Part 182 ~ Kein Schlaf

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"Kannst du bitte kurz rausgehen Bruderherz? Ich will mit Josy alleine reden.", sagte Vladislav beherrscht und verwies Samra nach draußen.
"Klar.", murmelte dieser locker und schloss dann die Tür von außen.
Der Ukrainer lief einige Sekunden im Zimmer auf und ab, während ich auf dem Bett saß und darauf wartete, das er etwas sagte.
"Vladislav, ich..."
"Hinsetzen.", unterbrach er mich nachdem ich mich erhoben hatte. Mit gesenktem Kopf ließ ich mich wieder auf dem Bett nieder und rieb meine schwitzigen Hände an meinem Kleid ab.
"Macht es dir Spaß, mich anzulügen?", fragte er und schaute mich mit einem Blick an, der mir ein ganz ekelhaftes Gefühl im Magen verpasste.
"Findest du das geil, ja? Komm, wir verarschen Capi ein bisschen, mal gucken ob der das checkt?"
"Nein, ich wollte..."
"Was wolltest du? Ich war die ganze Nacht im Studio und hab mir den Kopf zerfickt, wegen dem was mit uns beiden gewesen ist. Ich hab kein scheiß Auge zu gemacht weil ich nicht klar kam. Und du triffst dich einfach mal so mit Samra? Obwohl du viel wütender auf ihn warst, als auf mich?", fuhr er mich an.
"Einfach mal so? Er hat mir geschrieben, dass er dringend mit mir reden muss. Was hätte ich denn machen sollen? Ich dachte, es wäre was passiert!", verteidigte ich mich vor ihm.
"Achso, er hat dir geschrieben. Und wie konntest du das lesen, wenn ich dein Handy hatte?" Ach, Fuck.
Ich senkte den Blick und spielte mit den Fingern am meinem Kleid herum, während ich überlegte was ich antworten sollte.
"Ich...ich hab Samra schon vorher getroffen. Also nicht freiwillig, wir sind uns begegnet. Da hat er mir das Handy wieder gegeben."
"Bevor oder nachdem ich dir den scheiß Zettel unter der Tür durchgeschoben habe?"
"Bevor.", flüsterte ich schon fast.
"Tamam, geil. Und du hast es nicht für nötig gehalten, dich bei mir zu melden? Nachdem ich dir das auf Insta geschickt hatte? Oder generell, dich einfach zu melden?"
"Was hast du denn erwartet? Ich war sauer auf dich, Vladislav! Du bist mir voll in den Rücken gefallen, und ich war verletzt! Ich konnte einfach nicht. Ich hatte auch keinen Bock auf Samra, aber er hat mich gezwungen mit ihm zu reden!"
"Ach was gezwungen, ich bitte dich.", winkte er ab und legte seine Joker-Kette ab.
"Warum bist du jetzt sauer auf mich? Er hat es dir doch genauso bis jetzt verschwiegen! Warum bin ich jetzt die dumme?"
"Weil du mir dreist ins Gesicht gelogen hast, als ich dich gefragt habe ob du mehr weißt! Wie soll ich dir noch vertrauen, wenn du mich eiskalt anlügst?", schrie er mich an, was ein schmerzhaftes Brennen in meinem Brustkorb auslöste.
"Ich hatte es ihm versprochen. Ich hatte ihm versprochen, dir nichts zu sagen. Ich habe ihn vor zwanzig Minuten angebettelt, dass wir dir endlich alles erzählen. Er hat nichts dazu gesagt, nichts. Und dann geht er hoch und erzählt es dir einfach, sodass ich jetzt der Arsch bin? Das ist unfair. Jedes mal ziehe ich den kürzeren, jedes verdammte mal!", schluchzte ich aufgebracht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte nachdenklich auf den Boden.
"Dankeschön. Echt, dankeschön. Muss geil sein, wenn man immer jemanden hat dem man die Schuld geben kann.", schniefte ich kopfschüttelnd, suchte meine Schlafsachen zusammen und ließ ihn stehen. Als ich die Tür hinter mir zuknallte bemerkte ich Samra, der in seiner Zimmertür lehnte und mich anstarrte.
"Du bist so ein Arschloch. Hauptsache du stehst jetzt gut da, oder?", keifte ich unter Tränen.
"Du wolltest doch, dass er es weiß. Ich habe nur das gemacht, was du wolltest.", brummte er arrogant mit erhobenen Händen.
"Ganz ehrlich, Samra? Zieh mal weniger!", warf ich ihm zu und ließ auch ihn dann stehen. Völlig fertig mit den Nerven verschwand ich im Gästezimmer, schmiss die Tür hinter mir zu und verriegelte dann die Tür. Ich war so sauer, ich wollte einfach niemanden mehr sehen. In dem Moment war mir scheißegal, dass Vladislav morgen früh fliegen würde. Ich war so wütend, dass es mir einfach scheißegal war.

Ich wurde nach ein paar Stunden wach, nachdem ich mich krampfhaft in den Schlaf geweint hatte. Auf meinem Handy sah ich, dass es mitten in der Nacht war. Ich rieb meine brennenden Augen, zog meine Schlafsachen an und legte das Kleid ordentlich zusammen. Dann schloss ich die Tür wieder auf und streckte meinen Kopf in den Flur. Unsere Tür und die von Samra waren geschlossen - was bedeutete, dass beide schliefen. So leise wie möglich schlich ich mich die Treppen nach unten, wo ich mir ein Glas Wasser holen wollte. Als ich unten ankam bemerkte ich das kleine Licht, das aus der Küche kam. Neben dem großen Deckenlicht hatten wir an der Abzugshaube noch eine Lampe, die ausreichend Licht spendete um genug sehen zu können. Ich atmete tief durch und schaute dann um die Ecke - doch da war niemand.
"Gott sei dank.", murmelte ich in mich hinein und entspannte mich wieder.
"Hey.", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir, die beinahe mein Herz zum stehen brachte. Mein gesamter Körper zuckte vor Schreck zusammen, bevor ich mich umdrehte.
"Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.", entschuldigte sich Vladislav. Er stand in seiner Schlafanzughose Oberkörperfrei vor mir. Unter seinen Augen lagen tiefe Ringe, die aussagten wie fertig er gewesen sein musste. Ich wusste nicht ob ich mich täuschte, aber ich bildete mir ein dass seine Augen etwas gerötet waren. Allerdings nicht vom kiffen, sondern so wie wenn er geweint hätte.
"Ich konnte nicht schlafen.", murmelte er und kratzte sich im Nacken. Dann ging er an mir vorbei und setzte sich müde an den Küchentisch. Ohne ein Wort tat ich es ihm gleich und setzte mich gegenüber von ihm, wo ich dann schweigend ins Leere starrte.
"Ich will nicht im Streit auseinander gehen.", sagte er nach einer gefühlt ewig andauernden, unangenehmen Stille.
"Hm.", murmelte ich, weil ich keine Ahnung hatte was ich darauf jetzt sagen sollte.
"Baby, es tut mir leid. Ich hab glaube ich ein bisschen überreagiert.", sagte er und stand vom Tisch auf.
"Ein bisschen.", sagte ich heiser und spürte, wie sich wieder Tränen in meinen Augen bildeten. Er kam zu mir, kniete sich vor mich und legte seine warmen Hände auf meine zitternden Knie.
"Mach nicht so. Nicht wegen mir weinen, tamam?", nuschelte er mir gebrochener Stimme, nahm meine Hände und drückte sie fest.
"Ich wollte dich nicht anlügen. Es tut mir auch weh, wenn ich das machen muss. Aber ich konnte nicht anders. Ich konnte ihn nicht verraten...auch wenn er es mehr als verdient hätte. Bitte Vladislav, sei wenigstens einmal auf meiner Seite.", wimmerte ich, entzog mich seinen Händen und wischte mir die Tränen weg, die mir erneut übers Gesicht liefen. Er beobachtete mich einige Sekunden schweigend, während auch er ganz leicht Tränen in den Augen hatte. Zumindest glaubte ich das zu sehen.
"Ich bin doch auf deiner Seite, Baby. Ich hab euch auf dem Flur gehört...nachdem du raus bist. Es war eine Assi-Aktion von ihm, mir das zu erzählen ohne dass du dabei warst. Das habe ich ihm auch nochmal gesagt. Ich dachte er wollte es mir sagen und du nicht."
"Also bist du nicht böse auf mich?"
"Nein Baby, bin ich nicht. Lass das einfach vergessen, tamam?", sprach er sanft und legte seine Hände an mein Gesicht.
"Jetzt hör auf zu weinen. Komm, wir gehen ins Bett.", sagte er und zog mich wieder auf die Beine. Ohne etwas zu sagen griff er um mich und hob mich dann in seine Arme, so als würde ich nichts wiegen.
Oben angekommen legte er mich auf unserem Bett ab, schloss die Tür und krabbelte dann auf mich. Behutsam wischte er eine letzte Träne mit seinem Daumen aus meinem Gesicht, und beugte sich dann zu mir herunter um mich zu küssen. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren und genoss diesen Moment, so als hätten wir uns seit einer Ewigkeit nicht mehr geküsst.
"Ich will nicht, dass du fliegst.", flüsterte ich leise.
"Ich weiß, Baby. Aber ich muss."
"Kannst du Samra nicht mitnehmen?"
"Nein Prinzessa, er wollte nicht.", atwortete er grinsend und stupste mir leicht auf die Nase. Dann rollte er sich seufzend ab und ließ sich neben mich plumsen.
"Also ich will nicht sagen dass ich das gut fand - aber Samra hast du vorhind echt eins rein gedrückt mit dem Spruch.", sagte er grinsend und deckte sich dann zu.
"Welcher Spruch?", fragte ich gähnend und legte die Hände auf meinen Bauch, während ich an die Decke starrte.
"Na mit wem weniger ziehen. Alter, war der sauer.", kicherte er neben mir.
"Warte, was? Wie sauer? Auf einer Skala von Eins bis Zehn?", fragte ich und merkte, wie mir direkt schwindelig wurde.
"So sauer, dass er dir hinterher wollte. Ich hab ihn aber zurück gehalten.", antwortete er locker. Irgendwie schien er das nicht so kritisch zu sehen wie ich.
"Oh Gott, bitte flieg nicht. Der wird mich umbringen, wenn du weg bist.", bettelte ich ihn an und drehte mich zu ihm.
"Nein Baby, alles locker. Der hat das bestimmt vergessen bis nachher. Keine Sorge, er wird dich nicht killen.", versuchte er mich zu beruhigen - ohne Erfolg.
"Vergessen? Als ob der das vergisst! Wenn der so sauer war, zahlt der mir das heim. Fuck, ich bin sowas von tod.", murmelte ich verzweifelt und fuhr mir durch die Haare.
"Beruhig dich, Prinzessa. Ich kann nochmal mit ihm reden, wenn du willst."
"Nein, das macht es nur schlimmer. Das ist ja wie petzen...ne das geht nicht. Oh man...", jammerte ich.
"Tamam...dann rede mit ihm. Entschuldige dich oder so."
"Und du meinst, das hilft?"
"Klar. Samra ist auch nur ein Mensch. Auch er macht Fehler. Und wenn er dich killt, kill ich ihn. Versprochen.", grinste er frech und knuffte mich leicht in die Wange.
"Na super.", entgegnete ich wenig begeistert und schob seine Hand von meinem Gesicht weg.
"Jetzt schlaf. Ich muss in drei Stunden aufstehen, ich brauch noch bisschen Ruhe.", nuschelte er und gähnte dann lautstark.
"Und du kannst ihn wirklich nicht mitnehmen?", versuchte ich es erneut.
"Baby, entweder du schläfst jetzt oder ich trag dich in sein Bett und schließ die Tür ab.", brummte er. Einerseits wusste ich das er nur Spaß machte. Aber andererseits wollte ich das auch echt nicht ausreizen - manchmal konnte selbst ich nicht einschätzen, wie durchgeknallt er war.
"Komm zu mir und mach deine Augen zu Baby. Du brauchst den Schlaf auch." Er legte seinen Arm um mich und zog mich somit an ihn heran. Sofort spürte ich die angenehme Wärme, die von ihm ausging. Sie sorgte dafür, dass ich mich sofort wohl fühlte und meine Sorgen nach hinten schieben konnte.
"Gute Nacht."
"Schlaf gut, Baby."

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Lesenacht Teil 2 🔥

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