Vladislav
Wie ein Zombie stand ich in unserem Zimmer, und fühlte mich wie versteinert. Die ganze Zeit starrte ich auf den Chatverlauf von Josy und Haider. Und mit jeder Sekunde wuchs dieses beschissene Gefühl in meinem Bauch. Ich hatte es wirklich verkackt. Sie hatte recht, mit allem. Keine Ahnung warum ich sofort an ihr gezweifelt hatte. Aber ich bereute es mit jedem Moment mehr, in dem ich hier einfach nur sinnlos herum stand. Also steckte ich ihr Handy weg und ging mit schnellen Schritten nach unten.
"Wo ist sie, Bra?", fragte ich Samra, bei der Tür stand und sich die Wange hielt.
"Ich hab keine Ahnung Bruder.", sagte er abwesend, ohn mich direkt anzuschauen. Als mir die offene Balkontür auffiel, blieb mir fast das Herz stehen.
"Josy!", brüllte ich so laut ich konnte, nachdem ich nach draußen gerannt war um sie zu suchen. Draußen hatte es vor einer Weile angefangen zu schneien. Durch das bisschen Schnee was liegen geblieben war, konnte man dezent ihr Schuhabdrücke sehen. Ich folgten den Spuren und sah dann, dass sie durch den kleinen Weg gegangen war der hinter dem Haus entlang führte. Dieser verlief direkt zur Straße.
"Samra!", rief ich meinen besten Freund, als ich wieder ins Haus rannte.
"Zieh deine Jacke an, sie kann nicht weit gekommen sein.", befahl ich eilig und warf mir meine Jacke über. Er hingegen stand da wie angewurzelt und schaute mich an, als wüsste er nicht wer ich bin.
"Verdammt worauf wartest du? Wir müssen sie finden, bevor jemand anderes schneller ist!", sagte ich und schüttelte ihn, sodass er endlich wach wurde.
"Ja, okay.", sagte er verwirrt und zog sich an. Ich rannte zur Garage und startete den Wagen, während Samra auf dem Beifahrersitz einstieg.
"Halt die Augen offen. Wir müssen sie finden.", sagte ich zu ihm und fuhr dann mit quietschenden Reifen los.Josy
Meine Hände zitterten vor Kälte, während ich die Straße entlang lief. Durch den Schnee musste ich den Kopf die ganze Zeit gesenkt halten, damit ich nicht ständig eine Schneeflocke ins Auge bekam. Ich hatte keine Ahnung, wo ich jetzt hin sollte. Mein Handy hatte ich bei Vladislav gelassen, also konnte ich auch niemanden anrufen. Ich hatte weder Geld für ein Taxi, noch hatte ich irgendeine Nummer in meinem Kopf die ich anrufen könnte. Wobei, ich hätte sowieso niemanden anrufen können - ich hatte ja nicht mal Geld für eine Telefonzelle. Es war irgendwie Aussichtslos. Die einzigste Möglichkeit wäre gewesen, wieder umzukehren. Aber ich wollte nicht. Ich wollte Vladislav nicht sehen - und Samra erst recht nicht. Im Moment hasste ich beide einfach nur. Samra, weil er er alles daran setzte mir das Leben zur Hölle zu machen - und Vladislav, weil er mir jedes mal in den Rücken fiel, wenn es darauf ankam. Mag sein, dass es dumm war alleine draußen herumzulaufen. Aber ehrlich gesagt war es mir gerade lieber zu sterben, als mich mit dem ganzen Mist noch weiter auseinandersetzen zu müssen. Plötzlich fiel mir ein Ort ein, an dem ich Hilfe bekommen könnte.
Halb durchgefroren trat ich durch die Tür, und schon stieg mir der bekannte, süße Duft in die Nase.
"Josy!", freute sich Amar und kam auf mich zu, um mich zu begrüßen.
"Bist du alleine hier? Wo ist Capi? Alles okay?", fragte er direkt als er bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte.
"Sag mir bitte einfach, dass du die Nummer von Granit hast.", sagte ich zitternd und schlang die Arme um meinen halb erfrorenen Körper.
"Ja, habe ich. Aber soll ich nicht lieber Capi anrufen?"
"Nein! Er soll nicht wissen, das ich hier war. Bitte, sag ihm nicht dass ich hier bin.", flehte ich ihn an.
"Okay, komm erst mal mit. Ich rufe Granit an.", sagte er, legte seinen Arm um mich und ging mit mir hinter die Bar, wo er mich auf einem kleinen Hocker sitzen ließ. Während er mir einen Tee machte, versuchte er Granit zu erreichen. Ich war so froh, dass Amar alles und jeden kannte. Jemand anderes wäre mir in dieser Situation nicht eingefallen.
"Er ist auf dem Weg hier her. Du hast Glück, er war gerade in der Nähe.", sagte Amar und steckte sein Handy weg. Ich hätte ihm so gerne gesagt, was los war. Aber ich konnte einfach nicht. Natürlich fragte er nach. Umso mehr tat es mir leid, dass ich es ihm im Moment nicht sagen konnte. Ich wollte einfach nicht darüber reden. Alles was ich wollte, war so weit wie möglich von hier weg zu kommen. Während er sich um seine Gäste kümmerte, saß ich auf dem kleinen Hocker und versuchte nicht über alles nachzudenken. Aber ich konnte nicht anders. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkte wie die Tür aufging und plötzlich jemand neben mir stand.
"Përshëndetje, Zemër.", sagte der größere Albaner und lächelte mich freundlich an. Ich schaute nach oben, stand dann auf und klammerte mich einfach nur an ihn.
"So schlimm?", fragte er lachend, als ich leise anfing zu schniefen.
"Kannst du mich bitte einfach hier weg bringen?", murmelte ich gegen seinen Nike Pullover, ohne ihn loszulassen.
"Alles was du willst.", flüsterte er, drückte mich sanft von sich und legte dann seinen Arm um meinen zitternden Körper. Wir verabschiedeten uns von Amar und ich bat ihn nochmal, den Jungs nichts zu sagen falls sie hier auftauchen sollten. Ich wollte wenigstens mal ein paar Stunden Abstand von dem ganzen Vladislav-Samra-Drama.
"Also. Was ist los? Wieder Stress mit Samra?", fragte Granit, als ich mich in seinem Auto anschnallte und mich müde in den Sitz sinken ließ.
"Kann man so sagen.", nuschelte ich und kniff die Augen zusammen, als mich das Licht der entgegenkommenden Autos blendete.
"Willst du darüber reden?"
"Eigentlich nicht. Nicht jetzt."
"Deine Probleme lösen sich aber nicht in Luft auf, wenn du davor weg rennst. Irgendwann werden sie herausfinden, dass du bei mir bist. Und wie ich die Jungs kenne dürfte das nicht allzu lange dauern.", sagte Granit so mitfühlend wie möglich, während er sich auf den Verkehr konzentierte.
"Vielleicht interessiert es sie ja auch gar nicht, wo ich bin. Einer von beiden ist mit großer Sicherheit froh, wenn ich weg bin.", sagte ich erschöpft und gab mir alle Mühe, die Tränen zurück zu halten.
"Sag das nicht. Glaub mir, ihm liegt mehr an dir, als du denkst."
"Wo fahren wir jetzt hin?", wollte ich wissen, damit wir das Thema wechseln konnten.
"Ich bin derzeit in einem Hotel in Berlin. Muss hier einige Sachen klären.", antwortete er mit einem Blick, den ich von Vladislav kannte.
"Illegale Sachen?" Er schaute mich verwundert an, doch dann zuckten seine Mundwinkel ganz leicht nach oben.
"Unter anderem.", sagte er und war anscheinend irgendwie amüsiert darüber, dass ich mir denken konnte was er meinte.Er parkte hinter dem Hotel und ging dann mit mir über einen Hintereingang in das Gebäude.
"Warum gehen wir nicht vorne rein?", fragte ich, als wir über einen schlecht beleuchteten Gang zur Lobby gelangen.
"Wenn mich hier jemand erkennt, dann stürmen die wahrscheinlich das Hotel. Ich liebe meine Fans, aber manchmal ist das echt anstrengend.", sagte er lachend und drückte auf den Knopf, der den Fahrtuhl zu uns holte.
"Wie lange bleibst du hier?", fragte ich, während er auf sein Handy schaute.
"Ein paar Tage, je nachdem. Wenn du mich brauchst, kann ich aber auch länger bleiben.", sagte er und legte wieder dieses niedliche, unschuldige lächeln auf das einen automatisch dazu zwang mitzulächeln.
"Danke.", nuschelte ich, bevor sich die Fahrtstuhltür öffnete und wir auf den langen Flur traten, der vor uns lag.
"Ich muss mich dann um einiges kümmern. Du kannst so lange hier bleiben, wie du willst.", sagte er, öffnete die Tür mit seiner Karte und schloss die Tür hinter uns.
"Wow.", sagte ich begeistert, als ich mich umsah. Das Zimmer besaß einen großen Balkon, und neben der Balkontür ging eine Wendeltreppe nach oben.
"Guck ruhig.", lachte er, als ich ihn fragend anschaute. Ich ging die Stufen nach oben und kam auf eine weitere Ebene, wo das Bett stand. Es war einfach unglaublich.
"Du kannst dich hinlegen, wenn du willst. Ich bin nur ein paar Stunden weg. Soll ich was zu essen mitbringen?", fragte er und riss mich aus den Gedanken. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mir nachgelaufen war und nun direkt hinter mir stand.
"Ja, wenn du willst.",sagte ich und strich mir verlegen die Haare hinter mein Ohr.
"Was?", lachte er, als ihm auffiel wie ich rot wurde.
"Nichts. Es ist einfach...keine Ahnung. Du bist so nett. Ich weiß nicht, wie ich dir das jemals zurückgeben kann. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn du so viel für mich machst.", sagte ich ehrlich und wandte den Blick ab.
"Du musst mir gar nichs zurück geben. Das ist Ehrensache.", sagte er schmunzelnd. Sein letzter Satz löste in meinem Herz ein unangenehmes Stechen aus, was mich sofort wieder an den ganzen Stress erinnerte, den ich für einen Moment vergessen hatte. Es war genau der Satz, den Vladislav zu Samra gesagt hatte, als wir ihn abgeholt hatten.
"Hey, was ist los?", fragte Granit, als sich wieder Tränen in meinen Augen bildeten.
"Nichts. Ist nur alles nicht so leicht gerade.", sagte ich und wischte das salzige Wasser unter meinen Augen weg.
"Wenn irgendwas ist, ruf mich an. Dann komm ich so schnell es geht wieder her.", sagte er und strich mit seinem Daumen über meine Wange.
"Ich habe kein Handy. Das hat Vladislav.", sagte ich und versuchte, mich zusammen zu reißen.
"Ich hab noch eins, das kannst du haben. Jetzt ruh dich aus, ich bin bald wieder da.", sagte er und gab mir einen Kuss auf den Kopf.
"Granit?", rief ich, als er schon in der Tür stand.
"Ja?"
"Danke."
Er lächelte mir noch ein letztes mal zu, bevor er die Tür schloss und ich alleine in dem riesigen Hotelzimmer war.
DU LIEST GERADE
Mademoiselle
Fiksi PenggemarJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...