Part 125 ~ Gefühlschaos

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"Ah, Herr Akkouche. Ich hatte gehofft, sie nicht erneut hier anzutreffen.", begrüßte mich der Arzt, der mich beim letzten mal auch behandelt hatte und bat mich, auf der Krankenliege platz zu nehmen.
"Erzählen sei mir bitte, was passiert ist.", forderte in ruhigem Ton, während die Schwester den Verband ab machte.
"Keine Ahnung, anscheinend hab ich eine falsche Bewegung gemacht.", sagte ich mürrisch. Ich hatte weder Bock hier zu sein, noch zu erklären, warum diese dummen Fäden aufgerissen waren.
"Nach einer falschen Bewegung sieht das aber nicht aus.", sagte er erschrocken, als er die erneut aufgerissene Wunde sah.
"Ja keine Ahnung, es ist eben passiert. Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern.", entgegenet ich genervt und der Arzt suchte Schulterzuckend neues Nahtmaterial heraus, während die Schwester die Wunde säuberte.
"Okay, ich gebe ihnen wieder etwas zur lokalen Betäubung, und dann werden wie erneut nähen. In der Hoffnung, dass die Fäden dieses mal halten.", erklärte er und kam mit einer Spritze auf mich zu. Als er die Nadel in meine Hand stach, wäre ich am liebsten an die Decke gesprungen.
"Du musst locker lassen.", hörte ich Josys Stimme hinter mir, während sie ihre Hand auf meine Schulter legte. Ich wollte reagieren, war aber zu sehr darauf konzentriert, den Schmerz runter zu schlucken. Und obwohl sich alles in mir dagegen wehrte, schaffte ich es irgendwie, meine Hand nicht anzuspannen. Als die Betäubung dann endlich wirkte, konnte ich erleichtert aufatmen.
"So, jetzt nur noch drei kleine Stiche und dann sind wir fertig.", erklärte der Arzt und ich beobachtete, wie die kleine Nadel mehrmals durch mein Fleisch stach. Als die Wunde wieder verschlossen war, machte die Schwester den Verband neu und wir konnten wieder gehen.

Schweigend verließen wir das Krankenhaus und setzten uns wieder in mein Auto.
"Soll ich fahren?", fragte Josy zaghaft und schaute mich mitleidig an.
"Nein.", brummelte ich nur und dann fuhren wir los. Während der gesamten Fahrt grübelte sie. Sie schaute auf dem Fenster, auf meine Hand, zu mir und dann wieder auf ihre Hände. Aber sie sagte nichts. Da ich mir immernoch nicht im klaren war, wie ich mich nach dem Gespräch fühlen sollte...oder wie ich nun handeln sollte, schwieg ich ebenfalls. Ich schwankte immernoch zwischen Wut und Verwunderung. Wut, weil sie uns beide verarschte. Insbesondere Capi. Und Verwunderung, weil ich nicht damit gerechnet hätte, dass ich Chancen habe. Wenn das was Khalil gesagt hat wirklich stimmte, dann...keine Ahnung. Ich glaube, ich könnte das Capi niemals antun. Er ist mein bester Freund. Sowas machen Freunde nicht. Trotzdem musste ich irgendwie herausfinden, ob da was wahres dran war.
"Steigen wir nicht aus?", fragte sie, und riss mich damit aus meiner Trance. Anscheinend standen wir schon ein paar Minuten mit dem Auto in der Garage, ohne dass ich mich bewegt hatte.
"Doch. Komm.", sagte ich nur bestimmend und sie folgte mir nach drinnen. Ich schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel anschließend in meine Tasche.
"Was war denn nun mit Khalil? Was hat er gesagt?", fragte sie mich neugierig, und gleichzeitig panisch. Ihre Augen glänzten wie die von einem kleinen Welpen, der nicht wusste, was er machen sollte. Ich schob mich an ihr vorbei und nahm mir dann ein Glas aus dem Schrank.
"Was soll er schon gesagt haben. Den üblichen Scheiß.", entgegnete ich nur kalt und kippte Cola vermischt mit Alkohol in mein Glas.
"Bitte, Samra. Erzähl mir, was da abgelaufen ist. Warum hast du dir die Fäden aufgerissen? Habt ihr gekämpft?", fragte sie aufgebracht und flehte mich förmlich an, alles auszupacken. Aber ich überlegte genau, was ich sagen würde...und was nicht.
"Er hat gesagt, dass er dich definitiv umbringen wird. Früher oder Später."
Sie schluckte kurz und starrte mich erschrocken an, fing sich dann aber gleich wieder.
"Was, mehr nicht? Du warst eine halbe Stunde weg, das kann doch nicht alles gewesen sein. Wussten die anderen davon? Sag doch endlich!", forderte sie ungeduldig.
"Verdammt, nerv mich jetzt nicht okay? Geh einfach in dein Zimmer und hör auf, dumme Fragen zu stellen!", schrie ich sie an.
Sofort bildeten sich Tränen in ihren Augen, und sie ging einen Schritt zurück.
"Wenn ich dich so sehr nerve, warum hast du mich ihm dann nicht gleich ausgeliefert? Dann müsste ich mir das hier wenigstens nicht antun!", schrie sie nun aufgebrachter denn je zurück. Angestachelt stellte ich das Glas mit einem dumpfen Schlag auf der Küchenteheke ab und näherte mich ihr.
"Besser du gehst jetzt sofort hoch. Bevor ich mich vergesse! Mach schon!", brüllte ich. Sie zuckte kurz vor Schreck, wischte sich eine Träne weg und rannte dann schluchzend nach oben. Als sie weg war trank ich mein Glas auf ex und schenkte mir dann erneut ein. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Die ganze Situation und die neuen Erkenntnisse überforderten mich einfach komplett. Ich war kur davor Capi anzurufen, weil ich einfach komplett verzweifelt war. Aber das würde die Sache nur noch schlimmer machen. Nachdem ich eine Stunde am Pool vor mich hin gegrübelt, und zwei bis drei Gläser getrunken hatte, kam ich zu einem Entschluss. Ich musste wissen, ob Khalil die Wahrheit gesagt hatte oder nicht. Ich musste es beweisen.
Schwankend ging ich wieder zurück ins Haus und stellte mein leeres Glas ab. In meinem Kopf drehte es sich leicht, und ich versuchte, bei klarem Verstand zu bleiben. Ich hatte nicht übermäßig viel getrunken. Aber doch so viel, dass es mich mutiger machte. Ich trank noch einen Schluck Wasser, atmete tief durch und ging dann die Treppe nach oben. Als ich auf den Flur kam, sah ich, dass Josy ihre Tür geschlossen hatte. Hätte ich wahrscheinlich auch, an ihrer Stelle. Ich ging langsam auf ihr Zimmer zu und klopfte dann an die Tür. Keine Antwort. Als nach dem dritten Klopfen immernoch nichts kam, ging ich einfach rein. Ihr Handy lag auf ihrem Bett. Aber sie war nicht hier. Was nur bedeuten konnte, dass sie duschen war. Also würde ich einfach hier warten, bis sie wieder kam. Ich setzte mich auf ihr Bett und drückte den Homebutton auf ihrem Handy. Als Sperrbildschirm hatte sie ein Foto von sich und Capi, wie er sie auf die Wange küsste. Ich lächelte kurz beim betrachten den Bildes, und erinnerte mich an die Zeit, als ich auch solche Hintergrundbilder hatte. Von Cataleya und mir, als sie noch am Leben war. Bevor dieser Scheiß Unfall sie aus meinem Leben gerissen hatte. Sie sah ihr so verdammt ähnlich, dass es mich jedes mal aufs neue verletzte, wenn ich sie näher betrachtete.
"Was machst du hier?", fragte Josy, während ich weiter auf ihr Handy starrte. Behutsam legte ich es weg und richtete meinen Blick auf sie. Sie stand in kurzer Schlafanzughose und Top an der Tür, und musterte mich fragend.
"Wir müssen reden.", sagte ich ernst und stand dann von ihrem Bett auf.

Josy

Ich schluckte schwer und er signalisierte mir, die Tür hinter mir zu schließen. Langsam kam er auf mich zu, während ich ängstlich bei der Tür stehen blieb. Erst als er mir zu nah war, sprang ich panisch einen Schritt zur Seite und gewann somit wieder Abstand zu ihm.
"Worüber?", fragte ich skeptisch und beobachtete jede seiner Bewegungen.
"Komm hier her.", befahl er trocken und zeigte vor sich.
"Ich bin kein Hund. Vergiss es.", protestierte ich und schaute ihm direkt in die Augen.
"Dann hör auf mir auszuweichen.", fauchte er ungeduldig und kam wieder auf mich zu. Bevor er näher bei mir sein konnte, huschte ich an ihm vorbei und wollte raus rennen. Aber er kam mir zuvor, indem er die Tür zudrückte, bevor ich sie überhaupt öffnen konnte. Nun klebte ich an der Tür und drehte mich dann zitternd zu ihm um.
"Was hast du vor?", wimmerte ich leise, während ich auf den Boden starrte.
"Reden. Hab ich doch gesagt.", widerholte er sich und lehte sich weiterhin an der Tür ab. Ich konnte riechen, dass er getrunken hatte. Und ich wusste nicht, ob er sich Mut angetrunken hatte, oder einfach seine Gefühle runterschlucken wollte.
"Als ich mit Khalil geredet habe, hat er mir einiges erzählt. Ich weiß alles, Josy.", hauchte er bedrohlich in mein Ohr, was mir eine Gänsehaut verpasste.
"Was meinst du?", fragte ich verwirrt und sah ihn wieder an.
"Warum du mit Capi zusammen bist. Warum du in unser Leben getreten bist. Er hat mir alles erzählt. Du kannst aufhören, mir was vor zu machen. Ich weiß, dass du das alles nur machst, damit du an mich heran kommst.", sagte er  und funkelte mich an.
"Was? Wovon redest du? Wann soll ich das gesagt haben?", fragte ich ihn ernst, doch er grinste nur weiter.
"Als du bei ihm warst. Als du Angst um dein Leben hattest, und dann die ganze Wahrheit rausgehauen hast.", knirschelte er und nahm seine Hand von der Tür weg, um sie an meinen Hals zu legen.
"Samra, er hat gelogen. Das habe ich nie gesagt, das musst du mir glauben! Als ich bei ihm war, hat er mich nie über Vladislav oder dich ausgefragt. Die meiste Zeit war ich Bewusstlos, oder er hat mit irgendwelchen Leuten telefoniert!", verteidigte ich mich panisch und versuchte, seine Hand wegzudrücken.
"Du lügst. Seit dem ersten Tag an lügst du. Ich hatte von Anfang an Recht, du warst die ganze Zeit nur an mir interessiert, gib es endlich zu!", brüllte er mich an verstärkte den Druck an meinem Hals.
"Ich schwöre dir, Khalil hat dich angelogen! Das hier ist doch genau das, was er will!", rief ich ängstlich und schaute ihn flehend an.
"Hör auf zu spielen, Habibi. Ich glaube dir kein Wort. Und ich werde beweisen, dass er nicht gelogen hat.", zischte er und nahm mein Kinn in seine verletzte Hand.
"Bitte, er hat gelogen. Fall doch nicht darauf rein!", bettelte ich schwer atmend, während er sich gegen mich drückte.
Er musterte mich prüfend, und schaute mir dann wieder in die Augen.
"Wenn dem so ist. Dann schau mir in die Augen und sag mir hier und jetzt, dass du kein Interesse an mir hast!"
"Natürlich habe ich Interesse an dir. Aber nicht auf diese Art! Du bist wie ein großer Bruder für mich. Bitte glaube mir doch endlich...", sagte ich verzweifelt und schaute direkt in seine großen, dunklen Augen.
"Du lügst.", widerholte er sich entschlossen.
"Nein!", wimmerte ich, als er mir mit seinem Gesicht immer näher kam. Auch wenn seine Hand verletzt war, hatte sie dennoch genug Kraft, um mich fest zu halten. Als sich unsere Nasenspitzen berührten, sprang mir fast das Herz aus der Brust. Ich wusste genau, was er vor hatte. Aber ich konnte nichts machen.
"Samra...", war mein letzter Versuch, ihn davon abzuhalten. Aber es brachte nichts.

MademoiselleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt