Part 170 ~ Enttäuschung

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Ich stand zurückhaltend hinter Vladislav, als sie Samra seine Sachen wieder gaben. Nachdem er die Kaution bezahlt hatte, konnten wir ihn wieder mit nach Hause nehmen.
"Ich küss dein Herz Bruder, danke.", sagte der Libanese, als die Beamten ihn gehen ließen und umarmte Vladislav herzlich zur Begrüßung.
"Ehrensache.", antwortete dieser und klopfte ihm auf die Schulter. Nachdem er seine Bauchtasche umgelegt hatte fiel sein Blick kurz auf mich, während ich immernoch verstummt im Abseits stand.
"Hey.", sagte ich leise, als er in seine Jacke schlüpfte und dabei zwei Schritte auf mich zu kam. Erst jetzt bemerkte ich, wie müde und angeschlagen er aussah. Er hatte tiefe Augenringe, und sein Gesicht war kreidebleich. Für einen kurzen Moment schweifte ich mit meinen Gedanken ab, während sein Blick mich fest hielt.
"Hi.", brummte er und drehte sich dann wieder zu Vladislav um, der mit einem Beamten irgendwas redete.
"Was hat so lange gedauert?", knurrte Samra leise, während Vladislav abgelenkt war.
"Sein Handy war aus. Haider hat mir geholfen.", antwortete ich tuschelnd und beobachtete meinen Freund, wie er dem Polizist lachend auf die Schulter klopfte.
"Haider? Was hast du schon wieder mit meinem Bruder zu tun?", fragte der Libanese verärgert und stellte sich direkt vor mich. Er musterte mich mich fragendem Blick und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie gereizt er war.
"Er war der einzigste, der mich holen konnte. Granit oder die anderen waren nicht in der Stadt, was hätte ich denn machen sollen?", verteidigte ich mich leise.
"Und da rufst du meinen Bruder an?", fragte er genervt und zählte dann die Kippen in seiner Malboro Schachtel.
"Samra, wen hätte ich sonst anrufen sollen? Ich saß stundenlang alleine dort und wusste nicht, was ich machen sollte!", quietschte ich, was seine Konzentration wieder auf mich lenkte.
"Halte dich einfach von meinem Bruder fern. Er ist nicht gut für dich.", warf er mir zu und wandte sich ab.
"Und seit wann interessiert es dich, was gut für mich ist und was nicht?", stellte ich etwas lauter in Frage, was die Aufmerksamkeit von allen anderen in diesem Raum auf uns lenkte.
"Nicht hier.", grummelte er und ging dann zu Vladislav, der uns beide verwundert anschaute.
"Alles gut?", fragte er Samra und schaute kurz zu mir, wandte sich aber dann wieder dem Gepräch mit dem Beamten zu. Augenrollend schaute ich auf mein Handy und stellte fest, dass ich ungelesene Nachrichten von gestern Nacht hatte - sie waren von Haider.

Ist alles gut bei dir? Konntest du alles mit Capi klären?
Ok sag bescheid wenn was ist.

Ich anwortete ihm schnell zurück dass alles gut sei, und steckte das Handy dann wieder weg.
"Mit wem hast du geschrieben?", fragte Vladislav neugierig, als er mit Samra auf mich zu kam.
"Mit niemandem. Hab nur auf Insta geguckt.", log ich ihn an. Im nächsten Moment erklang der verräterische Benachrichtigungston auf meinem Handy, der die beiden skeptisch werden ließ.
"Zeig dein Handy.", verlangte Samra plötzlich, als wäre er mein Vater höchst persönlich.
"Warum? Es ist doch egal, wer mir schreibt. Ich häng mich doch auch nicht in deine privaten Sachen rein.", sagte ich stur und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Baby, es ist doch nur zu deinem besten. Du kannst niemandem mehr trauen.", hakte Vladislav ein, der versuchte die Spannung aus der Situation zu nehmen.
"Vollkommen richtig.", sagte ich vorwurfsvoll und wollte an ihnen vorbei, aber Samra hielt mich am Arm zurück.
"Wir sind noch nicht fertig.", knurrte er und funkelte mich wütend an.
"Ich schon.", konterte ich und riss mich los. Ohne mich umzudrehen verließ ich das Gebäude und lief wieder zu Vladislavs Auto. Im Augenwinkel sah ich, dass die beiden hinter mir her liefen. Das Auto entriegelte sich und ich ließ mich auf den Rücksitz plumsen, während die Jungs vorne einstiegen.
"Denk bloß nicht, dass wir locker lassen. Wir klären das zu Hause.", sagte Samra, der sich anschnallte und mich im Seitenspiegel musterte.
"Es gibt nichts zu klären. Ich weiß dass ihr es nur gut meint, aber mit wem ich schreibe geht euch nichts an!", warf ich ihnen wütend zu.
"Doch, wenn wir nicht sicher sein können ob du dich nicht selbst in Gefahr bringst.", antwortete der Libanese und schaute zu Vladislav, der sich zurück hielt.
"Jetzt sag auch mal was.", sagte Samra zu ihm.
"Baby, er hat Recht. Zeig doch einfach wer das war und dann ist gut.", sprach er durch den Rückspiegel zu mir, woraufhin ich ihm einen Todesblick zu warf.
"Manchmal frage ich mich echt, auf welcher Seite du eigentlich stehst.", sagte ich schnaufend und schaute aus dem Fenster.
"Ich stehe auf gar keiner Seite. Ist doch jetzt auch egal, oder?", murmelte er genervt und startete den Wagen.

"Jetzt gib dein Handy.", forderte Samra, als wir wieder zu Hause waren und ich meine Jacke an den Haken hing.
"Oh mein Gott, kannst du jetzt mal damit aufhören?", zickte ich ihn wütend an.
"Sag doch einfach, dass du mit meinem Bruder schreibst! Sag Capi, was zwischen euch abgeht!", Brüllte er mich an, woraufhin Vladislav zu uns kam.
"Was?", fragte er hellhörig und schaute erst zu seinem besten Freund, und dann zu mir.
"Krieg deine scheiß Eifersucht in den Griff, und hör auf Sachen zu erzählen die nicht stimmen!", schrie ich ihn kochend vor Wut an. Er wollte zum Angriff auf mich übergehen, aber Vladislav hielt ihn zurück.
"Was für Eifersucht? Die beiden haben was, Capi! Ich kenne meinen Bruder, und du weißt auch wie er ist!", schnauzte Samra und versuchte sich loszureißen, aber Vladislav schaffte es ihn fest zu halten.
"Jetzt beruhig dich nahui! Ich kläre das!", dröhnte er Ukraniner und schubste Samra kräftig nach hinten.
"Warte hier.", sagte er zu ihm, drehte sich zu mir um und griff sich meine Hand. Kompromisslos schleppte er mich hinter sich hier, ließ mich in unserem Zimmer los und knallte die Tür zu.
"Willst du mir das erklären?", schnaubte er gereizt.
"Samra spinnt. Er denkt ich hätte was mit Haider, nur weil ich zwei Minuten mit ihm alleine war. Zwei Minuten!", verteidigte ich mich wutentbrannt und fuchtelte wie wild mit den Armen herum.
"Und was ist in den zwei Minuten passiert? Wir wissen alle wie sein Bruder drauf ist, Josy.", sagte er anklagend, was mich nur noch wütender machte.
"Und du denkst wirklich, ich hätte was mit ihm? Weil ich zwei verdammte Minuten mit ihm geredet habe? Ist das dein Ernst, dass du mir sowas unterstellst? Woher soll ich wissen, was du immer machst wenn du >Termine< hast ? Habe ich dir jemals unterstellt, dass du fremd gehst?", schrie ich ihn unter Tränen an, weil ich einfach enttäuscht war.
"Baby, ich..."
"Nein! Ich habe dir nie irgendwas unterstellt. Ich habe nicht mal darüber nachgedacht. Und du zögerst keine einzige Sekunde, wenn es andersrum ist? Was habe ich falsch gemacht, dass du mir so wenig vertraust?", brüllte ich hysterisch. Ich steckte die Hand in meine Hosentasche und holte mein Handy heraus, das ich dann schniefend entsperrte.
"Was hast du vor?", fragte er mit ruhiger Stimme und beobachtete mich. Ich wischte mir die Tränen weg, öffnete den Chat mit Haider und drückte ihm dann das Handy gegen die Brust.
"Hier, überzeug dich selbst davon dass ich nicht Lüge. Schlimm genug, dass ich es dir erst beweisen muss.", sagte ich mit brüchiger Stimme und ließ ihn dann stehen. Ich schmiss die Tür hinter mir zu und ging wieder nach unten. Durch die vielen Tränen war meine Sicht so verschwommen, dass ich beinahe bei der letzten Treppenstufte stolperte.
"Bist du jetzt zufrieden? Hast das erreicht, was du wolltest?", fragte ich Samra mit einer Mischung aus Wut und Trauer, und nahm mir meine Jacke.
"Wo willst du hin? Die Tür ist zu.", sagte er nur und beobachtete, wie ich in meine Jacke schlüpfte. Als ich ihm nicht antwortete, kam er auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter.
"Fass mich nicht an!", schrie ich, drehte mich zu ihm um und schlug mit der flachen Hand in sein Gesicht.
"Du hast alles kaputt gemacht. Immer machst du alles kaputt. Ich hasse dich!", weinte ich und rannte an ihm vorbei. Während er sich erschrocken die Wange hielt, nutzte ich den Moment seiner Unachtsamkeit und ging durch die Balkontür nach draußen. Ich brauchte nicht lange um einen Weg zu finden, über den ich vom Grundstück weg kam.

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