Josy
Als ich aufwachte vernahm ich ein leises Schnarchen neben mir. Ich war der Meinung dass es von Vladislav stammte und kuschelte mich grinsend an ihn heran. Aber irgendetwas war anders. Vladislav war irgendwie...größer als sonst. Und er hatte einen anderen Geruch an sich. In dem Moment dachte ich nicht weiter darüber nach und schmiegte mich noch enger an den warmen Körper neben mir. Ich lächelte zufrieden, als sich sein starker Arm um meine Hüfte schlang um mich an sich heran zu ziehen. Ich genoss die Wärme die er mir gab und spürte seine ruhigen Atemzüge. Je stärker er mich an sich heran presste, desto wohler fühlte ich mich.
Ich wollte noch mal einschlafen, aber unter mir piekste etwas. Als ich mit der Hand nachsah worauf ich lag, entdeckte ich das Foto von Cataleya. Erst überlegte ich warum das in meinem Bett lag, doch dann traf es mich wie ein Blitzschlag. Ich war nicht in meinem Bett. Und ich kuschelte in dem Moment auch nicht mit Vladislav. Mit einem Herzschlag, der sich fast überschlug rutschte ich wieder ein Stück weiter von der Person neben mir weg. Als ich fest stellte, dass ich gerade in einem Bett mit Samra gekuschelt hatte verschlug es mir den Atem. Jetzt fiel mir alles wieder ein. Das treffen mit Cataleya – nein, halt. Mit Leyla. Das Treffen mit Leyla. Und Samra, der mich zum Friedhof geschliffen hatte. Langsam schaute ich nach oben und blickte ihm ins Gesicht. Er schlief zwar tief und fest, aber trotzdem merkte ich wie leichte Panik in mir aufstieg. Ich entfernte mich vorsichtig von ihm und betrachtete den Arm, an dem er mich gestern hinter sich her gezerrt hatte. Überall dicke, blaue Flecken. Und jeder einzelne tat noch mehr weh als gestern. Als ich die Flecken berührte musste ich die Tränen herunter schlucken, die der Schmerz verursachte. Mein Blick glitt wieder zu Samra hinüber. Auch wenn ich es ungern zugab, wenn er schlief sah er echt verdammt niedlich aus. Seine schwarzen Haare waren vollkommen verwuschelt und eine kleine Haarpartie lag senkrecht auf seiner Stirn. Vorsichtig hob ich meine Hand und wischte sie wieder in die richtige Richtung. Er sah so lieb aus. Als könnte er keiner Fliege etwas zu Leide tun. Seine Wangen waren rosig und sein Atem ging in gleichmäßigen, ruhigen Zügen. Mittlerweile hatte er aufgehört zu schnarchen. Er atmete einmal laut ein und aus und drehte sich dann auf den Rücken. Wieder betrachtete ich das Bild von Cataleya. Ich hätte aufstehen und gehen können, aber irgendwie wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht wecken. Es war recht angenehm bei ihm zu sein, wenn er schlief. Dann konnte er mich wenigsten nicht provozieren, anschreien oder mir weh tun.
„Seit wann bist du wach" brummelte er verschlafen, hatte aber immer noch die Augen geschlossen. Seine Stimme verursachte ein komisches Gefühl in meinem Bauch. Ich würde es nicht direkt Angst nennen, sondern irgendwie...unwohlsein.
„Seit... zehn Minuten ungefähr" stotterte ich leise.
„Wie geht es dir?" fragte er nach ein paar Minuten und drehte sich wieder auf die Seite. Er sah mich besorgt mit seinen großen, dunklen Augen an.
„Gut...denke ich" Ich saß mittlerweile im Schneidersitz in seinem Bett. Mit der Decke hatte ich zuerst nur meine Beine verdeckt, doch nun benutzte ich sie um die blauen Flecken an meinem Arm zu verdecken.
„Lass" murmelte er und griff sanft nach meiner Hand, die den Zipfel der Bettdecke fest umklammerte.
„Samra bitte" flüsterte ich nur. Nun setzte auch er sich aufrecht hin und zog die Decke wieder nach unten. Vorsichtig berührte er die lila unterlaufenen Stellen an meiner Haut und strich sanft darüber.
„War ich das?" fragte er besorgt. Ich nickte stumm und versuchte wieder gegen die Tränen anzukämpfen.
„Es tut mir leid" flüsterte er. In seinen Augen lag Reue. Ehrliche Reue. Keine vorgespielte oder ironische Selbstanklage. Er meinte es vollkommen ernst.
„Ist schon okay. Ich geh dann jetzt einfach rüber in meine Wohnung" Ich beendete diesen peinlichen Moment und zupfte schnell meine Sachen gerade, bevor ich aus dem Bett ausstieg.
„Josy" sagte er, als ich meine Schuhe schnappte und aus dem Schlafzimmer heraus ging.
„Josy" rief er etwas lauter, saß aber immernoch an der gleichen Stelle wie eben. Ich wollte einfach nur weg. Wieder zurück in meine Wohnung, oder zu Capi, einfach um mich ein bisschen ausruhen zu können. Allerdings stand ich mal wieder vor verriegelten Türen.
„Du kannst nicht gehen" sagte Samra, der auf einmal hinter mir stand als ich versuchte die Tür aufzubekommen.
„Nein. Tu das nicht." wimmerte ich aufgelöst, als ich einsehen musste dass es keinen Zweck hatte.
„Sperr mich nicht wieder ein, bitte" flehte ich und faltete die Hände vor ihm zusammen. Dieses mal konnte ich die Tränen nicht zurückhalten.
„Ich muss" sagte er nachsichtig.
„Ich weiß du bist sauer wegen gestern, aber bitte Samra. Lass mich gehen" flehte ich ihn an und konzentrierte mich darauf, nicht komplett in einen Heulkrampf auszubrechen.
„Ich mach das nicht weil ich sauer bin. Sondern weil du hier einfach am sichersten bist." erklärte er mit ruhiger Stimme.
„Aber ich..."
„Nein." Unterbrach er mich streng.
„Capi hat gesagt ich soll dich nicht aus den Augen lassen. Und er hat Recht. Als du bewusstlos warst hat Khalil auf deinem Handy angerufen. Ich hatte Recht, Leyla wollte dich ausliefern"
„Warum..." Ich versuchte mir auszumalen was passiert wäre, wenn Samra mich nicht weggebracht hätte.
„Gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder will er dich benutzen um Capi eins auszuwischen...oder er will dich töten."
„Was hat er gesagt? Am Telefon?" flüsterte ich, weil es mir die Sprache verschlagen hatte.
„Dass er das bekommen wird, was er will. Und wir die Zeit mit dir genießen sollen, solange du noch Zeit hast" murmelte er geistesabwesend und starrte auf die Tür hinter mir.
„Oh mein Gott" Ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment zusammenbrechen würde. Die Zeit genießen, solange ich noch welche habe? Wenn das keine Morddrohung ist, dann weiß ich auch nicht...
„Wenn du willst kannst du bei mir duschen und dann gehen wir irgendwo was essen" schlug er vor.
„Aber ich brauche meine Sachen..."
„Von mir aus." seuftze er und schloss die Tür auf. Er ließ mich hinter sich stehen und wartete dann vor meiner Tür.
„Du hast den Schlüssel." sagte er und wies mit den Augen auf meine Hosentasche. Eilig kramte ich ihn hervor und schob mich dann an ihm vorbei, um die Tür aufzuschließen.
„Hol dir was du brauchst und dann gehen wir wieder rüber"
Mit gesenktem Kopf schlurfte ich in meine Wohnung und suchte die Sachen, die ich gebrauchen konnte. Duschsachen, Klamotten, mein Handyladekabel...
„Samra?" rief ich aus dem Badezimmer heraus.
„Hm?" antwortete er gelangweilt und lehnte sich mit der Schulter am Türrahmen ab.
„Weißt du, wo mein Handy ist?"
„Drüben bei mir"
„Und...warum liegt es bei dir?" fragte ich skeptisch, aber dennoch vorsichtig.
„Na weil ich dran gegangen bin als es geklingelt hat. Als Khalil angerufen hatte."
„Oh..." sagte ich nur und suchte dann weiter meine Sachen zusammen.
„Können wir nicht einfach hier bleiben?" Erneut versuchte ich mit ihm zu verhandeln – aber wie zu erwarten hatte das keinen Zweck.
„Khalil weiß jetzt wo wir wohnen. Es ist zu gefährlich." sagte er stur und sah mich mit verschränkten Armen an.
„Aber ob wir bei mir sind oder bei dir ist doch..." Ich verstummte, als er auf mich zu kam und ich das kalte Keramikwaschbecken an meinem Hintern spürte.
„Es ist zu gefährlich." wiederholte er und stütze sich auf dem Waschbecken hinter mir ab.
„Willst du das jetzt wirklich ausdiskutieren, Prinzessin?" Seine Nähe ließ mich in dem Moment fast wahnsinnig werden. Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte es würde herausspringen. Ich war so nervös, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Mein verlegener Blick ging direkt nach rechts unten. Er war so nah, dass ich seinen heißen Atem an meiner Schläfe spüren konnte.
„Das dachte ich mir" zischte er in mein Ohr und brachte mich damit fast erneut dazu, in Ohnmacht zu fallen.

DU LIEST GERADE
Mademoiselle
Fiksi PenggemarJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...