Part 153 ~ Jibrail und Iblis

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Josy

"Glaub mir, Kommunikation ist alles. Rede mit ihm, bevor sich das noch mehr hochschaukelt.", sagte Kati und lächelte mir aufmunternd zu.
"Ehrlich gesagt will ich gar nicht darüber reden. Ich will mich einfach nicht mehr darüber ärgern müssen. Aber mir bleibt nichts anderes übrig.", schniefte ich traurig, woraufhin sie ihren Arm tröstend um mich legte.
"Wie sieht es aus, wollen wir gehen?", fragte Samra, der mit drehen fertig war und zu uns gelaufen kam.
"Bring sie sicher nach Hause, großer.", sagte Kati zu ihm und sie umarmten sich zum Abschied. Danach ging sie zu ihren Freund und ließ mich mit dem Libanese alleine, der sich neben mich auf die Bank setzte.
"Geht es dir besser?", fragte er mich und zündete sich eine Zigarette an.
"Muss ich da wirklich drauf antworten?", murmelte ich müde und kuschelte mich in die Decke ein, die mir einer der Jungs gegeben hatte.
"Wie kommen wir jetzt nach Hause?", fragte ich ihn, nachdem wir eine Weile stumm nebeneinander saßen.
"Mein Bruder holt uns ab. Er ist gleich da.", antwortete er ruhig und schnippste dann die Kippe weg.
"Hast du es Vladislav erzählt?", fragte ich leise in der Hoffnung, dass er ihm nichts gesagt hatte. Ich wollte keine Geheimnisse vor ihm. Aber ich wollte auch nicht unbedingt mit ihm reden. Im Moment jedenfalls nicht.
"Ja, klar. Warum nicht?" Verwundert schaute er mich an, während ich aus der Ferne das ausgebrannte Auto betrachtete, das heute beinahe mein Sarg gewesen wäre.
"Ich bin einfach zu müde, um mit ihm darüber zu reden.", sagte ich und lehnte mich gegen seine Schulter. Man merkte ihm sofort an, dass er nicht so richtig wusste, ob er das zulassen oder mich wegschieben sollte.
"Dann tu's nicht.", murmelte er abwesend. Gerade als ich glaubte er würde mich von sich wegdrücken, legte er stattdessen seinen Arm um mich und drückte mich somit enger an sich.
"Wie wird es jetzt weitergehen?", fragte ich leise.
"Zuerst gehen wir was essen.", antwortete er heiser und wollte aufstehen, doch ich nahm seine Hand und zog ihn somit wieder zurück.
"Bitte, lass uns wenigstens noch einen Moment lang so tun, als wäre alles gut. Bevor du wieder zum Arschloch wirst und alles so ist wie immer.", bat ich ihn sanft.
"Tu das nicht.", sagte er neben mir, nachdem ich mich wieder gegen ihn gelehnt hatte.
"Was meinst du?", fragte ich unwissend, während er meine Hand nahm, die immernoch an seinem Handgelenk ruhte.
"So tun, als wäre alles gut. So tun, als wäre ich ein guter Mensch. Wir wissen beide, dass ich das nicht bin. Und dass ich das hier nicht verdient habe.", brummte er und umgriff mein Handgelenk, während er mit gerunzelter Stirn nachdachte.
"Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Jeder hat seine schlechten Seiten. Aber deshalb bist du noch lange kein schlechter Mensch.", redete ich auf ihn ein.
"Und woher willst du das wissen? Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle. Du hast keine Ahnung, wozu ich im Stande bin.", sagte er plötzlich deutlich lauter als eben, und stand von der Bank auf. Mit dem Rücken zu mir gedreht stand er da, vergrub die Hände in den Taschen seiner schwarzen Lederjacke und atmete die kalte Dezemberluft ein.
"Samra, bitte. Das muss nicht so laufen.", flehte ich mit ruhiger Stimme und stellte mich in meiner Decke eingemurmelt hinter ihn.
"Doch, das muss es. Und es wäre besser, wenn du aufhörst dagegen anzukämpfen.", brummte er, wodurch es mir eiskalt den Rücken herunter lief.
"Samra...", versuchte ich es wieder und legte meine Hand auf seine Schulter, doch dieses mal ließ er es nicht zu. Er drehte sich um und griff fest nach meinem Handgelenk, was mich aufschrecken ließ.
"Es geht auch anders.", füsterte ich zitternd, als er mir näher kam.
"Gib es endlich auf. Du kannst mich nicht ändern. Niemand kann das.", knurrte er und zog mich mit einem Ruck so nah an sich heran, dass ich meinen freien Arm um seinen Nacken legen musste, damit ich nicht umfiel. Je näher ich ihm war, desto benebelter wurden meine Sinne. Alles was ich in diesem Moment wahrnehmen konnte war sein Geruch nach Olympea paco rabanne, der mein Gehirn aussetzen ließ. Und seine dunkelbraunen Augen, deren fesselnder Blick mir den Boden unter den Füßen wegriss. Als der kalte Wind durch meine Haare zischte und mich wieder in die Realität zurück holte, bemerkte ich dass es nicht Samra war, der dafür sorgte dass ich komplett neben mir stand.
"Wir sollten gehen.", raunte er, als ich beschämt meinen Blick von ihm abwendete. Er ging einen Schritt zurück, sodass ich wieder ohne Hilfe stehen konnte. Allerdings hielt das nicht sehr lange an, da mir wieder schwindelig wurde.
"Wird Zeit, dass du endlich was isst. Du hast schon gar keine Kraft mehr.", sagte er und wollte mich hinter sich herziehen, doch meine Beine spielten nicht mit.
"Mir ist schlecht.", sagte ich, als er sich zu mir umdrehte und bemerkte, dass ich nicht mit ihm mit kommen konnte.
"Wäre mir auch, wenn ich mich selbst aushungern würde.", meckerte er und stellte sich direkt vor mich.
"Halt dich fest.", sagte er und plötzlich lag ich in seinen Armen. Er marschierte mit mir über die Wiese, während ich mich an seinen schwarzen Pullover kuschelte und die Augen schloss, damit mir nicht noch schwindeliger wurde.
"Gehts wieder?", fragte er mich, als ich meine Augen wieder öffnete. Wir befanden uns auf einem Parkplatz, wo maximal drei Autos standen. Durch das Licht der Straßenlaternen sah ich, dass es angefangen hatte zu schneien. Allerdings waren es nur ein paar kleine Schneeflocken, die sofort wieder verschwunden waren als sie auf dem Boden aufkamen.
"Ich denke schon.", sagte ich und gleich danach stand ich wieder auf eigenen Beinen.
"Da kommt er.", sagte Samra und winkte dem weißen Mercedes mit türkisen Felgen zu, der zu uns auf den Parkplatz einbog. Das Auto parkte direkt vor uns, während ich mich ein Stück hinter Samra stellte. Ich kannte seine Brüder nicht. Aber wenn sie genauso waren wie er, sollte man sich vielleicht lieber in Acht nehmen.
"Hast du die Karre hochfliegen lassen, Habibi?", fragte sein Bruder direkt, als er aus dem Auto stieg und Samra begrüßte. Er war ein winziges Stück kleiner als Samra, aber im Gesicht erkannte man sofort dass sie Brüder waren.
"Und das ist deine Freundin?", fragte er und schob Samra beiseite, um mich sehen zu können.
"Nein, Capis.", stellte Samra direkt klar und und ging einen Schritt von uns weg, woduruch ich mich sofort unsicher fühlte. Obwohl mich der junge Mann vor mich freundlich anlächelte, zögerte ich trotzdem als er mir die Hand geben wollte.
"Keine Sorge, ich beiße nicht.", lachte er und lockerte somit die angespannte Stimmung ein kleines bisschen auf.
"Ich bin Haider. Ich hoffe, mein Bruder hat nur gutes über mich erzählt.", grinste er, nahm meine Hand und küsste dann meinen Handrücken, was ein mulmiges Gefühl in mir auslöste.
"Hör auf zu flirten, ich hab Hunger. Und außerdem ist es arschkalt, also lass uns losfahren.", sagte Samra, der bereits am Griff der Beifahrertür zog und sich dann in das warme Auto setzte.
"Wie heißt du?", fragte mich Haider, nachdem er meine Hand wieder losgelassen hatte.
"Josy.", antwortete ich unsicher und spürte, wie sein Blick mich förmlich auszog.
"Der Name gefällt mir. Los steig ein, bevor Hussein zur Diva wird.", sagte er und hielt mir die Tür zur Rückbank auf.
"Danke.", murmelte ich, bevor er die Tür schloss uns sich wieder hinters Lenkrad setzte.
"Wo soll es hingehen?", fragte Haider seinen Bruder, der in sein Handy vertieft war.
"Ich such grad was, wo wir essen können. Willst du mit?", fragte er, doch Haider schüttelte mit dem Kopf.
"Nein, ich treff mich nachher noch mit den Jungs. Wir essen unterwegs.", sagte er und startete den Wagen.
"Hab was.", sagte Samra und zeigte ihm die Adresse, woraufhin er diese in das eingebaute Navi eingab.
Während der Fahrt durch die Stadt bemerkte ich immer wieder, wie Haider mir durch den Rückspiegel komische Blicke zuwarf. Ich konnte sie nicht richtig deuten, da es dunkel war. Zwischenzeitlich bildete ich mir sogar ein, ein Zwinkern gesehen zu haben. Irgendwie war ich froh, als wir dann hielten und Haider mir wieder die Tür aufhielt, damit ich aussteigen konnte. Während ich aus dem weißen Mercedes ausstieg, stand Samra an der anderen Seite des Wagens mit dem Rücken zu uns und zündete sich eine Zigarette an. Ich wollte einen Schritt zur Seite gehen, doch Haider stellte sich mir elegant in den Weg, während die Tür noch geöffnet war.
"Speicher dich ein.", sagte er leise und hielt mir sein Handy hin. Ich zögerte kurz, gab dann aber schnell irgendeine ausgedachte Nummer ein und er packte es wieder weg. Ich wollte ihm meine Nummer nicht unbedingt geben, da er mit Sicherheit nur das eine im Kopf hatte.
"Wenn du mal Abwechslung brauchst, ruf mich an. Ich bin für alles offen.", flüsterte er in mein Ohr und ging dann einen Schritt zur Seite, sodass ich wieder freie Bahn hatte. Jap, das war definitiv Samra's Bruder.
"Danke für's mitnehmen.", sagte ich und tat so, als wäre das eben nicht passiert.
"Ja, danke Habibi.", meldete sich nun auch Samra zu Wort. Mit einem lächeln auf den Lippen stieg Haider wieder in das Auto ein und fuhr dann davon.
"Er hat dich angemacht, stimmt's?", fragte Samra, als ich neben ihm stand. Völlig erstaunt darüber dass er das wusste schaute ich ihn an, während es mir die Sprache verschlagen hatte.
"Dachte ich mir.", sagte er kopfschüttenld, konnte aber ein kleines Schmunzeln nicht verbergen.
Das Restaurant in das wir gingen war komplett anders als das, was ich erwartet hatte. Ich hatte gedacht, wir gehen zu irgendeiner Dönerbude - von der es in Berlin ja mehr als genug gab. Aber Samra hatte anscheinend andere Pläne. Wir befanden uns in einem relativ kleinen, aber dennoch schicken Lokal.
"Hier kommen nicht so viele Leute her. Aber schmeckt Bombe, vertrau mir.", flüsterte er mir zu und half mir dabei, meine Jacke auszuziehen. Zusammen mit seiner hing er sie an den Haken und ging dann mit mir zu einem Tisch, der etwas abgelegener von den anderen stand.
"Was willst du essen?", fragte er und reichte mir die Karte. Am liebsten hätte ich gar nichts gegessen, weil mir immernoch leicht schlecht war.
"Guck nicht so, du isst was. Wir gehen hier erst raus, wenn du was im Magen hast.", drohte er leise, woraufhin ich nur nickte. Ich war einfach zu schwach und zu müde, um mich jetzt wieder mit ihm zu streiten. Die Kellerin kam und nahm unsere Bestellung auf, während ich versuchte normal zu wirken. Ich war am Ende mit meinen Nerven. Aber ich wollte es mir auf keinen Fall anmerken lassen.
"Holt Haider uns dann wieder ab?", fragte ich meinen Gegenüber, der mich mit einem komischen Blick ansah.
"Nein, keine Sorge. Capi holt uns.", antwortete er und spielte mit der Serviette herum, die vor ihm lag.
"Was hat er gesagt? Also am Telefon, als du erzählt hast was..."
"Was denkst du denn, was er gesagt hat? Er hat sich Sorgen gemacht. Er wollte sofort herkommen, aber er musste erst noch einige Sachen klären.", antwortete Samra leicht aufgebracht.
"Hm.", murmelte ich und schweifte dann irgendwie in Gedanken ab, sodass ich alles andere um mich herum ausblendete.
"Na los, frag schon. Das willst du doch schon den ganzen Abend.", sagte er plötzlich, nachdem ich ihn eine Weile unbewusst angestarrt hatte.
"Hm? Oh, sorry.", entschuldigte ich mich und wandte sofort den Blick von ihm ab.
"Du willst wissen, warum ich das mit dem Auto gemacht habe, stimmts?", fragte er direkt, so als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Ich nickte einmal kurz und traute mich dann wieder, ihn anzuschauen.
"Es gab einfach zu viele, die Auge gemacht haben. Leider auch viele meiner Freunde. Ich bin niemand, der sich mit seinem Besitz profilieren muss. Ich habe nicht vergessen, wo ich herkomme. Das wollte ich damit klar machen." Es dauerte nicht lange, bis unser Essen kam. Samra hatte recht, hier waren wirklich nicht viele Leute. Wenn wir in ein besser besuchtes Restaurant gegangen wären, hätten wir wahrscheinlich keine ruhige Minute gehabt. So war es irgendwie angenehm, einfach mal die Stille genießen zu können.
"Capi ist in fünf Minuten da. Ich zahl die Rechnung und dann gehen wir.", sagte der Libanese, nachdem wir beide aufgegessen hatten. Er rief die Kellnerin zu uns und legte beim bezahlen der Rechnung ordentlich Trinkgeld mit drauf - woraufhin sie ihm ihre Nummer auf einem kleinen Zettel zusteckte. Als wir das Restaurant verließen, warf er diesen jedoch direkt in den Mülleimer und zog sich die Jacke zu, bevor er seine rote Malboro Schachtel aus seiner Bauchtasche heraus kramte.
"Warum hast du sie nicht behalten?", fragte ich verwundert, da ich eigentlich gedachte hatte dass es zwischen den beiden gefunkt hatte.
"Mach dir darüber keine Gedanken.", antwortete er nur arrogant und pustete dann den Rauch von seiner Zigarette in die Luft.

MademoiselleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt