Part 146 ~ Aufgeflogen

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Als er mich sah, stand ihm der Schreck direkt ins Gesicht geschrieben. Wir starrten uns beide gegenseitig entsetzt an. Ich ihn, weil ich nun wusste was er vor hatte - und er mich, weil ihm gerade klar geworden war, dass ich alles gehört hatte.
"Seit wann bist du schon hier drin?", fragte er ohne seine Mimik zu verändern.
"Lang genug.", brachte ich leise hervor, da es mir die Sprache verschlagen hatte. Ohne ihn aus den Augen zu verlieren, arbeitete ich mich Zentimeter für Zentimeter vor, um aus dem Schrank rauszukommen. Alles was ich wollte, war weglaufen. Einfach raus hier. Wenn er das schon die ganze Zeit geplant hatte, und ich jetzt davon wusste, würde er bestimmt nicht lange zögern und Handeln. Mein einziger Gedanke war, so schnell wie möglich aus diesem Zimmer raus zu kommen. Gott sei Dank war Vladislav unten, also musste ich es nur irgendwie zu ihm schaffen.
"Ich kann das erklären.", sagte er, während ich nur noch ein paar Schritte von der Tür entfernt war. Ohne darauf zu antworten drehte ich mich um und riss die Tür nach innen auf, doch im gleichen Moment flog sie vor meiner Nase wieder zu. Direkt neben meinem Kopf war Samras Hand platziert, die verhinderte dass ich die Tür öffnen konnte. Ich klammerte mich am Türgriff fest und drückte meine Stirn gegen die Tür, während ich schon mit meinem Leben abschloss. Mit geschlossenen Augen stand ich mit dem Rücken zu ihm und wartete, bis etwas passieren würde. Und dann hörte ich ein bekanntes Geräusch - denn er hatte die Tür abgeschlossen und den Schlüssel abgezogen.
"Bitte lass mich gehen.", flüsterte ich weinerlich und versuchte so ruhig wie möglich zu atmen.
"Damit du direkt zu Capi rennst? Dreh dich um.", sagte er ruhig, während seine Hand immernoch neben mir ruhte. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich mich zu ihm umdrehte. Er stellte sich gerade hin und drückte mich damit noch enger gegen die Tür.
Aus der Panik heraus wollte ich nach Vladislav schreien, doch Samra durchschaute mich. Er kam mir zuvor und drückte seine Hand auf meinen Mund, bevor ich ein Geräusch von mir geben konnte.
"Es ist nicht so, wie du denkst.", knurrte er und funkelte mich an, während ich mit den Tränen kämpfte.
"Ich nehm die Hand weg. Aber hör mit den Versuchen auf, Capi auf uns aufmerksam zu machen.", brummte er und entfernte seine Hand dann wieder von meinem Mund.
Ich konnte ihn nicht ansehen. Ich bemühte mich, die Tränen zurück zu halten, während er von oben auf mich herab schaute.
"Du bist ein Verräter. Ich hätte es wissen müssen.", schniefte ich leise.
"Ich bin kein Verräter. Es ist zu deinem besten, vertrau mir.", sagte er mit kratziger Stimme und nahm mein Kinn in die Hand, sodass ich den Kopf wieder heben musste.
"Wie kannst du das von mir verlangen? Du willst mich ausliefern und sagst dann, ich soll dir vertrauen?", fragte ich und schlug seine Hand weg.
"Nenn es nicht ausliefern. Ich bring dich nur dort hin, damit ihr reden könnt.", sagte er und benutzte seinen Daumen, um die Träne weg zu wischen, die mir über die Wange lief.
"Reden? Gerade du müsstest doch wissen, wie das enden wird. Wenn du mich loswerden willst, warum machst du es dir nicht einfacher?" Ich schlug seine Hand erneut weg und wollte mich an ihn vorbei drängen, doch er legte seine Hand an meinen Hals und drückte mich wieder zurück gegen die Tür.
"Du übertreibst. Es ist nur ein Gepräch, Josy. Keine Gerichtsverhandlung mit Todesurteil.", sagte er streng und baute sich leicht vor mir auf.
"Bist du wirklich so dumm?", hauchte ich verzweifelt und kämpfte damit, nicht vor ihm einzuknicken.
"Pass auf was du sagst, Habibi.", drohte er zornig und drückte sich gegen mich, sodass er sich gegen meine Bauchwunde lehnte.
"Was, willst du mir dann wieder weh tun? Nur zu. Nichts was du machst kann so schlimm sein wie das, was mit mir passiert wenn du mich zu ihm bringst.", brachte ich krächzend hervor.
"Zu ihm?", fragte er skeptisch und schaute immer wieder abwechseln auf meine Lippen, und dann in meine Augen.
"Als ob du das nicht wüsstest.", stöhnte ich, als er seine auf meiner Kehle liegende Hand anspannte.
"Wovon redest du?", wollte er wissen und drückte mein Kinn ein Sück nach oben.
"Du hast doch mit ihm telefoniert. Du willst mich zu ihm bringen, wenn Vladislav nicht da ist. Hör auf mit deinen Spielchen, Samra.", sagte ich streng, obwohl meine Stimme immer wieder versagte.
"Du denkst, ich habe mit Khalil telefoniert?.", fragte er verwundert, und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein großes Fragezeichen ab.
"Habibi, das war nicht Khalil. Warum sollte ich mit diesem Hurensohn reden? Das war jemand anderes."sagte er und holte das Handy aus seiner Hosentasche. Ohne ein weiteres Wort zeigte er mir seine Anrufliste und wartete gespannt auf eine Reaktion.
"Meine Mutter? Aber Warum?...", stotterte ich, während er das Handy wieder wegsteckte.
"Weil deine Eltern ein >Nein< nicht akzeptieren wollten." sagte er und entspannte seine Hand wieder, die er immernoch an meinem Hals liegen ließ.
"Wegen der Sache mit mir und Vladislav? Aber ich dachte das wäre geklärt?", fragte ich verwundert.
"Genau hier liegt das Problem. Du denkst zu viel.", murmelte er und strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Ich hingegen nahm sein Handgelenk und drückte es runter, sodass er damit aufhören musste.
"Sie haben dich nicht nur mit Geld bestochen, oder?", fragte ich besorgt. Meine Eltern konnten richtig Stur sein, wenn sie wollten. Ich liebte sie beide über alles. Aber wenn etwas nicht so lief wie sie es gerne wollten, setzten sie alle Hebel in Bewegung um ihren Willen zu kriegen.
"Nein. Sie haben mir gedroht.", sagte er und zog problemlos seine Hand aus meinem Griff heraus.
"Womit?", hauchte ich, als sein Gesicht mir näher kam.
"Damit, dass sie den Kontakt zu dir abbrechen. Und zu mir.", flüsterte er, während ich meine Hände auf seiner Brust platzierte, um ihn von mir weg zu drücken. Ich gab es ungern zu, aber sein Duft ließ mich in diesem Moment schwach werden. Ich wollte von ihm weg, aber er ließ es nicht zu.
"Samra. Nicht...", flüsterte ich, als er seine Stirn gegen meine legte. Er atmete laut hörbar ein und aus, bevor er wieder auf Abstand zu mir ging. Immernoch benommen von der Situation fuhr ich mir durch die Haare, während er die umgeschmissene Wasserflasche wieder aufhob.
"Ich hatte bis heute Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Zum Glück hatten sie ihre Meinung geändert, und wollen jetzt dass ich dich zu ihnen bringe. Sie wollen mit dir reden. Alleine. Ohne dass Capi es weiß.", erklärte er und schaute mich an.
"Und wenn ich nicht mit ihnen reden will?", fragte ich stur, aber dennoch ruhig.
"Du hast keine Wahl. Entweder ich bring dich da hin und du klärst das, oder....keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie weit deine Eltern gehen würden."
"So wie ich sie kenne, sehr weit.", sagte ich und ging dann von der Tür weg.
"Deswegen bist du ins Hotel. Du wusstest nicht, was du machen solltest.", stellte ich fest als mir bewusst wurde, wie schlimm das alles für ihn sein musste.
"Auch. Nicht nur deswegen. Das alles fickt einfach meinen Kopf.", gab er zu und setzte sich auf die Bettkannte, wo er anfing sich einen Joint zu drehen.
„Wieso dachtest du, ich würde dich zu Khalil bringen?", fragte er nach ein paar Minuten, in denen wir uns anschwiegen.
"Es klang so."
"Also würdest du mir das zutrauen? Warum sollte ich das machen? Ich habe doch gesagt, dass ich alles dafür tun werde um das zu verhindern.", sagte er enttäuscht und stand dann auf.
"Weil ich dir nicht traue, Samra. Genau so, wie du mir nicht traust. Du bist unberechenbar. Manchmal...", sagte ich kalt und spürte sofort seinen verletzten Blick.
"Ich würde dich niemals Khalil ausliefern. Weil ich dich...", sagte er und stoppte dann, als ihm bewusst wurde wie der Satz enden würde.
"Weil dann Capi am Boden zerstört wäre. Das würde ich nicht zulassen.", sagte er schnell und tat dann so, als wäre das davor nie passiert.
"Ich hab jetzt auch keine Zeit mehr, ich muss rausfinden wer mein Messer geklaut hat.", sagte er und suchte sich einen Pullover aus seinem Schrank, in dem ich mich bis vor Zwanzig Minuten noch versteckt hatte.
"Willst du nicht nochmal hier suchen? Vielleicht hast du es doch einfach unter deinem Kissen liegen lassen, und vorhind übersehen.", sagte ich und mir wurde augenblicklich heiß, als er sich mit misstrauischem Blick zu mir umdrehte. Ohne mich aus den Augen zu lassen ging er auf die rechte Seite seines Bettes und griff unter das Kissen. Er holte das Messer hervor und betrachtete es ganz genau.
"Weißt du was komisch ist?", fragte er und kam auf mich zu, während ich zurück wich und somit wieder an der Tür klebte.
"Keine Ahnung.", fragte ich und tat so, als wäre das alles wirklich nur Zufall gewesen. Ich zuckte zusammen, als er das kleine Klappmesser vor meiner Nase aufschnippen ließ und es gefährlich nah an mein Gesicht hielt.
"Normalerweise liegt das Messer immer unter dem Kissen, wo ich schlafe. Also auf der linken Seite. Kannst du dir das vielleicht erklären?", fragte er brummend und schon spürte ich wieder die kalte Klinge an meinem Hals, die mich erschaudern ließ.
"Vielleicht hast du..."
"Hör auf zu lügen. Ich weiß, dass du das da hin gelegt hattest. Also entweder erklärst du mir jetzt was du mit meinem Baby gemacht hast, oder ich zeige dir was mein Baby mit dir machen kann.", knurrte er und drückte die Klinge ein kleines bisschen stärker als eben gegen meinen Hals.
"Es ist nicht so, wie du denkst.", sagte ich schnell, als ich den scharfen Schmerz an meiner Haut spürte.
"Vladislav kam mitten in der Nacht wieder. Ich dachte es wäre ein Einbrecher, ich wollte dich wach machen. Aber es hat nicht geklappt, also hab ich das Messer genommen. Ich wollte mich nur verteidigen, es tut mir leid.", hechelte ich eilig, während seine dunklen Augen mich durchbohrten.
"Und da hast du mich den ganzen Tag Berlin absuchen lassen?", fragte er wütend,
"Ich hatte Angst, es dir zu sagen. Ich wusste, wie du reagieren würdest. Also wollte ich es schnell wieder unter dein Kissen legen, aber dann bist du eher wieder gekommen als ich dachte und dann musste ich mich verstecken. Bitte, Nimm das Messer weg.", flehte ich und drückte seine Hand runter, sodass die Distanz zwischen der Waffe in seiner Hand und meinem Hals endlich größer wurde. Knurrend betrachtete er sein Messer und wischte den Tropfen Blut an seiner Hose ab, den der kleine Schnitt auf meiner Haut verursacht hatte. Dann nahm er seinen Daumen, leckte ihn ab und drückte ihn auf die winzige Wunde an meiner Kehle.
"Beim nächsten mal gehst du nicht auf eigene Faust los, sondern bleibst bei mir. Egal ob ich wach bin oder nicht. Ein Messer bringt dir nichts, wenn du erstens nicht damit umgehen kannst, zweitens nicht weißt wie man kämpft und drittens der Gegner eine Schusswaffe haben könnte. Kapiert?", sagte er, woraufhin ich nur nickte.
"Gut. Und jetzt geh ins Bad und wasch das ab, bevor Capi es bemerkt. Ich will mich nicht rechtfertigen müssen." Er nahm seinen Daumen von der kleinen Wunde weg, schloss die Tür auf und ließ mich dann rausgehen. Als die Tür hinter mir wieder zu ging, atmete ich erleichtert auf.
"Baby?", hörte ich Vladislav von unten rufen.
"Ich konn gleich zu dir.", rief ich und ging dann zügig ins Badezimmer. Der Schnitt an meinem Hals war nur ganz minimal. Vladislav würde ihn also nicht bemerken, wenn ich das restliche bisschen Blut wegwaschen würde. Gerade als ich fertig war und mit dem Handtuch darüber wischte, stand plötzlich Vladislav hinter mir. Ich fuhr erschrocken zusammen, als er seine Arme um meinen Bauch schlang und mich im Spiegel ansah.
"Warum so schreckhaft, Baby?", grinste er und zog mein Shirt herunter, um sanfte Küsse auf meiner Schulter zu verteilen.
"Ich dachte du wärst Samra.", sagte ich leicht eingeschüchtert und drehte meinen Kopf zur Seite.
"Hast du es zurück gelegt?", fragte er und zog mein Shirt noch weiter runter.
"Ich hab es ihm gesagt. Alles gut.", sagte ich schnell und drehte mich zu ihm um, sodass die Kante vom Waschbecken gegen meinen unteren Rücken drückte.
"Dann muss ich mir ja keine Sorgen mehr machen.", lächelte er und fuhr mit der Hand unter mein Shirt, wodurch meine Knie wieder schwach wurden.
"Nein, musst du nicht.", sagte ich stotternd und gab mir Mühe, nicht zu zucken als seine Hand an den Verschluss meines BH's wanderte.
"Vladislav. Nicht hier. Nicht jetzt...", flüsterte ich und stoppte ihn somit, bevor ich nicht mehr wiederstehen könnte.
"Hm. Aber spätestens morgen hol ich mir das, was mir zusteht.", knurrte er in mein Ohr, gab mir einen Kuss auf die Wange und zog dann seine Hand aus meinem Shirt hervor.
"Komm runter, ich hab Essen bestellt. Hab mega Fressflash.", sagte er fröhlich und zog mich an der Hand hinter sich her.

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