Ich atmete tief durch, bevor ich auf den kleinen Klingelknopf am Haus meiner Eltern drückte. Nervös drehte ich mich um und schaute Samra in die Augen, der hinter mir stand und einen entspannten Eindruck machte. An seinem Blick erkannte ich jedoch, dass er ein genauso ungutes Gefühl hatte wie ich. Als ich Schritte im Flur hörte, drehte ich mich wieder nach vorne. Kurz darauf öffnete sich die Tür und ich blickte meiner Mutter ins Gesicht.
"Hallo mein Schatz.", sagte sie lieblich und umarmte mich, bevor sie mich rein ließ. Samra begrüßte sie ebenfalls mit einer Umarmung und schloss dann die Tür hinter uns. Als wir das Haus betraten stieg mir sofort ein bekannter Duft in die Nase. Wie es aussah, hatte meine Mom für uns gekocht. Sie führte uns ins Wohnzimmer, wo mein Vater bereits am Tisch saß und uns mit ernsten Blicken musterte. Als wir ihn begrüßten stand er auf und umarmte uns ebenfalls freundlich.
"Setzt euch. Ich hoffe, ihr habt Hunger.", sagte meine Mutter lächelnd und wies auf die zwei braunen Stühle. Der Tisch im Wohnzimmer war groß. Wir waren zu viert. Jeder hätte an eine Seite des Tisches gekonnt. Aber meine Mutter bestand darauf, dass ich mich direkt neben Samra setzte - die zwei Plätze, wo das Besteck und die Teller sehr auffällig nah nebeneinander platziert waren. Laut Samras Blick dachte er in dem Moment genau das gleiche wie ich: What the Fuck.
"Ich freue mich, dass ihr euch die Zeit genommen habt her zu kommen.", sprach meine Mutter und stellte die Auflaufform in die Mitte des Tisches.
"Und warum durfte Vladislav nicht dabei sein?", fragte ich direkt, woraufhin das lächeln aus dem Gesicht meiner Mutter verschwand. Sie schaufelte jedem von uns eine Portion Nudelauflauf auf den Teller und setzte sich dann wieder hin.
"Möchtet ihr etwas trinken?", fragte sie, woraufhin wir beide nickten.
"Ich hol schon.", sagte ich zuvorkommend und ging in die Küche. Beim rausgehen spürte ich die deutlichen Blicke meiner Eltern, die mich gespannt verfolgten. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass ich abhauen würde. Ihren Blicken nach zu urteilen hätte man das jedenfalls denken können. Schweigend setzte ich mich wieder neben den großen Libanese und schenkte uns beiden Wasser ein. Meine Mutter hatte schon etwas stehen, und mein Vater trank während des essens nie was. Keine Ahnung warum.
"Wie geht es euch?", fragte meine Mutter so als wäre alles ganz normal und lächelte uns beide freundlich an.
"Gut...schätze ich.", antwortete ich kauend, während sich Samra neben mir schweigsam zurück hielt.
"Josy, wir wollen keinen Streit. Wir möchten euch einen Vorschlag machen.", fing mein Vater an, als minutenlang niemand ein Wort verlor.
"Und der wäre?", fragte ich und bemerkte, wie ich erneut schwitzige Hände bekam und anfing, mit meinem Bein schnell auf und ab zu wackeln.
"Naja, dein Vater und ich haben sehr lange überlegt. Wir hatten vor kurzem auch schon mit Hussein darüber geredet."
"Was, meint ihr eure super tolle Idee?"fragte ich schnippisch, woraufhin Samra seine Hand auf mein Knie legte - einerseits damit ich mit dem wackeln aufhörte, und andererseits als Warnung. Ich weiß, ich sollte nichts davon sagen. Aber ich war einfach wütend, dass sie ihn so vor die Wahl gestellt hatten.
"Was meinst du?", fragte mein Vater und tat so, als wüsste er von nichts. Bevor ich anfangen konnte zu reden, rutschte Samras Hand an meinem Knie nach oben, sodass sie auf meinem Oberschenkel lag. Ich fühlte mich so unwohl, dass mir Augenblicklich heißt wurde. Er wusste, dass ich seine Hand am liebsten weg geschlagen hätte. Aber ich konnte nicht, da meine Eltern mich genau beobachteten. Und das nutzte er aus, um mich zum schweigen zu bringen.
"Ich weiß, was für ein Angebot ihr ihm gemacht habt. Und ich bin mehr als enttäuscht, dass ihr zu so etwas in der Lage seid.", sprach ich direkt und schon rutschte seine Hand noch weiter nach oben, wo sie sich gefährlich nach an einer Stelle befand ag, die definitiv nicht für ihn bestimmt war.
"Es tut uns leid. Wir wissen selber, dass das ein unmögliches Verhalten war. Und wir möchten uns bei euch entschuldigen. Deswegen haben wir euch eingeladen."
"Und wenn ich es nicht gewusst hätte? Wenn eure Idee funktioniert hätte, würden wir dann auch hier sitzen? Oder hättet ihr das ganze dann weiter...", ich unterbrach abrupt, als Samras Finger sich in meinen Oberschenkel bohrten.
"Was hast du?", fragte mich mein Vater, als ich schnell meine Hand unter den Tisch bewegte, um dem ganzen ein Ende zu machen.
"Nichts, ich dachte mein Handy würde klingeln.", redete ich mich heraus und versuchte krampfhaft, seine Hand von mir zu lösen. Aber stattdessen schaffte ich es nur, dass er sie wieder auf meinem Knie positionierte. Er musste es mir nicht sagen damit ich wusste, was er damit bewirken wollte. Ich sollte aufhören zu reden, damit er das Steuer übernehmen konnte.
"Es ist nett, dass ihr euch entschuldigen wollt. Wir nehmen das natürlich an.", sagte er ruhig und lenkte die Aufmerksamkeit meiner Eltern somit auf ihn.
"Trotzdem würden wir uns wünschen, wenn du dich von deinem Freund fern hälst. Er ist nicht gut für dich, Josy. Wir machen uns wirklich nur Sorgen."
"Aber ich liebe ihn. Er würde mir niemals weh tun, oder mich in Gefahr bringen. Bitte gebt ihm eine Chance.", flehte ich meine Eltern an, die sich dann beide anschauten.
"Dein Vater und ich gehen kurz in die Küche und besprechen das. Bitte wartet einfach hier.", sagte meine Mutter und erhob sich vom Tisch. Nachdem die Küchentür endlich zu war, rutschte ich mit meinem Stuhl zurück und versuchte, Samra riesige Hand von meinem Knie zu entfernen.
"Hast du sie noch alle? Ich hatte dir gesagt, du sollst die Fresse halten!", fauchte er mich leise an.
"Ich konnte nicht anders! Jetzt nimm endlich deine Pfote da weg!", zischte ich zurück und schaffte es, mein Knie frei zu bekommen.
"Du verkackst es, wenn du dich mit ihnen anlegst. Das macht sie nur noch wütender, damit erreichen wir gar nichts!", flüsterte er wütend.
"Als ob du eine Ahnung davon hättest, wie meine Eltern ticken!", antwortete ich ebenfalls wütend und kassierte dafür einen Blick von ihm, der mich womöglich am liebsten getötet hätte.
"Sei einfach leise und lass mich das regeln.", sagte er und drehte sich wieder zum Tisch um.
"Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, wann und wie ich mit meinen Eltern reden darf!", keifte ich und setzte mich ebenfalls wieder gerade hin.
"Verdammt, hör auf dich gegen mich aufzulehnen. Es bringt nichts, merkst du das nicht?", kam es von ihm.
"Tut mir leid, diesen Triumph gönne ich dir nicht.", antwortete ich mutig und trank einen Schluck von meinem Wasser.
"Gut, dann mach weiter. Aber heul dann nicht, wenn ich dich die Konsequenzen spüren lasse.", sagte er lässig und schaufelte sich eine Portion Nudeln in den Mund.
"Du bist so ein Arschloch.", knurrte ich beleidigt und setzte ebenfalls die Nahrungsaufnahme fort.
"Und du bist eine dumme kleine Kahba, die denkt dass sie gegen mich eine Chance hat. Hast du aber nicht.", ballerte er zurück.
"Ich hoffe du erstickst an dem Auflauf. Scheißkerl."
"Noch ein Wort und ich sorge dafür, dass du daran erstickst Habibi.".
"Wir haben darüber geredet.", sagte meine Mutter, die gemeinsam mit meinem Vater zur Tür rein kam und sich wieder an den Tisch setzte.
"Wir geben ihm eine Chance. Aber wir möchten, dass Hussein dir nicht von der Seite weicht. Nur weil wir ihm eine Chance geben, heißt das nicht, dass wir ihm vertrauen.", erklärte meine Mutter, woraufhin Samra und ich gleichzeitig erleichtert aufatmeten. Eine Sorge weniger."Alles klar Bruder, wir fahren jetzt los.", sagte Samra zu Vladislav am Telefon, als wir wieder im Auto saßen.
"Shishabar?", fragte ich den Libanese mit dem finsteren Blick, der den ersten Gang einlegte und dann los fuhr.
"Nerv mich nicht.", antwortete dieser abweisend und drehte die Musik auf. Ganz toll, richtig in Partylaune der Junge.
Als wir bei der Bar ankamen war Vladislav noch nicht da. Aber er hatte für uns einen Platz reserviert, zu dem uns Amar lotste. Nach einer Umarmung und ein bisschen smalltalk setzten wir uns auf die Couch.
"Samra, ich geh kurz auf Toilette. Ich will mich umziehen.", sagte ich und griff nach meiner Tasche, in der ich mir ein Kleid mitgenommen hatte.
"Allein? Ganz bestimmt nicht. Beweg dich, ich komme mit.", sagte er und schob mich zum Ende der Couch, wo ich genervt aufstand und dann gemeinsam mit ihm zur Toilette marschierte.
"Ich warte vor der Tür. Beil dich.", sagte er nachdem er jede einzelne Kabine abgecheckt hatte. Seufzend verschwand ich hinter einer Tür und zog mich dann in Ruhe um. Sollte er doch warten, das war mir egal. Deswegen bewegte ich mich trotzdem nicht schneller. In vollster Ruhe zog ich die Jeans und den Pullover aus, steckte beides in meine Handtasche und zog mir dann ein schwarzes Kleid an, welches hinten einen Reißverschluss besaß. Verdammt, den Reißverschluss hatte ich nicht mit bedacht. Ich versuchte ihn irgendwie zu schließen, aber meine Arme waren einfach zu kurz. So ein Mist. Umziehen wollte ich mich aber deswegen nicht. Ich hatte ja die Hoffnung, dass vielleicht irgendjemand auf Toilette gehen würde, den ich fragen konnte. Aber wenn man jemanden braucht, kommt natürlich keiner. Also blieb mir nur eine Möglichkeit, auf die ich am liebsten verzichtet hätte.
"Samra? Ich brauch dich mal kurz.", sagte ich zu dem Toilettentürsteher und ging mit gesenktem Kopf ein paar Schritte zurück.
"Kannst du mir bitte den Reißverschluss zu machen? Ich komm da nicht hin.", fragte ich und drehte ihm meinen Rücken zu.
"Das willst du anlassen?", fragte er skeptisch und zog mit einem Ruck den Reißverschluss an meinem Rücken zu, sodass ich kurz die Luft einzog.
"Ja. Zu freizügig? Ich wollte hier nicht im Pullover sitzen, da es nach einer Weile immer ziemlich warm wird.", sagte ich und strich mein Kleid gerade.
"Nein, mach dir keine Sorgen. Für eine Kahba ist nichts zu freizügig.", sagte er grinsend und musterte mich von oben bis unten.
"Dafür dass ich in deinen Augen nur eine Kahba bin, Scheint dir aber ziemlich viel an mir zu liegen. Wenn du schon vor der Tür Wache hälst, damit mir nichts passiert.", konterte ich ebenfalls grinsend und stolzierte an ihm vorbei. Ehe ich mich versah hatte er mich am Arm zurück gezogen und drückte mich gegen die kalten Fliesen, mit denen der Raum ausgestattet war.
"Dafür dass du hier gerade mit mir alleine bist und relativ wenig anhast, bist du ganz schön frech.", knurrte er. Anscheinend hatte ich ins schwarze getroffen - sonst würde er nicht so reagieren.
"Was willst du machen? Mich wieder da anfassen, wo deine Hände nichs zu suchen haben? Mach ruhig. Ich bin gespannt, wie du das Vladislav erklären willst, wenn ich ihm das erzähle.", sagte ich mutig, während er mich abwertend musterte.
"Du spielst mit dem Feuer, Josy.", sagte er bedrohlich und ließ mich los.
"Falsch. ich versuche, es unter Kontrolle zu kriegen.", warf ich ihm zu und ging dann wieder nach draußen.
Nachdem wir uns wieder hingesetzt haben dauerte es nicht lange, bis auch Vladislav in der Bar auftauchte. Er begrüßte Samra und nahm dann meine Hand, um mich für einen sanften Kuss zu sich zu ziehen.
"Das Kleid steht dir super Baby.", freute er sich und legte dann seinen Arm um mich. Während ich mich eine ganze Weile mit ihm unterhielt, hatte Samra ein paar Kumpels wieder getroffen, mit denen er sich an einem anderen Tisch unterhielt. Somit hatten Vladislav und ich endlich mal die Gelegenheit, den Abend zu zweit zu genießen.
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Mademoiselle
ФанфикJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...