Als ich die Augen aufschlug, hörte ich unten aus dem Zimmer Stimmen. Es klang so, als wäre der Fernseher an - anscheinend war Granit wieder da. Ich wollte eigentlich hier oben warten bis er wieder kam, aber ich war wohl eingeschlafen. Dieses Bett war einfach so unfassbar weich, dass ich am liebsten liegen geblieben wäre. Da ich bevor ich mich hier eingekuschelt hatte meine Hose und den Pullover ausgezogen hatte, schlang ich mir einfach als Faulheit die Decke um den Körper und stand aus dem riesigen Bett auf. Vielleicht würde er mir erlauben die Dusche zu benutzen, dann könnte ich mir dann einfach das Handtuch umwickeln bevor ich meine Sachen wieder anzog. Vorsichtig tapste ich die Stufen nach unten, wo ich den eingeschalteten Fernseher sah.
"Wie lange bist du schon wieder da?", fragte ich den Albaner, der sich auf der Couch breit gemacht hatte. Als ich jedoch um die Ecke schaute stellte ich fest, dass dort jemand anderes lag. Es verschlug mir die Sprache, als sich Ghassan grinsend von der Couch erhob und auf mich zu kam.
"Hallo mein Stern.", sagte er und drückte mich an sich, so als würden wir uns schon jahrelang kennen.
"Wo ist Granit?", fragte ich, als wir uns wieder voneinander lösten.
"Kommt gleich. Wollte nur noch was klären. Habt ihr irgendetwas gemacht, von dem ich nichts weiß?", fragte er lachend, als hinter mir die Tür aufging und Granit herein kam.
"Nein, wie kommst du darauf?", fragte dieser verwirrt und stellte das Essen auf dem Couchtisch ab. Ghassan antwortete nicht, sondern wies nur grinsend mit seinen Blicken auf mich. Erst dann bemerkte ich, dass ich immernoch in die Bettdecke eingewickelt da stand. Ghassan hatte recht, man hätte bei dem Anblick wirklich auf komische Gedanken kommen können. Mit hochrotem Kopf zog ich die Decke höher und eilte dann nach oben, wo ich mir meine Sachen wieder anzog.
"Tut mir leid, ich wusste nicht dass...also ich wollte eigentlich...ach, ist egal. Sorry.", stammelte ich, als die beiden ihre Blicke auf mich richteten nachdem ich wieder unten war.
"Alles gut. Setz dich, hau rein.", grinste Granit und zeigte auf den Platz neben sich auf der Couch. Während wir unseren Hunger stillten, erzählte ich den Jungs was sie wissen wollten. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht darüber zu sprechen. Aber um ehrlich zu sein fühlte ich mich um einiges besser, nachdem ich mir das alles von der Seele geredet hatte.
"Ich bin nochmal kurz weg, treff mich mit jemandem.", sagte Ghassan nach einer halben Stunde und verließ dann das Hotelzimmer. Wir standen auf und räumten stumm den Müll weg, den wir produziert hatten.
"Granit, ich wollte vorhind nicht...also wegen der Decke, ich will nicht dass du denkst ich wollte dich irgendwie..."
"Josy, ist okay. Mach dir keinen Kopf, ich hab nicht mal an sowas gedacht.", unterbrach er mich amüsiert.
"Ich wollte dich eigentlich fragen ob ich hier duschen kann. Deswegen hatte ich die Sachen aus gelassen. Ich weiß, das war irgendwie dumm. Es war einfach Gewohnheit, es tut mir echt leid.", sagte ich und spürte wieder, wie ich rot wurde.
"Wie gesagt, mach dir keinen Kopf. Klar kannst du duschen gehen.", lachte Granit und zeigte mir das Badezimmer.Vladislav
"Das kann doch nicht sein. Sie kann sich unmöglich in Luft aufgelöst haben nahui.", meckerte ich genervt. Wir waren seit Stunden unterwegs und versuchten, Josy irgendwo zu finden. Ohne Erfolg.
"Was, wenn sie bei einem der Jungs ist?", fragte Samra neben mir, der die ganze Zeit ungewöhnlich ruhig war.
"Wie soll sie jemaden erreicht haben? Ich hab ihr Handy. Und im Kopf hat sie die Nummern nicht. Keiner hat das."
"Was ist mit ihren Eltern? Oder dieser Hurentochter Lea?"
"Nein Bratan, niemals. Ist außerdem viel zu weit. Ich schwöre wenn ihr irgendetwas passiert, ich fick mein Leben.", sagte ich angespannt und krallte meine Finger in das Lenkrad.
"Wir finden sie. Lass überlegen, wo könnte sie hin sein? Irgendwas, was nicht so weit weg ist.", sprach Samra und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
"Was ist mit Shishabar? Vielleicht ist sie zu Amar. Der kennt doch alles und jeden.", fiel mir plötzlich ein, und schon lenkte ich den Wagen in Richtung Bar. Eilig parkte ich das Auto, schmiss die Tür zu und betrat den Laden.
"Salam Bratan, ich muss mit dir reden.", sagte ich zu Amar, gab ihm einen Handschlag und schon folgte er mir hinter die Bar.
"Was kann ich für dich tun?", fragte er freundlich, während ich innerlich hoffte dass er mir helfen könnte.
"Ich suche meine Freundin. Sie ist abgehauen, kann also nicht weit sein. War sie hier?", fragte ich ihn ernst.
"Ich weiß nicht." sagte Amar nachdenklich, nachdem sich nun auch Samra zu und gestellt hatte.
"Ich muss sie finden Bruderherz. Sie ist nicht sicher ohne uns.", redete ich auf ihn ein. Er überlegte lange, bevor er eine Antwort von sich gab. Sein Blick verriet mir schon in der ersten Sekunde, dass er was wusste.
"Ich weiß, dass du kein Verräter bist. Aber wenn wir sie jetzt nicht finden, findet sie vielleicht nie wieder jemand.", sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter, um meiner Aussage Nachdruck zu verleihen.
"Sie ist bei Granit. Er hat sie abgeholt.", gab er letztenendes nach, wodurch ich mich gleich deutlich beruhigter fühlte.
"Aber vielleicht solltest du sie lassen. Ich glaube nicht, dass es gut ist wenn du sie jetzt überfällst.", sagte Amar.
"Ich mach das schon. Danke Bruderherz.", sagte ich, verabschiedete mich von ihm und suchte Granit in der Kontaktliste meines Handys.
"Er nimmt nicht ab.", sagte ich, nachdem ich mehrmals versucht hatte ihn anzurufen.
"Dann finden wir ihn. Kann nicht so schwer sein.", warf Samra ein und holte sein Handy aus seiner Bauchtasche.Nachdem wir herausgefunden hatten in welchem Hotel er war, fuhren wir direkt dort hin. Ich parkte hinter dem Gebäude und suchte dann nach einem Eingang, durch den wir gehen konnten ohne eventuell erkannt zu werden. Irgendwann entdeckten wir dann sowas wie einen Notausgang, den wir nehmen konnten. Da wir beide nicht unbekannt waren, verriet uns die Frau am Empfang welches Zimmer er hatte.
"Was, wenn sie nicht hier sind?", fragte Samra, als wir mit dem Fahrstuhl nach oben fuhren.
"Dann warte ich so lange vor der Tür, bis sie wieder da sind.", antwortete ich stur. Ich würde das Hotel definitiv nicht ohne sie verlassen, das stand fest.
"Hier, 36.", sagte Samra und blieb bei der Nummer stehen, die uns Frau von der Rezeption genannt hatte. Ich ging einen Schritt an ihm vorbei und hämmerte dann gegen die Tür. Nach wenigen Sekunden öffnete sie sich, und Granit stand vor uns.
"Salam Bratan.", sagte ich ernst und wir begrüßten uns - allerdings stellte er sich so in die Tür, dass ich nicht rein konnte.
"Ist sie hier?", fragte ich und schaute an ihm vorbei, aber ich sah nicht wirklich was.
"Jap.", antwortete er kurz und ging einen Schritt nach vorne, um die Tür hinter sich zu schließen.
"Hör zu Bruder. Ich weiß, du willst das klären. Aber sie will im Moment keinen von euch sehen.", sagte Granit mit einem mitleidigen Blick, der mehr an mich gerichtet war als an uns beide.
"Ich muss trotzdem mit ihr reden. Ich geh nicht ohne sie hier weg Bruderherz.", entgegnete ich trotzig und machte ihm mit meinem Blick klar, dass ich es ernst meinte.
"Wenn du sie jetzt gegen ihren Willen mitnimmst, machst du es nur schlimmer. Du kannst mir vertrauen Capi, bei mir ist sie sicher. Gib ihr die Zeit die sie braucht. Wenigstens bis morgen, wenn ihr eine Nacht darüber geschlafen habt.", redete er auf mich ein, was mich tatsächlich zum nachdenken anregte. Obwohl ich sie am liebsten dazu gezwungen hätte mit nach Hause zu kommen, musste ich zugeben dass Granit recht hatte.
"Tamam, einen Tag. Pass auf, dass ihr nichts passiert.", sagte ich schweren Herzens und schlug mit ihm ein. Nachdem sich auch Samra verabschiedet hatte gingen wir wieder zum Fahrstuhl, und fuhren dann nach unten ins Erdgeschoss.
"Ich hätte sie mitgenommen an deiner Stelle. Sie wäre dann zwar sauer auf dich gewesen, hätte sich aber auch irgendwann wieder beruhigt.", sagte Samra, der mit verschränkten Armen an dem Spiegel im Fahrstuhl lehnte und nachdenklich auf die leuchtenden Knöpfe starrte.
"Ich weiß. Lass uns einfach bis morgen warten.", sagte ich schwer ausatmend, bevor sich die Tür öffnete und wir wieder in der Lobby waren.
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Mademoiselle
Fiksi PenggemarJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...