Part 187 ~ Sehnsucht

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Ich schlug langsam die Augen auf und fragte mich, wo ich mich befand - bis es mir wieder einfiel. Ich hing immernoch mit Samra in diesem nervigen, extrem protzigen Hotelzimmer fest. Das letzte an das ich mich erinnerte war, dass ich mit dem Kopf auf seiner Schulter eingeschlafen bin. Nun lag ich allerdings alleine in dem riesigen Bett, in dem immernoch sein Geruch hing. Ich gähnte müde und erhob mich dann mit schweren Knochen, während ich mir durch die Haare fuhr. Draußen war es mittlerweile stockdunkel. Durch das Licht der Laterne vor dem Hotel konnte ich die feinen Regentropfen sehen, die von oben herab fielen. Ich atmete tief ein und aus, kippte das Fenster an und lauschte, wie der Regen leise auf das Dach prasselte. Ich mochte dieses Geräusch schon immer - es hatte etwas beruhigendes an sich. Der Wind von draußen neutralisierte langsam die stickige Luft, die einem das Atmen ein wenig erschwerte. Erst nach einigen Minuten in denen ich still vor mich hin träumte, bemerkte ich dass hier drin irgendwie eine komische Atmosphäre war. Ob es daran lag, dass ich mich mal für einen kurzen Moment nicht mit ihm im selben Raum aufhalten musste? Oder fehlte mir seine Anwesenheit vielleicht sogar?
"Als ob.", murmelte ich zu mir selbst und schüttelte dann schaufend den Kopf. Ich wandte dem angekippten Fenster den Rücken zu und visierte die verschlossene Badtür an, hinter der ich rauschende Geräusche wahrnahm. Kurz darauf ging die Klinke nach unten und und mir schoss der Geruch von Männerduschbad in die Nase, der irgendwie ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch auslöste. Aus dem Bad trat Samra, der ohne mich zu beachten nur mit einem Handtuch um die Hüfte gebunden fortbewegte. Seine schwarzen Haare tropften noch leicht, und auf seinem Rücken waren einzelne kleine Wasserperlen zu sehen, die langsam nach unten liefen. Er kniete mit dem Rücken zu mir vor seiner Sporttasche und wühlte darin herum, während ich meinen Blick nicht mehr abwenden konnte. Keine Ahnung was gerade mit mir los war - aber je länger ich diesen Geruch einatmete, desto wohler fühlte ich mich.
"Brauchst du Hilfe?", hörte ich eine Stimme, die irgendwie ganz weit weg klang.
"Soll ich nen Arzt holen oder so?", fragte die Stimme nun viel lauter als eben, was mich wieder in die Realität zurückkehren ließ. Samra stand direkt vor mir und schaute mich hochgezogenen Augenbrauen an, während mir erst mal bewusst wurde dass ich ihn anscheinend die ganze Zeit angegafft hatte. Verdammt, war mir das peinlich.
"Hm?", murmelte ich ertappt machte irgendwelche komischen Bewegungen mit meiner Hand.
"Mein Angebot steht noch." sagte er mit einem selbstgefälligen Grinsen und musterte mich von oben bis unten.
"Welches Angebot?", fragte ich verwirrt und versuchte so normal wie möglich rüber zu kommen. Doch dafür war es allerdings schon zu spät. Er hatte längst bemerkt, wie unangenehm es mir war dass ich ihn wie ein verliebter Teenager angestarrt hatte. Ich glaube, das war echt filmreif gerade. Filmreif und peinlich.
"Du weißt, was ich meine.", schmunzelte er und trat einen Schritt näher an mich heran. Wieder schoss mir der Duft von seinem Duschbad in die Nase. Gott, ich liebte diesen verdammten Geruch einfach. Ich erwischte mich selbst, wie ich die Augen schloss als er mir eine meiner Haarsträhne hinters Ohr strich. Komischerweise konnte ich in diesem Moment nicht anders, als seine Berührung einfach zu genießen. Auch wenn mein Kopf mir sagte dass es falsch war - mein Körper war komplett in seinen Bann gezogen. Ich wollte ihn wegstoßen, aber ich konnte mich einfach nicht bewegen. So sehr ich auch kämpfen wollte, irgendwie ging es nicht.
"Behaupte du noch mal, dass da nichts wäre.", brummte er sanft, während ich plötzlich die Fensterbank in meinem Rücken spürte. Anscheinend hatte er mich irgendwie dazu gebracht, einen Schritt nach hinten zu gehen. Ich öffnete langsam die Augen und hob den Kopf ein kleines Stück, um ihn anschauen zu können. Als unsere Blicke sich trafen fühlte ich wie alles um mich herum verschwamm. Mein Kopf fühlte sich an wie leer - alles auf was ich mich konzentrieren konnte, waren seine dunklen Augen. Die Augen, die mich so oft mit ihren Blicken getötet hatten. Und die Augen, die mich jedes mal aufs neue in ihren Bann zogen. Nur verschwommen bekam ich mit, wie er seine Hände an meine Seite legte und seine Daumen sanft in meinen Bauch drückte.
"Capi muss das nicht erfahren. Das kann unser kleines Geheimnis bleiben...wenn du das willst.", flüsterte er. Wie betäubt ließ ich zu, dass er mir mein Shirt über den Kopf zog und es auf den Boden warf. Nach einem kurzen Blick auf meinen BH legte er seine Finger an meine Hose, die er dann langsam öffnete. Gleich danach lag auch diese auf dem Boden, und ich stand nur noch in Unterwäsche vor dem halbnackten Libanese.
"Mach nicht so.", murmelte er und nahm meine Hände, die ich unbewusst schützend vor meinen Unterkörper hielt. Er legte seine große, warme Hand auf meinen Hintern und drückte mich dann sanft gegen sich. Als nächstes drehte er uns beide in die andere Richtung und schubste mich leicht nach hinten, sodass ich sitzend auf dem Bett landete.
"Dreh dich um.", sagte er sanft und löste das Handtuch, welches die untere Hälfte seines perfekten Körpers bedeckte.

Ich schlug die Augen auf und sah mich erschrocken um. Fuck, war das eben ein Traum oder ist das echt passiert? Ne, das war ein Traum, ganz sicher. Ich würde mich doch niemals auf Samra...oder mit ihm...oder überhaupt darüber nachdenken. Uff. Was bitte stimmt nicht mit mir? Schwer atmend strich ich mir durch die Haare, schluckte einmal und versuchte mich dann wieder zu beruhigen. Es war ja nicht das erste mal, dass ich von ihm träumte. Aber dass sich solche Gedanken in meinem Unterbewusstsein versteckt hatten, schockte mich irgendwie schon ganz schön. Ich hab doch nie an sowas gedacht? Warum zum Teufel träume ich das dann, und das ausgerechnet mit ihm? Bin ich so krass untervögelt, dass ich jetzt schon solche Träume habe?
Ich fuhr schreckhaft den Kopf zur Seite, als die Badtür aufging und der Libanese mit einem Handtuch um der Hüfte heraus trat.
"Ach ne, auch mal wach?", paffte er und hockte sich vor seine Sporttasche.
"Samra?", fragte ich ihn und hielt mir dann selbst erschrocken den Mund zu, weil ich das eigentlich gar nicht sagen wollte.
"Was?", antwortete er mir dem Rücken zu mir gewandt und suchte siche frische Sachen aus seiner Tasche. Verdammt, ich wusste nicht was ich jetzt sagen sollte. Keine Ahnung warum mir das raus gerutscht war...
"Was denn?", wiederholte er sich etwas genervt. Als ich immernoch nicht antwortete, stand er auf und drehte sich zu mir um.
"Lan was willst du?", fragte er nun halb schreiend und schaute mich wütend an.
"Ich...ich hab Hunger.", stammelte ich, weil mir in dem Moment einfach nichts besseres einfiel.
"Was? Normalerweise muss man dich doch zum essen zwingen. Hab ich irgendwas verpasst?", fragte er etwas verwundert und fuhr sich durch seine Handtuchtrockenen Haare. Ich schüttelte nur stumm mit dem Kopf, während er mich prüfend musterte.
"Ich geh mir was anziehen, dann überlegen wir uns was.", warf er mir zu und verschwand wieder im Badezimmer. Ich atmete erleichtert auf und ließ mich wieder zurück in das Kissen plumsen. Was war denn bloß los mit mir? Erst schlief ich auf seiner Schulter ein, dann träumte ich von ihm und jetzt das? Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr vermisste ich Vladislav. Er war der einzigste, der mir das geben konnte was ich am meisten brauchte. Nur bei ihm konnte ich mich komplett sicher fühlen. Nicht, dass Samra mich nicht beschützen würde. Aber bei ihm wusste ich einfach nie, was in seinem Kopf vorging. Im einen Moment ist er der größte Arschloch, dann plötzlich nett und manchmal einfach so verletzlich...nagut, was heißt manchmal. Eher selten, aber das spielt ja gerade keine Rolle. Bei ihm hatte ich irgendwie immer das Gefühl, als wäre ich an ihn gekettet. So als wäre ich sein Hündchen, dass ihm die ganze Zeit hinterher laufen und tun muss, was er sagt. Seufzend legte ich meine Hände auf den Bauch und starrte an die Decke. Was hätte ich dafür gegeben, damit er nicht nach New York fliegt. Oder mich zumindest mitnimmt. Je mehr ich an ihn dachte, desto mehr krampfte sich mein Herz zusammen. Irgendwann spürte ich, wie eine kleine heiße Träne über meine Wange lief. Schnell wischte ich sie weg und versuchte nicht mehr an ihn zu denken. So sehr ich ihn auch vermisste, es nützte nichts. Deswegen würde er auch nicht schneller wieder zurück nach Hause kommen.
"So schlimm hungrig?", fragte mich Samra, der mit frischen Klamotten aus dem Badezimmer kam und mich prüfend anschaute.
"Nein, wieso?", entgegnete ich und riss mich zusammen damit er nicht merkte, dass ich eben einen kleinen schwachen Moment hatte. Er verzog sein Gesicht ganz leicht, kam auf mich zu und beugte sich zu mir aufs Bett. Dann hob er seine Hand, und automatisch zuckte ich ein kleines Stück zurück. Alarmiert schaute er mich an und stoppte seine Bewegung, bis ich aufhörte mich anzuspannen. Dann führte er seine Hand zu meinem Gesicht und wischte mit seinem Daumen sanft über meine Wange.
"Deswegen.", flüsterte leise und schaute mich mit seinen dunklen Augen mitfühlend an.
"Ich hab nur gegähnt.", redete ich mich heraus und schob vorsichtig seine Hand weg. Ich wollte nicht, dass dieser Moment komisch werden würde. Wenn ich das zuließ, würde ich mich wieder in seinen Augen verlieren - und das durfte nicht passieren.
"Bist ne schlechte Lügnerin. Hat dir das schonmal einer gesagt?", fragte er seufzend und schmiss sich neben mich aufs Bett. Er legte eine Hand unter seinen Kopf, und mit der anderen holte er sein Handy aus der Hosentasche.
"Pizza ?", fragte er und schaute mich von der Seite aus an. Ich nickte ihm zu, und gleich darauf organisierte er und was zu Essen.

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