.", sagte der Araber, der mit einem Becher in der Hand wieder zurück zu mir kam.
"Dankeschön." Ich nahm den Becher entgegen und schlang sofort meine Hände darum, um sie etwas zu wärmen. Nachdem der Tee etwas abgekühlt war, trank ich ihn aus und warf den leeren Becher in einen Mülleimer, der neben einer kleinen Bank am Rand der Wiese stand. Als ich wieder zurück zu den anderen lief bemerkte ich, dass irgendetwas komisch war. Mein Kopf fühlte sich auf einmal schwer an, und irgendwie hatte ich eine Art Druck auf den Ohren. Da Samra noch beschäftigt war, stellte ich mich einfach zu dem Mann, von dem ich den Tee bekommen hatte. Ich war also immernoch in Samras Blickfeld - so, wie er es wollte.
"Was war das für Tee?", fragte ich den Mann mit verwaschener Stimme, als das Schwindelgefühl stärker wurde.
"Spezialtee. Nur für dich." sagte er und legte seinem Arm um mich, als ich beinahe den Halt verlor.
"Komm, ich bring dich dahin wo es schön warm ist.", hörte ich ihn sagen, und dann wurde alles um mich herum schwarz.
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Mademoiselle
Fiksi PenggemarJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...