Seit einer gefühlten Ewigkeit saß ich nun schon hier, während mich die Ausländer am Tisch gegenüber immer wieder komisch anschauten. Ich versuchte meine Hände so wenig wie möglich zu bewegen, da die rauen Seile schmerzhaft auf meiner Haut rieben.
"Willst du was trinken?", fragte mich einer der Männer, woraufhin mich alle aus dem Augenwinkel anschauten. Ich schüttelte mit dem Kopf, und sie wandten sich wieder ihrem Spiel zu. Wenige Minuten später ging die Tür auf, und einer der Riesen von vorhind kam auf mich zu gelaufen.
"Glück gehabt.", sagte er und hob mich über seine Schulter. Vor lauter Schreck krallte ich mich in seinem Shirt fest, während er mich hinter der Bar hervor trug. Als ich wieder Boden unter den Füßen hatte, sah ich Samra zwei Meter von mir entfernt stehen. Das war einer der wenigen Momente, in denen ich wirklich mal mehr als froh war ihn zu sehen.
"Gehts dir gut?", fragte er und wollte auf mich zu laufen. Der Typ, der meine Schultern mit beiden Händen fest umpackt hielt reagierte sofort und zog gekonnt ein Messer aus seiner Tasche, welches er an meinen Hals hielt. Kareem gab ihm ein Zeichen, und dann wurde das Pflaster unsanft von meiner Haut gerissen. Ehe ich mich auf das Pflaster konzentieren konnte, hatte ich schon wieder eine Klinge an meinem Hals - direkt an der Wunde, die Samra mir verpasst hatte.
"Sieht so aus, als wären wir nicht die ersten.", lachte Kareem und wies auf die Wunde an meinem Hals, die durch das grobe abreißen des Pflasters wieder leicht angefangen hatte zu bluten.
"Siehst du, deiner kleinen gehts blendend. Jetzt gib endlich das Para, sonst überlege ich es mir anders.", sagte er plötzlich todernst und visierte Samra an. Mit vorsichtigen Bewegungen zog er das Geldbündel aus seiner Bauchtasche und legte es auf die Bar. Wieder zählte Kareem das bunte Papier und nickte seinem Kollegen hinter mir zu.
"Zahl beim nächsten mal pünktlich.", sagte er, und dann wurde ich endlich losgelassen. Schwer atmend schaute ich hinter mich und bemerkte, dass der Riese der mich fest gehalten hatte schon wieder nach hinten verschwunden war. Nachdem sich auch Kareem abgewandt hatte kam Samra zu mir, hob mein Kinn und musterte die Wunde an meinem Hals.
"Alles gut?", fragte er mit gerunzelter Stirn.
"Ja. Kannst du bitte?", nuschelte ich gebrochen und hielt ihm meine Hände entgegen, die immernoch zusammengebunden waren.
"Warte.", sagte er, kramte sein Klappmesser aus der Bauchtasche und kniete sich vor mir hin, um meine Füße zu befreien. Gleich danach schnitt er auch das Seil an meinen Handgelenken durch und steckte sein Messer wieder weg.
"Danke.", sagte ich und rieb über die geröteten Stellen, an denen das Seil meine Haut gereizt hatte.
"Können wir jetzt bitte nach Hause?", fragte ich müde, als wir endlich aus diesem komischen Laden raus waren. Er nickte stumm und nahm dann wieder meine Hand - dieses mal aber viel lockerer, als vorhind.
"Hast du noch so ein Pflaster in deine Tasche? Die du für deinen Bauch hattest?", fragte er, woraufhin ich ihm eins davon in die Hand drückte. So sanft wie möglich klebte er die Wunde wieder zu und ging dann endlich mit mir weg von dieser komischen Bar.
Irgendwann waren wir wieder an der Stelle angekommen, wo er sein Auto geparkt hatte. Ich ließ mich erschöpft auf den Beifahrersitz fallen und schnallte mich an. Er setzte sich neben mich, startete den Motor und drehte die Musik auf. Keine zwei Minuten später war ich im Sitz eingeschlafen, während er zu Takt schnipsend nach Hause fuhr."Fuck.", fluchte er laut und schlug gegen das Lenkrad wodurch ich unsanft geweckt wurde.
"Was ist los?", murmelte ich, als wir langsamer wurden.
"Bullen.", knurrte er fuhr auf den Parkplatz einer kleinen Gaststätte. Er ließ die Scheibe runter, drehte die Musik leiser und wartete auf den Beamten, der bereits auf dem Weg zu uns war.
"Schönen guten Tag, Fahrzeugpapiere und Ausweis bitte.", sagte der Polizist und leuchtete mit seiner Taschenlampe direkt in meine Augen, woraufhin ich mir den Arm vors Gesicht hielt. Samra gab dem Polizist was er haben wollte und trommelte dann nervös mit den Fingern gegen das Lenkrad.
"Einmal aussteigen bitte.", sagte der Beamte, woraufhin Samra fluchend aus dem Auto stieg. Ich schnallte mich hastig ab und stellte mich dann direkt neben ihn.
"Das passt ja gut, Herr Akkouche. Gegen sie wurde vor wenigen Minuten Anzeige wegen Körperverletzung erstattet.", sagte der Polizist.
"Ich wüsste nicht, wen ich verletzt haben soll.", sagte Samra lässig und vergrub die Hände in seinen Taschen. Der Polizist leuchtete ihm in die Augen und runzelte dann die Stirn.
"Wären sie bereit, einen Drogentest zu machen?", fragte er, woraufhin Samra zustimmte. Er drückte ihm einen Becher in die Hand und schickte ihn in die Gaststätte, um eine Urinprobe abzugeben.
"Sind sie seine Freundin?", fragte er mich als Samra weg war und nahm auch meine personalien auf.
"Eine Freundin. Wir wollten gerade nach Hause."
"Darf ich fragen, wo sie gewesen sind?"
"In der Stadt. Ich musste ein paar Sachen einkaufen.", sagte ich und wies auf meinen Rucksack, in dem sich die Sachen aus dem Rossmann befanden.
"Wir haben was.", rief plötzlich ein anderer Polizist, der ohne dass ich es bemerkt hatte Samras Auto durchsucht hatte. Er reichte ihm die kleine weiße Ampulle die er gefunden hatte und schaute mich dann verdächtig an.
"Wissen sie, was das ist?", fragte er mich streng.
"Nein.", antwortete ich erschrocken. Natürlich wusste ich, was das war. Aber ich wusste nicht, dass er den Mist im Auto hatte.
"Dürfen sie sein Auto einfach so durchsuchen? Braucht man da nicht einen Durchsuchungsbefehl?", fragte ich den Beamten misstrauisch, woraufhin er nur schnaufend grinste.
"Ich würde gerne ihren Rucksack durchsuchen.", sagte der Mann in der Uniform und ich gab ihm das, was er wollte. Nachdem er nichts gefunden hatte, bekam ich meinen Rucksack wieder und schlang die Arme um meinen Körper, da der Wind hier eiskalt Pfiff.
"Fertig.", sagte Samra mit dem Becher in der Hand, der gerade wieder aus der Gaststätte heraus stolziert kam.
"Das soll Urin sein? Ich bin zwar kein Arzt, aber normalerweise ist der nicht farblos.", sagte der Polizist und schmiss den Becher in den Mülleimer.
"Herr Akkouche, ich nehme sie hiermit vorläufig fest.", sagte der Polizist und drehte ihn um, damit er ihm die Handschellen anlegen konnte.
"Warum?", fragte er gespielt verwundert und wich vor ihm zurück.
"Ich glaube, das wissen sie selbst. Und erzählen sie mir jetzt nicht dass das in den kleinen Ampullen Zucker ist.",
"Tamam, warten sie. Vielleicht können wir das anders klären.", sagte er und zog ein zusammengerolltes Bündel Scheine aus seiner hinteren Hosentasche.
"Drogen am Steuer, Drogen im Fahrzeug und dann noch versuchte Bestechung. Ich hoffe, sie haben einen guten Anwalt.", sagte der Polizist streng und drückte den Libanesen gegen das blau-weiß gestreifte Auto, wo er ihm Handschellen anlegte.
"Kann ich ihnen hinterher fahren?", fragte ich den anderen Polizist heiser, welcher meine Frage bejahte. Ich setzte mich mit zittrigen Händen in Samras Auto und fuhr dem Polizeiwagen hinterher. Während der ganzen Fahrt war mir kotzübel vor Aufregung. Wenn das wirklich Koks in den Ampullen war, wie wollte er aus der Sache dann wieder raus kommen? Zumal er versprochen hatte, dass er nichts mehr nimmt.Auf dem Revier angekommen brachten sie ihn in einen Raum, wo sie sich stundenlang mit ihm unterhielten. Irgendwann weckte mich einer der Polizisten, nachdem ich anscheinend im Warteraum eingeschlafen war. Gerade als ich mich gähnend streckte ging die Tür auf, und Samra trat in Handschellen heraus.
"Wo bringen sie ihn hin?", fragte ich und sprang aufgeregt hoch, als die Polizisten an mir vorbei liefen.
"Da, wo er hingehört.", sagte einer der Männer unfreundlich.
"War er das auch?", fragte er mich und wies auf meinen Hals.
"Nein.", sagte ich schnell, ohne eine passende Lüge zu finden die das Pflaster rechtfertigen könnte.
"Ruf Capi an!" brüllte mir Samra zu, als sie ihn durch die Tür zerrten. Nun saß ich ganz alleine hier, und war komplett überfordert mit der Situation. Meine Hände waren so zittrig, dass ich kaum mein Handy halten konnte. Halb am heulen drückte ich auf >anrufen< und betete, dass er rangehen würde. Aber ich hatte kein Glück. Es klingelte zwar, aber er ging einfach nicht ran. Auch auf Whatsapp reagierte er nicht. Alles was ich machen konnte war hier zu warten, bis er sich zurückmeldete. Samras Auto hatten sie beschlagnahmt, und er war derjenige der den Schlüssel hatte. Ohne Vladislav war ich also komplett aufgeschmissen. Ich konnte weder hier weg, noch irgendwie in unser Haus kommen. Super.
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Mademoiselle
FanfictionJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...