Part 88 - Der Morgen danach

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Ich lag schon eine Weile wach. Eigentlich hatte ich diese Nacht fast gar nicht geschlafen, weil Vladislav sich immer wieder quälend hin und her gewälzt hatte. Manchmal fing er sogar an zu weinen, woraufhin ich ihn einfach an mich drückte und wartete, bis es vorbei war. Er war wie ein kleines Baby mit Fieber. Ich wusste dass es ihm dreckig ging, aber ich wusste nicht so richtig wie ich ihm helfen sollte. Gerade als ich ihm wieder sanft durch die Haare fuhr, schlug er blinzelnd die Augen auf und hielt sich die Hände vor sein Gesicht.
„Verdammt, mach das beschissene Licht aus." grummelte er genervt und zog sich die Decke über den Kopf.
„Schatzi, das ist Tageslicht. Das kann ich nicht ausmachen." Kicherte ich und wollte ihm die Decke wieder wegnehmen, aber er wurde von Sekunde zu Sekunde genervter.
„Was für Tageslicht nahui? Dann mach die verfickten Vorhänge zu was ist mit dir?" schrie er regelrecht, was mich aufschrecken ließ. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Stumm dunkelte ich das Zimmer ab und holte mir dann meine kleine Kulturtasche und frische Klamotten.
„Kommst du dann mit ins Bad?" fragte ich vorsichtig.
„Verdammt Baby was nervst du mich jetzt? Geh doch einfach und frag nicht die ganze Zeit!" nörgelte er, und wieder spürte ich dieses Stechen in meinem Herzen, das mir fast den Boden unter den Füßen wegzog.
„Aber ich wollte doch nur..."
„Mir scheißegal was du wolltest, lass mich einfach in Ruhe!" schrie er und warf ein Kissen nach mir, doch ich schmiss die Tür von außen zu bevor es mich erwischte. Fassungslos fasste ich mir an die Stelle meines Brustkorbes, wo mein Herz gerade in zwei Teile gebrochen war. Wie ein Zombie taumelte ich ins Badezimmer und putzte mir teilnahmslos die Zähne, während die Tränen wie Wasserfälle aus meinen Augen heraus liefen.
„Josy?" Ich erschrak so heftig, dass ich durch das Zucken beinahe die Zahnbürste wegschleuderte, als ich Nima plötzlich im Spiegel hinter mir stehen sah.
„Was hast du?" fragte er entsetzt und schaute mich besorgt an, während ich mir den Mund ausspülte und meine Zahnbürste weg räumte.
„Na, was wohl? Capi hat keinen Bock mehr auf sie. War doch zu erwarten...wer will schon sowas wie dich auf Dauer?" lachte Melanie und verschwand in der Dusche.
„Hör nicht..." Ich ließ Nima nicht ausreden, stattdessen griff ich meine Tasche, schubste ihn beiseite und rannte aus dem Badezimmer nach unten in die Küche, in der Hoffnung, dass ich dort alleine sein würde. Und Gott sei Dank, da war niemand. Schluchzend zog ich mich so schnell es ging um, schmiss alles in eine Ecke und ging dann, nachdem ich mich langsam wieder beruhigt hatte, nach draußen zum Pool.
„Ich hab gesagt du sollst dich verpissen! Das war ein One Night Stand, mehr nix. Nichts weiter als ein belangloser Fick, also sieh zu dass du Land gewinnst." Hörte ich Samras Stimme und sah, wie Valentina schockiert vor ihm stand.
„Aber ich dachte da ist mehr?" fragte sie halb verzweifelt und halb wütend, woraufhin er nur spöttisch auflachte.
„Mehr? Einmal ficken weiterschicken, kennst du nicht? Und jetzt verpiss dich, oder ich schleif dich persönlich nach draußen." sagte er kalt und zündete sich eine Zigarette an. Ich weiß, dieses mal war ich nicht diejenige, die seine ekelhafte Seite zu spüren bekam. Aber als ich Valentina ansah, wie sie mit den Tränen kämpfte, litt ich mit ihr.
„Was glotzt du so? Es ist alles deine Schuld! Werd mit der Schlampe glücklich, du Arsch!" schrie sie mich und ihn gleichzeitig an, stampfte an mir vorbei und verschwand. Emotionslos stand Samra am Beckenrand und zog genüsslich an seiner Kippe, während er zu mir geschlendert kam.
„Gut geschlafen?" Fragte er, als wäre das alles eben nie passiert.
„Wie kann man nur so ekelhaft sein?" fragte ich fassungslos und sah ihn kopfschüttelnd an.
„Warum ekelhaft? Das war eine Kahba. Eine Hure. Die sind genau dafür da. Wie gesagt, einmal Ficken weiterschicken. Ich kann dir gerne zeigen, wie das funktioniert." Sagte er und je näher er kam, desto stärker roch ich seine Alkoholfahne. Er war immer noch voll. Oder eher wieder, denn am Poolrand stand eine Flasche Vodka, die letzte Nacht noch nicht dort gestanden hatte. Ohne großartig nachzudenken fing mein Arm an zu zucken und meine flache Hand landete in einer Kurzschlussreaktion mit einem lauten klatschen in seinem Gesicht. Völlig überfordert taumelte er ein paar Schritte zurück, ließ seine Kippe fallen und brauchte ein paar Sekunden, bis er wieder richtig klarkam. Ohne auf eine weitere Reaktion von ihm zu warten, drehte ich mich einfach um und ging wieder nach drinnen.
„Na Mäuschen, konntest du dann noch schlafen?" sprach mich ein verschlafener Granit an, der sich die Augen rieb und sich durch die leicht verwuschelten Haare fuhr. Als er mich ansah verschwand jedoch jegliches Lächeln aus seinem Gesicht. So leid es mir tat, aber in diesem Moment konnte ich einfach nicht antworten. Ich wollte einfach nur alleine sein.
„Ist das eigentlich dein scheiß Ernst?" Brüllte Samra, der stinksauer in die Küche getaumelt kam. Ich stand mit dem Rücken zu ihm und überlegte, wie ich reagieren sollte. Also atmete ich einmal tief durch, drehte mich dann zu ihm um und sammelte mich. Sein fesselnder Blick, der mich beinahe aus der Bahn warf, lag direkt auf mir.
„Ist das dein Ernst?" antwortete ich mit einer Gegenfrage.
„Was ist los?" fragte Granit verwirrt und schaute zwischen uns beiden hin und her.
„Die kleine Hure hat mir eine geballert!" schrie er und kam näher.
„Die kleine Hure kann das auch gerne wiederholen!" Ich war so dermaßen wütend.
„Na los komm, dann zeig was du kannst! Eins gegen Eins, eine Schelle und du fällst ins Koma!" rief er so laut, dass es im ganzen Haus schallte.
„Jetzt kriegt euch mal wieder ein. Samra, Bruder. Geh hoch und beruhig dich, du bist besoffen. Mach jetzt nichts, was du später bereuen würdest."
„Ich kann machen, was ich will!" Diskutierte er und baute sich vor Granit auf.
„Bruder. Geh pennen." Sagte Granit, legte eine Hand auf seine Schulter und schaute ihn durchdringend an. Er zögerte erst kurz, gab dann aber nach und bewegte sich nach einem kurzen Giftblick in meine Richtung dann endlich nach oben.
„Alles okay?" fragte Granit und strich sanft über meine Wange.
„Nein. Ehrlich gesagt nicht." Murmelte ich und brach erneut in Tränen aus,nachdem ich die Wut auf Samra herunter geschluckt hatte.
„Lass mich raten, Capi ist extrem abgefuckt und du hast es abbekommen?" fragteer einfühlsam und nahm mich in den Arm.
„Woher weißt du das?" schluchzte ich und vergrub mein Gesicht an seiner Brust.
„Das ist normal. Der brauch jetzt einfach locker nen Tag, bis er wieder normal ist. Wenn er bis heute Abend immernoch so drauf ist, kannst du auch gerne auf der Couch schlafen. Dann fahr ich nach Hause, ist kein Problem."
„Nein, ist schon okay. Du musst nicht wegen mir gehen. Ich werde schon eineLösung finden." Wimmerte ich leise und wischte mir die Tränen weg, während ich mich wieder von ihm löste.
„Ich hab mein Handy oben liegen lassen." Sagte ich traurig und schlurfte danndavon, um es zu holen. Während ich mich die Stufen hoch schleppte und darüber nachdachte, wie ich mich verhalten sollte falls Vladislav jetzt wach war wennich ins Zimmer ging, bemerkte ich fast gar nicht, dass jemand im Flur auf demFußboden saß.
Am liebsten hätte ich ihn liegen lassen. Einfach weitergehen. Aber er hatte mich damals auch nicht im Treppenhaus sitzen lassen, als es mir Scheiße ging.Und außerdem hätte ich dann schlechtes Karma, also los. Ich stieß genervt dieLuft aus und hockte mich dann zu ihm auf den Boden.
„Samra." Sagte ich leise und rüttelte vorsichtig an seiner Schulter. Er zuckte kurz, wurde aber nicht wach.
„Samra komm schon. Steh auf." Sagte ich und zog an ihm. Nun schlug er endlich die Augen auf und schaute sich um, bis er mich erblickte.
„Was willst du? Verpiss dich." Grummelte er und hiefte sich selbst hoch. Gerade als er einen Schritt nach vorne machen wollte, begann er zu schwanken. Bevor erdas Gleichgewicht verlieren konnte schob ich mich unter seinen rechten Arm, sodass er sich bei mir abstützen konnte und half ihm somit, einigermaßenstandhaft zu bleiben.
„Lass mich in Ruhe." Brummte er wieder, war aber zu benebelt um sich von mir abzuwenden.
„Ich bring dich ins Bett." Beschloss ich eisern und versuchte ihn so gut es ging zu stützen. Mit kurzen, langsam Schritten kämpften wir uns zu seinem Bett vor und ich konnte ihn endlich absetzen. Er schleuderte seine Schuhe von denFüßen und drehte sich dann mit dem Rücken zu mir.
„Schlaf deinen Rausch aus." Flüsterte ich und deckte ihn zu.
„Warum hilfst du mir?" murmelte er so leise, dass ich es beinahe nicht gehört hatte.
„Weil du das selbe für mich getan hättest." Antwortete ich ihm und ließ ihn dann alleine.


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So, hier nun ein etwas längeres Kapitel. Hoffe es gefällt euch. ❤️🔥

MademoiselleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt