Part 194 ~ Abserviert - Teil 4

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Wir erreichten hechelnd den kleinen Parkplatz hinter dem Gebäude, wo er sein Auto abgestellt hatte. Hastig stiegen wir ein, schmissen die Türen zu und er drückte aufs Gaspedal, sodass hinter uns nur noch eine Staubwolke lag.
"Bist du eigentlich komplett geisteskrank?", zischte ich ihn an, als wir endlich weit genug von diesem Ort weg waren.
"Ich nicht, der Joker schon.", lachte er. Ich stieß mit dem Ellenbogen gegen seinen Arm, um zu zeigen dass es nicht lustig war.
"Wir hätten richtig Probleme kriegen können. Warum machst du sowas?", fragte ich ihn seufzend, und ließ mich in den Sitz sinken.
"Erklär du mir lieber mal, was das mit dem >Capi< eben sollte."
"Was willst du da erklärt haben? Es ist mir einfach rausgerutscht, ich hab das gar nicht so mitbekommen."
"Ist ja noch schlimmer.", entgegnete er leicht genervt.
"Warum bist du jetzt so?", fragte ich ihn angestachelt, weil mir sein wütender Blick nicht entgangen war. Keine Antwort. Er starrte weiter auf die Straße, und schien selber nicht richtig zu wissen warum ihn das so nervte.
"Bist du jetzt echt sauer deswegen?"
Wieder keine Antwort. So langsam nervte mich dieses gezicke schon irgendwie.
"Wie im Kindergarten.", murmelte ich, woraufhin er nur schnaufte und dann den Wagen beschleunigte. Aber mich konnte er damit nicht beeindrucken - ich war das mittlerweile schon gewohnt.

"Oder zickst du jetzt rum, weil du nicht vögeln konntest?", fragte ich, als er das Auto in der Garage geparkt hatte und mich weiterhin links liegen ließ.
"Kannst du mal aufhören, mich zu ignorieren?", rief ich und packte ihn an seinem Pullover, bevor er die Tür erreichen konnte.
"Ich hab jetzt keinen Bock auf diese Diskussion.", maulte er müde.
"Und ich hab keinen Bock, dass du sauer auf mich bist, obwohl ich dir nichts getan habe. Vergiss mal nicht, was du heute gerissen hast. Du bist nicht derjenige, der das Recht dazu hat wütend zu sein. Schon vergessen?"
"Ich hab dir doch erklärt, dass mein Plan anders aussah. Ich hatte nicht vor dich in dem Glauben zu lassen, dass wir dich verkaufen wollen. Und Jawahir hat nur übernommen, weil Samra dann nen Termin hatte und weg musste."
"Komisch, Samra kann sich immer alles erlauben. Aber wenn ich mal ausversehen Capi zu dir sage, zickst du komplett rum."
"Baby, kapierst du nicht worum es mir geht? Ich will nicht, dass du mich als Capi siehst. Für dich bin ich immernoch Vladislav, da hat sich nichts geändert. Wenn du mich Capi nennst kommt es mir so vor, als würdest du dich von mir entfernen, verstehst du?"
"Hm.", murmelte ich. Irgendwie verstand ich ihn...aber andererseits auch irgendwie nicht.
"Ich rede nachher mit Samra, okay? Aber jetzt bin ich einfach müde und abgefuckt. Der Tag war krass anstrengend, Baby.", sagte er, nahm meine Hände in seine und gab mir dann einen sanften Kuss auf die Stirn.
"Trotzdem bin ich noch sauer.", brummelte ich. Mag sein, dass er gerade mega süß war. Das änderte aber nichts daran, dass er mir eine scheiß Angst eingejagt hatte.
"Ich weiß. Darfst du auch. Ich machs wieder gut, wenn du nicht mehr...na du weißt schon.", sagte er lächelnd und öffnete dann die Tür.
Wir gingen nach drinnen und er schloss die Tür wieder ab. Oh man, endlich wieder zu Hause. Ich war so froh, dass das alles nur ein dummer Scherz war.
"Was ist los?", fragte ich Vladislav, der in der Küche stand und irgendetwas auf russisch fluchte.
"Mein scheiß Gras ist leer. Ich geh nochmal schnell was holen.", sagte er, gab mir einen Kuss und ging nach draußen. Ja klar, geh halt einfach direkt wieder weg. Bist ja nicht gerade erst heimgekommen.
Augenrollend ging ich zum Waschbecken, wusch mir den Dreck von den Händen und trank dann ein Glas Wasser. Dann sammelte gedanklich ich kurz zusammen was ich Samra gleich an den Kopf knallen würde, und machte mich auf den Weg nach oben. Ich hatte schon wieder so eine Wut im Bauch, dass mir richtig schlecht wurde. Wenn ich darüber nachdachte dass das alles mit dem Verkaufen seine dumme Idee war...
Je näher ich seiner Zimmertür kam, desto mehr kribbelte es in meinem Bauch. Meine Hände waren schwitzig, und ich hatte Angst dass meine Stimme versagen würde. Wenn ich aufgeregt war, schaffte ich es immer kaum vollständige Sätze hervor zu bringen.
"Ach, haben sie dich wieder zurückgegeben? Warst denen wohl zu anstrengend.", lachte der arrogante Libanese, als er mich in der Tür stehen sah.
"Wie ekelhaft bist du eigentlich? Hast du als Kind keine Liebe gekriegt, oder warum macht es dir so viel Spaß andere fertig zu machen?", fauchte ich und schloss die Tür hinter mir.
"Ich sags dir immer wieder, leg dich nicht mit mir an.", antwortete er Schulterzuckend, nahm sich seine Kippenschachtel vom Bett und schlenderte Richtung Balkon. Ich stampfte ihm wütend hinterher, stellte mich vor ihn und riss ihm die unangezündete Kippe aus dem Mund.
"Lan was soll das?", brüllte er direkt wütend und sah zu, wie die Zigarette vom Balkon runter auf den Rasen flog.
"Das frage ich mich auch! Was fällt dir ein, mir so eine scheiß Angst einzujagen? Das war absolut nicht witzig, und das ging viel zu weit! Was geht eigentlich ab in deinem Psychopathenkopf?", schrie ich ihn an.
"Ist es mein Problem, wenn du dich auf das Spiel einlässt? Ist es mein Problem, wenn du jedes mal verlierst? Nein, es ist dein Problem! Wenn du mir keine geballert hättest, wäre da alles ganz anders abgelaufen!"
"Als ob, du hättest das doch auch so gemacht! Einfach nur damit du zeigen kannst, dass du der stärkere bist! Und außerdem hast du die Schelle verdient, so asozial wie du dich benommen hast!"
"Asozial?"
"Ja, asozial! Sei froh, dass ich dir nicht nochmal eine knalle, allein schon dafür, dass du mir auf den Arsch gehauen hast!"
"Na komm, mach! Schlag zu! Oder traust du dich nicht?", fragte er lautstarkt und kam bedrohlich auf mich zu.
"Fass mich nicht an!", schrie ich und wollte ihn immer wieder wegschubsen, doch er blockte meine Versuche mit den Händen ab.
"Ich warne dich Samra, komm mir zu nahe und du wirst es bereuen!"
Er ignorierte meine Drohung und scheuchte mich in die Ecke des Balkons, sodass ich keinen Platz mehr hatte um irgendetwas machen zu können. Als er direkt vor mir stand wollte ich mein Knie anheben und ihn somit erwischen, doch er wusste genau was ich vorhatte. Blitzschnell zerrte er mich an seine Brust, überkreuzte meine Arme und drehte mich mit dem Gesicht nach vorne.
"So, was willst du jetzt machen? Schreien bis mir das Trommelfell platzt?", fragte er lachend, während ich versuchte mich loszureißen. Doch er hielt meine Arme so fest über Kreuz, dass ich es nicht schaffte.
"Wenn es sein muss, probiere ich das gerne aus."
"Das glaube ich eher nicht.", flüsterte er gegen meinen Hinterkopf. Dann drückte er seine Knie in meine Kniekehlen, sodass ich ungewollt einknickte. Den Moment nutzte er, um mich über die Brüstung von seinem Balkon zu heben. Panisch versuchte ich, irgendwie halt mit den Füßen zu finden - aber es bestand keine Möglichkeit.
"Kennst du Titanik? Wenn ich deinen Arm jetzt zur Seite mache, fällst du. Willst du das auch ausprobieren?", fragte er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, während ich mich schluckend an seinen Armen fest klammerte.
"Das würdest du nicht machen.", stieß ich mit schnellen Atemzügen hervor.
"Stimmt. Das wäre zu einfach.", antwortete er, und zog mich dann wieder zurück auf den festen Boden.
"Ich hab schließlich immernoch das hier.", grinste er und zog sein kleines Klappmesser aus seiner Hosentasche hervor. Gerade als ich einen Schritt zurückgehen wollte, ging seine Zimmertür auf und Vladislav kam zu uns.
"Baby, geh raus. Wir müssen reden, Bruderherz.", sagte er ernst und verwies mich dann auf den Flur. Hoffentlich scheißt er ihn ordentlich zusammen. Gott, wie mich dieser Kerl ankotzte.

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