„Da stimmt doch was nicht" sagte ich ruhelos und schaute immer wieder auf mein Handy, aber von Vladislav gab es kein Zeichen.
„Versuch anzurufen." murmelte Samra, der die Füße auf den Tisch gelegt hatte und sich mit Mühe wach hielt, während wir uns irgendeine komische Doku anschauten, die gerade im Fernsehen lief.
„Hab ich doch schon. Immer nur die Mailbox. Meinst du da ist was passiert? Er hat doch gesagt dass er heute wieder kommt" fragte ich besorgt.
„Ich hab keine Ahnung. Ist schwer einzuschätzen, da Capi halt gerne mal abtaucht und sich manchnal erst nach drei Tagen wieder meldet. Aber mach dir keinen Kopf, wenn er gesagt hat er kommt heute dann wird er das auch. Oder er meldet sich irgendwann bei dir." beruhigte er mich und schaute die Doku weiter.
„Ich hoffe du hast recht" murmelte ich und legte mein Handy weg.
„Was ist eigentlich mit deinem Bruder? Wollte das neulich schon fragen." sagte er auf einmal total interessiert und schaltete den Fernseher leise.
„Ist nicht so wichtig" sagte ich schnell und wollte aufstehen, doch er nahm meine Hand und zog mich sanft wieder zurück auf die Couch.
„Ich hab dir das mit Cataleya erzählt. Jetzt bist du dran."
„Aber auch nur, weil ich mich mit ihr getroffen habe. Sonst hättest du nie damit rausgerückt." Er antwortete nicht, sondern funkelte mich nur an und zog eine Augenbraue nach oben.
„Na schön" sagte ich und setzte mich in den Schneidersitz.
„Wo fang ich da an? Mein Bruder ist...naja speziell. Das ist eine mega lange Geschichte."
„Und? Wir haben doch keinen Zeitdruck." sagte er fordernd und verschränkte die Arme.
„Ich will nicht alle Details erzählen, dann würde ich Stunden brauchen. Eigentlich will ich gar nicht darüber reden, können wir das bitte einfach lassen?" fragte ich müde.
„Komm, ich hab dir auch alles mit Cataleya und so erzählt."
„Naja, aber nicht von alleine..." murmelte ich leise und kassierte dafür einen bösen Blick.
„Okay, dann gleichen wir das aus. Ich treff mich einfach mit deinem Bruder und frag ihn" beschloss er und sprang auf.
„Was? Nein!" rief ich entsetzt und zog ihn an der Hand wieder zurück auf die Couch.
„Dann rede" forderte er Streng und starrte mich an.
„Na schön..." sagte ich und rieb mir gestresst die Schläfen.
„Ich habe seit Jahren keinen Kontakt zu ihm. Er heißt Jason und ist vier Jahre älter als ich. Er fing schon mit 16 an Alkohol zu trinken...also viel Alkohol. Nicht zum feiern oder so, sondern einfach um seine Probleme weg zu saufen. Dadurch gab es immer wieder Streit zwischen ihm und meinen Eltern, und je älter er wurde desto schlimmer hat sich das ganze gesteigert. Er und meine Eltern haben keinen Kontakt. Bis vor einem Jahr hatte ich noch Kontakt zu ihm, doch er hat meine Nummer gelöscht. Seine Begründung war >Leute zu denen ich keinen Kontakt habe, lösche ich aus meinem Handy.< Und seit dem hab ich nichts mehr von ihm gehört. Aber vielleicht ist es besser so, er hat mich schon immer gehasst."
„Warum?" fragte er verwundert.
„Weiß ich nicht. Als Kind konnte er mich nie leiden. Und das hat er mich auch spüren lassen."
„Heißt?"
„Naja...er hat gerne die Vaterrolle eingenommen, wenn meine Eltern nicht da waren. Als wir bei meiner Oma zu Besuch waren habe ich etwas in der Zeitung gesehen und laut vorgelesen, ich weiß nicht mehr was es war. Auf jeden fall hat er mir daraufhin eine gescheuert..."
„Du verarschst mich doch" sagte er lachend und winkte ab.
„Nenn mir einen Grund, warum ich mir das ausdenken sollte?" sagte ich nur ernst. Sein Lächeln verschwand blitzartig und ich fuhr ruhig fort.
„Ich weiß sogar noch, dass er mir mal mit einem Messer gedroht hat. Als meine Eltern nicht da waren, aber ich weiß nicht mehr worum es ging. Und seinen letzten Satz werde ich nie vergessen. Das was er gesagt hat, als es zum letzten riesigen Streit kam und er sturzbesoffen war. Er stand im Flur und hat zu uns gesagt >ihr werdet alle brennen<. "
„Alter" war das einzigste was Samra von sich gab.
„Dann ist es echt besser wenn du keinen Kontakt zu dem Vogel hast." sagte er mitfühlend und legte seine Hand auf mein Knie. Mein Blick wanderte auf seine riesige Hand, die eine merkwürdige Wärme auf meiner Haut ausstrahlte. Zuerst verstand er nicht, doch dann bemerkte er was er da tat und zog sie schnell weg.
„Ich werde mal kurz eine rauchen gehen" sagte er zerstreut und verschwand in der Küche. Gerade als ich ihm hinterher wollte, leuchtete mein Handy auf.Baby sei mir nicht böse, aber ich komm doch erst morgen wieder 😞
Ich las die Nachricht von Vladislav, und sofort sammelten sich neue Tränen in meinen Augen. Alles was ich ihm antwortete war ein simples >warum<. Ohne Fragezeichen oder Smiley. Ich war nicht in der Stimmung für Smileys.
Es gibt hier paar Probleme. Aber ich verspreche dir morgen bin ich da.
Ich liebe dich BabyIch antwortete nicht. Traurig starrte ich den Chat an, und dann war er auch schon wieder offline.
„Was los?" fragte Samra, als er wieder in das Wohnzimmer kam.
„Dreimal darfst du raten" sagte ich genervt, wütend und traurig zugleich.
„Capi kommt heute nicht, oder?"
„Hm" brummte ich nur und ließ mich wieder auf die Couch fallen.
„Ich geh jetzt pennen...willst du auf der Couch schlafen?" fragte er und streckte sich in alle Richtungen. Prüfend betrachtete ich die Couch, die zum schlafen wohl etwas zu klein und zu unbequem war.
„Kann ich mit im Bett schlafen?" fragte ich schüchtern.
„Aber nur wenn du deine Hände über der Bettdecke lässt"
„Glaub mir, unter der Decke ist nichts was mich interessieren könnte." sagte ich abwertend und lief gelangweilt an ihm vorbei ins Schlafzimmer.
Ich schloss die Tür und schlüpfte schnell in eine dünne Schlafanzughose. Normalerweise schlaf ich ja in Unterwäsche, aber unter diesen Umständen lass ich das mal lieber. Gerade als ich fertig war mit umziehen klopfte er an und kam dann rein – ja, er klopfte an seine eigene Schlafzimmertür. Unerwartet, aber nicht schlecht.
„Du solltest aufhören zu lügen. Du hast das einfach nicht drauf" flüsterte er mir zu, bevor er sich eine Jogginghose holte und anfing, sich auszuziehen.
„Was soll das werden?" fragte ich schockiert, als er seinen Gürtel öffnete.
„Wonach sieht es denn aus? Denkst du ich penn in Jeans?" fragte er hochnäsig und ließ die Hose fallen. Schnell hielt ich mir die Hand vor meine Augen und drehte mich mit dem Rücken zu ihm.
„Jetzt tu mal nicht so. Ich kann dein Herz bis hier drüben hüpfen hören" sagte er grinsend und ließ sich auf das Bett fallen. Ohne dass er es bemerkte legte ich meine Hand auf meinen Brustkorb, um zu schauen ob er recht hatte...
Verdammt.
„Du denkst auch dass dich jeder geil findet oder?" fragte ich genervt und setzte mich ebenfalls auf das Bett.
„Nö. Ich weiß das." Er legte sich gemütlich hin und zog sich die Decke bis zum Kinn hoch, bevor er sich auf die Seite drehte – mit dem Gesicht zu mir.
„Kannst du dich nicht umdrehen?" fragte ich unsicher.
„Nervös?"
„Nein, ich bin nur müde. Hast du eine zweite Decke?" Er grinste nur blöd und hob seine Decke hoch.
„Wir wissen beide, dass das falsch ist. Das können wir nicht machen" Mein schlechtes Gewissen meldete sich. Klar war vielleicht nichts dabei, da ich Vladislav niemals in irgendeiner Weise betrügen würde und wir ja nichts schlimmes taten. Aber trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl.
„Jetzt hör auf zu grübeln und komm her, oder penn halt ohne Decke." Ich überlegte noch kurz, gab es aber dann doch auf weil ich einfach zu erschöpft war und kuschelte mich vorsichtig mit dem Rücken an seinen Oberkörper. Als er die Decke um uns beide legte entstand eine wohltuende Wärme, die mich für den Moment alle Sorgen vergessen ließ. Und trotzdem fühlte ich mich fehl am Platz. Mein Körper wollte sich noch enger an ihn kuscheln um diesen Moment noch mehr zu genießen, aber mein Herz sagte mir dass das falsch war.
„Entspann dich, ich werde dich schon nicht befummeln" lachte er und drehte sich dann um, sodass wir Rücken an Rücken lagen, als er merkte wie angespannt ich war.
„Na hoffentlich" murmelte ich und versuchte dann irgendwie zu schlafen.
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Mademoiselle
FanficJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...