Part 127 ~ 500 PS

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Es war mitten in der Nacht, als ich durch laute Geräusche wach wurde. Es waren Schreie. Mit rasendem Puls schaute ich mich im dunklen Schlafzimmer um, als die Schreie verstummt waren. Alles war ruhig. Gerade als ich dachte, dass ich nur geträumt hatte, hörte ich es wieder. Es kam aus Samras Zimmer. Panisch sprang ich aus dem Bett und stürmte zu seiner Zimmertür, die er wie ich auf gelassen hatte. Mit meinem Handy leuchtete ich das Zimmer ab - aber alles sah normal aus. Nur Samra nicht. Seine Decke lag auf dem Fußboden und er auf dem Bauch. Als ich näher kam, fing er wieder an zu schreien und rollte sich zur Seite.
"Samra!", rief ich, um ihn irgendwie wach zu machen.
"Ich bring dich um du Hurensohn!", schrie er und boxte in sein Kopfkissen.
"Samra!", rief ich nun etwas lauter und rüttelte an ihm, während ich auf seinem Bett kniete. Ich sah noch wie er seine Augen langsam aufschlug, und dann ging alles ganz schnell. Er griff unter sein Kissen, zog sein Klappmesser hervor und hielt mir die Spitze des Messers an die Kehle.
"Ich bin's nur.", sagte ich mit zittriger Stimme und vollster Konzentration darauf, mich nicht zu bewegen. Er nahm mein Handy, dass ich vor Schreck neben ihm fallen gelassen hatte und leuchtete mir damit direkt in die Augen. Mit erhobenen Händen kniff ich die Augen zusammen und drehte meinen Kopf leicht beiseite, wodurch ich deutlich die kalte Messerspitze an meinem Hals spürte.
"Ist das dein scheiß Ernst? Lan was machst du in meinem Bett?", knurrte er wütend und nahm das Messer wieder weg.
"Du hast geschrien. Ich dachte, es ist was passiert.", verteidigte ich mich und öffnete meine Augen wieder, nachdem er den Lichtstrahl woanders hingelenkt hatte.
"Was echt? Scheiße.", murmelte er und rieb sich über die Augen.
"Hast du meine Decke geklaut?", fragte er müde und schaute sich um.
"Die hast du runtergeschmissen.", sagte ich schmunzelnd und stand auf, um die Decke zu nehmen.
"Leg dich wieder hin. Gönn deiner Hand ein bisschen Ruhe.", sagte ich und drängte ihn dazu, sich auf den Rücken zu legen.
"Mein Kopf dröhnt unnormal grade.", grummelte er und ließ sich von mir zudecken. Gerade als ich gehen wollte, griff er nach meinem Handgelenk und hielt mich fest.
"Bleib hier.", sagte er mit großen traurigen Augen, und hob seine Decke hoch.
"Samra, das kann ich nicht..."
"Bitte.", unterbrach er mich flehend. Bei diesen dunklen Teddybäraugen konnte ich einfach nicht nein sagen.
"Ich frag erst Vladislav.", sagte ich und entsperrte mein Handy, um Whatsapp zu öffnen.
"Als ob der jetzt gleich online kommt. Du kennst ihn doch.", meckerte er und zog an mir.
"Warte doch kurz.", bat ich ihn und versuchte, mich nicht näher zu ihm ziehen zu lassen. Zu meinem Glück war Vladislav online, als ich unseren Chat öffnete. Keine Ahnung wo er sich um vier Uhr morgens rumtrieb, aber ich war froh dass er wach war. Schnell tippte ich die Nachricht ein und wartete auf seine Antwort.
"Und?", drängelte Samra wieder und klammerte sich regelrecht an mir fest.
"Ist okay Baby. Aber sag Samra die Hände bleiben über der Decke.", tönte es aus seiner Sprachnachricht, in der am Ende kurz kicherte. Ich schickte ihm mehrere Herzen zurück und schloss Whatsapp wieder.
"Jetzt komm, es wird kalt langsam.", knurrte er und zog dann so heftig an mir, dass ich beinahe auf ihn drauf gefallen wäre.
"Ist ja okay, ich mach doch schon.", sagte ich genervt und stieg über ihn drüber, da er mich immernoch fest hielt.
Ich legte mich mit ausreichend Abstand auf die andere Hälfte seines Bettes und zog die Decke nach oben.
"Die Decke ist zu klein. Wenn du so weit weg liegst hab ich keine.", brummte er. Seufzend rutschte ich zu ihm rüber.
"Kannst du jetzt bitte endlich meinen Arm loslassen?", fragte ich, während ich in die Dunkelheit starrte.
"Nein.", sagte er zufrieden und fing nach ein paar Sekunden schon an zu schnarchen.

Langsam öffnete ich die Augen und gähnte leise. Als ich fest stellte, dass ich nicht in meinem Zimmer war, fiel mir alles von letzter Nacht wieder ein. Ich lag in Samras Bett. Aber er lag nicht neben mir. Als ich mich blinzelnd umsah, ging plötzlich die Balkontür auf und er trat herein. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand schaute er kurz zu mir, und ging dann zu seinem Kleiderschrank.
"Normalerweise würde ich dir jetzt zehn Euro geben und dich dann zum Teufel jagen.", grinste er und setzte sich neben mich auf die Bettkannte, während er sich Socken anzog.
"Vergiss nicht, du wolltest dass ich hier schlafe.", murmelte ich müde und beobachtete ihn, während er mit dem Rücken zu mir saß.
"Richtig. Nur dass du die einzigste bist, die ich nicht dafür bezahle. Es sei denn, du willst dass wir..."
"Spinnst du?", fragte ich sofort empört, während er nur lachte.
"Chill, das war Spaß. Mach dich fertig, ich will mein Auto holen. Und da Capi noch nicht wieder da ist muss ich dich mitnehmen.", sagte er und stand dann auf. Seufzend schlug ich die Decke weg und streckte mich kurz, bevor ich aus dem Bett aufstand. Gerade als ich mich erhoben hatte kam er zurück und streckte seinen Kopf hinter der Tür hervor.
"Ach, bevor ich es vergesse. Falls du wieder vor hast abzuhauen, kauf ich dir dieses mal ein Halsband mit Leine. Also überleg dir lieber genau was du machst.", drohte er grinsend, zwinkerte mir kurz zu und verschwand dann wieder.
"Nur weil ich aufs Klo musste. Arsch.", murmelte ich beleidigt.
"Das hab ich gehört!", brüllte er mir vom Flur aus und ging dann nach unten. Ich verdrehte genervt die Augen und machte mich dann auf den Weg ins Badezimmer.
Als ich fertig war stand er schon an der Tür und schaute genervt auf seine Rolex. Als ich vor ihm stand öffnete er die Tür und wies mit einer Kopfbewegung nach draußen. Ich ging an ihm vorbei und wäre am liebsten direkt wieder rein, als ich bemerkte dass es relativ kühl war.
"Wann ist es so kalt geworden?", fragte ich zitternd und zog meine dünne Strickjage vorne zu.
"Der Herbst ist da. Dauert nicht lange dann kommt der Winter.", sagte er grüblerisch und ging an mir vorbei zum Auto.
Ich folgte ihm unauffällig und ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder.
"Was passiert dann mit dem Auto?", fragte ich und erinnerte mich an die vielen male, die ich schon hier gesessen hatte.
"Keine Ahung. Verkaufen. Oder ich schenke es Haider, mal gucken.", sagte er und startete den Motor.
"Wer ist Haider?", fragte ich nachdenklich. Ich konnte mich nicht erinnern, den Name schonmal gehört zu haben.
"Mein Bruder.", antwortete er knapp und fuhr los.
"Du hast einen Bruder?", fragte ich ungläubig und musterte ihn interessiert.
"Hab sogar zwei.", grinste er.
"Sind die auch so arrogant wie du?", fragte ich grinsend.
"Schlimmer.", schmunzelte er nur.
"Es gibt ne Steigerung? Na dann bin ich ja froh, dass ich die nicht kenne.", stellte ich fest, doch er zwinkerte mir nur zu und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße.
Beim Autohaus angekommen parkte er sein Auto und wir gingen nach drinnen. Dieses mal achtete er ganz genau darauf, wie viel Abstand ich zu ihm hielt. Jedes mal wenn ich auch nur einen Zentimeter zu weit weg stand bekam ich einen giftigen Blick.
"Gut, dann bin ich gleich wieder bei ihnen.", sagte der Verkäufer freundlich und Samra stimmte ihm nickend zu.
"Samra?", fragte ich, während der Typ die Papiere holte.
"Was?", zischte er genervt und funkelte mich an.
"Kann ich bitte aufs Klo?"
"Dein ernst? Wir sind gerade mal eine halbe Stunde hier?", meckerte er wütend und konzentrierte sich darauf, nicht laut zu werden.
"Ich kann doch auch nix dafür.", sagte ich entschuldigend und senkte den Kopf.
"Mach yalla. In zwei Minuten bist du wieder hier, sonst gibts Ärger.", drohte er mit erhobenem Zeigefinger und wartete, bis ich im Flur verschwunden war. Die Frau am Thresen schaute mich ein bisschen komisch an, aber das war mir egal. Ich musste wirklich pinkeln.
Als ich fertig war wusch ich mir eilig die Hände, trocknete sie mit den Papierhandtüchern ab und ging dann hastig zur Tür. Als ich einen Schritt in den Flur trat, blieb mein Herz stehen. Vor mir stand Khalil, der sich gerade den Gürtel zu machte, als er aus dem Männerklo kam.
"Na, wen haben wir denn hier?", fragte er grinsend und musterte mich mit seinen schwarzen Augen.

Samra

Der Verkäufer überreichte mir den Autoschlüssel und die Papiere, die er fertig gemacht hatte.
"Dann müssen sie das Auto ja nur noch anmelden. Viel Spaß damit.", sagte der Alman freundlich und schüttelte meine Hand. Fuck, ich musste das alte Auto ja noch abmelden. Ich hätte ja wen beauftragt, aber das ging ja leider nur persönlich.
"Ich geh ummelden und hole das Auto dann.", Sagte ich und wollte gehen, als ich plötzlich meinen Namen hörte.
"Samrushka! Bruder du auch neues Auto?", begrüßte mich Kayay und wir schlugen ein. Neben ihm stand Beto, der mich ebenfalls freundlich begrüßte.
"Wo habt ihr Khalil gelassen?", fragte ich so scheinheilig wie möglich und wurde langsam unruhig, weil Josy schon längst wieder hier sein sollte.
"Der wollte auf Klo. Wir suchen jetzt nen fetten Wagen für Beto. So nachträglich als Geschenk zum bestandenen Abi.", sagte Kayay und legte Brüderlich seinen Arm um Betos Schulter.
"Freut mich für dich, wirklich.", sagte ich ehrlich, während ich Schweißausbrüche bekam. Wenn ich jetzt die Toiletten stürmen würde, würden die Jungs merken dass etwas nicht stimmt. Mir blieb nichts anderes, als zu warten, bis einer von beiden raus kam. Inshallah kommt sie jeden Moment da raus, sonst dreh ich durch.

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