Ich saß seufzend auf der Couch, während ich nachdachte. Hatte ich mich echt so bescheuert verhalten? Hatte er dieses mal wirklich recht und jeden guten Grund, sauer zu sein? Aber ich konnte doch nicht einfach zuschauen. Ja klar war es dumm sich einzumischen...aber hätte jeder andere nicht auch so gehandelt? Ich atmete laut hörbar aus und schnappte mir mein Handy. Dann legte ich mich auf den Bauch und öffnete den Chat mit Vladislav.
(Sprachnachricht von Vladislav: "Naja, was soll ich sagen Baby? Samra hat schon Recht. Also ich weiß du hattest keine böse Absicht und so, aber ich wäre halt auch sauer an seiner Stelle. Hättest nicht alleine dazwischen gehen sollen. Du weißt doch dass voll viel passieren kann, gerade wenn du alleine bist. Deswegen sind wir ja so krass nervig und lassen dich nie aus den Augen Prinzessa.")
Ich steckte mein Handy in die Hosentasche und drückte mein Gesicht in das schwarze, flauschige Kissen unter mir. Oh Gott, das Teil roch einfach extrem nach Samras teurem Parfum. Ich hob meinen Kopf, schmiss das Kissen in eine andere Ecke der Couch und drückte mein Gesicht in den Couchbezug. Ja okay, viel zu unbequem. Ich wollte mich gerade stöhnend auf den Rücken drehen, als ich Schritte von oben hörte. Sofort sprang ich auf, schob meine Haare wieder in die richtige Richtung und tat so als wäre nichts. Der schwarzhaarige Riese schaute kurz uninteressiert zu mir, bevor er in die Küche ging. Dort holte er sich eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und machte sich wieder auf den Weg nach oben.
"Samra, ich...", rief ich damit er stehen blieb, aber er ließ mich eiskalt links liegen. Ohne einen Hauch Beachtung ging er die Treppen nach oben und ließ die Tür hinter sich laut zuknallen. Jap, der war definitiv sauer. Augenrollend drehte ich mich wieder um und wandte mich der Küche zu, um irgendwie eine Idee zu bekommen was ich kochen könnte. Wirklich viel hatten wir nicht, da wir meistens was bestellten oder irgendwo essen gingen. Und mit den ganzen komischen russischen Lebensmitteln von Vladislav kannte ich mich Null aus. Ja toll, bestellen durfte ich eh nicht und russisch kochen konnte ich nicht. Dann mussten es wohl mal wieder Nudeln sein - das was ich immer kochte, wenn ich sonst keinen Plan hatte. Vladislav meinte ja Samra isst alles, also würde das schon gutgehen. Hoffentlich.
In Gedanken versunken stellte ich das Wasser an und suchte mir Ketchup, um daraus eine Soße zu machen. War ja nicht so schwer. Wenn ich nicht hier drin eingesperrt gewesen wäre, hätte ich uns einfach was gekauft. Aber das wäre ja auch zu einfach gewesen. Bevor das Wasser kochte deckte ich für uns beide den Tisch ein und versuchte alles irgendwie besonders schön aussehen zu lassen. Wow, ich hätte nie gedacht dass ich mir für Samra mal so viel Mühe geben würde.
Nach einer kurzen Weile hatte ich alles fertig. Der Tisch war schön eingedeckt, und das Essen stand dampfend auf dem Tisch. Ich betrachtete mein Werk ganz stolz, grinste in mich hinein und hüpfte dann in Richtung Treppe. Als ich vor seiner Zimmertür stand, war mein Grinsen allerdings direkt wieder verschwunden. Ich atmete tief durch, legte mir gedanklich alles zurecht was ich für die folgende Konversation brauchen würde und klopfte dann drei mal kräftig gegen die verschlossene Zimmertür. Mein Ohr klebte am Holz, während ich darauf wartete dass er irgendwas sagte. Aber es war alles ruhig da drinnen. Auch nachdem ich das Klopfen vier mal wiederholt hatte, kam keine Reaktion. Will der mich verarschen? Ist der eingepennt oder was macht der da?
"Samra?", rief ich, doch wieder bekam ich keine Antwort. Langsam wurde ich echt ungeduldig.
"Komm schon, was muss ich machen damit ich rein kommen kann?", sprach ich zu ihm durch die verschlossene Tür und lehnte mich mit der Stirn dagegen.
"Nen Schritt weg gehen wäre ne Maßnahme.", hörte ich ihn plötzlich. Ich war zwar etwas erschrocken als er plötzlich hinter mir stand, freute mich aber andererseits auch dass er überhaupt mit mir redete. Ich drehte mich zu ihm um und wollte zum Gespräch ansetzen, doch die Wörter blieben mir im Hals stecken. Meine Augen checkten seinen halbnackten Körper ab, der von kleinen Wassertropfen übersäht war. Wieder schoss mir der Duft von seinem Duschbad in die Nase, der ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch auslöste. Es war ein verdammtes Déjà-vu, was sich hier gerade abspielte.
Ohne einen Ton von sich zu geben hob er langsam seine Hand, welche sich meinem Körper näherte. Es kam mir vor, als würde er sich einfach in Zeitlupe bewegen. Mit jeder klitzekleinen Sekunde schoss mein Puls immer höher, und eine unglaubliche Hitze kam in mir auf. Anders als erwartet legte er seine Hand auf den Griff und gab der Tür einen Stoß, damit sie hinter mir aufging.
"Gehst mir jetzt aus dem Weg, oder muss ich nachhelfen?", fragte er etwas genervt und beobachtete ganz genau, wo ich in dem Moment hinschaute.
"Sorry.", murmelte ich verlegen und trat einen Schritt zur Seite.
"Warte!", rief ich aufgeschreckt, als er mir die Tür vor der Nase zuschmeißen wollte.
"Lan was willst du? Mir beim umziehen helfen oder was?", motzte er und schaute mich ungeduldig an.
"Nein, ich...ich hab Essen gemacht. Kommst du runter?", stotterte ich und kratzte mich am Nacken.
"Du hast Essen gemacht?", fragte er ungläubig und legte die Hände an sein Handtuch.
"Von mir aus. Mach die Tür zu.", sagte er eher gelangweilt und winkte in meine Richtung ab. Langsam ging meine Hand zur Klinke und ich zog die Tür leise zu.
"Von außen, Josy.", knurrte er. Erst dann bemerkte ich, dass ich auf der falschen Seite der Tür stand.
"Oh, sorry.", nuschelte ich schnell und hüpfte dann nach draußen. Man, was war das denn gerade?
Ich biss mir auf die Lippe und richtete meine Haare - obwohl das eigentlich komplett unnötig war. Je länger Vladislav nicht hier war, desto bekloppter wurde ich irgendwie.
"Hast du irgendwas genommen, oder warum bist du so komisch drauf?", fragte der Libanese, der mal wieder ohne dass ich es bemerkte hinter mir aufgetaucht war.
"Hä, nein? Wieso?"
"Weil deine Halsschlagader gleich explodiert.", antwortete er und lenkte seinen Blick auf meine Kehle.
"Ich hab mich nur erschrocken. Weil du auf einmal hinter mir warst.", sagte ich schnell, verdeckte meinen Hals mit meinen Haaren und ging dann mit eiligen Schritten nach unten.
"Lass Teller tauschen.", sagte er, nachdem er den gedeckten Tisch ganauestens betrachtet hatte.
"Warum?"
"Ich trau dir nicht. Am Ende hast du da irgendein Scheiß Gift oder so rein gemischt.", sagte er komplett ernst.
"Spinnst du? Ich vergifte doch nicht dein essen?!", stieß ich empört hervor.
"Dann komm her und nimm ne Gabel voll.", forderte er, drehte ein paar Nudeln auf seine Gabel und hielt sie demonstrierend nach oben.
"Das ist doch bescheuert.", sagte ich kopfschüttelnd und setzte mich an den Tisch.
"Wenn das so bescheuert ist, dann ist es doch kein Problem wenn du das isst. Oder?", machte er weiter und kam zu mir.
"Samra, ich hab dir kein Gift ins Essen gemischt okay?"
"Iss.", brummte er und hielt mir seine Gabel vors Gesicht. Ich schaute ihn genervt an, bevor ich Augenrollend meinen Mund öffnete. Vorsichtig schob er mir die Gabel in den Mund und wartete gespannt ab, bis ich heruntergeschluckt hatte.
"Zufrieden?", fragte ich ihn schluckend.
"Eventuell.", brummte er nur und ging zu seinem Platz.
"Warum denkst du ich würde dich vergiften wollen?", fragte ich, nachdem er endlich angefangen hatte zu essen.
"Weil ihr Schlampen immer hinterlistiger werdet.", schmatzte er. Seine Antwort löste so ein ekelhaftes Gefühl in mir aus, dass ich beinahe meine Gabel fallen ließ.
"Wow. Danke, dass ehrlich bist und sagst was du in mir siehst.", sagte ich verletzt.
"Das war aber noch nett ausgedrückt.", nuschelte er, steckte sich die Gabel in den Mund und grinste mich dann provozierend an. Für einen Moment wollte ich mich mit ihm streiten. Aber dann fiel mir meine Mission wieder ein. Das hier sollte kein Streit werden, sondern eine Versöhnung. Er war aus gutem Grund sauer auf mich, und ich musste mich entschuldigen. Auch, wenn es mir schwer fiel.
"Samra, ich hab das nicht ohne Grund gemacht."
"Was, deine halbe Selstmord-Aktion?", fragte er sofor schnippisch und nippte an seiner Cola.
"Nein! Ich meine das hier. Ich hab das gemacht, weil ich mich...naja, halt entschuldigen wollte. Du hattest Recht, ich hab echt Scheiße gebaut. Ich hab nicht über die möglichen Konsequenzen nachgedacht...und...und darüber, wie sehr ich dich damit..."
"Provoziere?", schnitt er mir das Wort ab, und brachte mich somit aus der Fassung.
"Richtig, du hast nicht nachgedacht. So wie immer. Ich hab echt irgendwie das Gefühl, dass es dich geil macht wenn ich wütend werde.", sprach er und schob sich wieder seine Gabel in den Mund.
"Bitte was?", fragte ich und fing an zu husten, nachdem ich mich fast verschluckt hatte.
"Klar, vielleicht turnt dich das einfach an. Weil Capi sich mehr zurückhält um dir nicht weh zu tun. Das ist dir zu langweilig, deswegen provozierst du mich. Ihr Bitches tickt doch alle gleich.", stellte er selbstsicher fest und konzentrierte sich weiter auf sein Essen. Seine Aussage machte mich so sauer, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Aber ich wollte nicht heulen. Nicht jetzt - und erst Recht nicht vor ihm.
"Hörst du dir eigentlich zu, wenn du redest?", fragte ich mit bebender Stimme.
"Jap.", schmatzte er, ohne mich anzusehen.
"Weißt du, ich hab mir echt Mühe gegeben. Ich hab das hier gemacht um mich zu entschuldigen, weil du jeden Grund hattest sauer zu sein. Aber das was du jetzt machst ist einfach unfair."
Nun sah er von seinem Teller hoch und schenkte mir einen merkwürdigen Blick.
"Das ganze Leben ist unfair. Ist ja okay mit deiner Entschuldigung, nehm ich an. Deswegen bin ich jetzt aber nicht netter zu dir. Ich dachte das wäre klar.", sagte er, stand auf und räumte seinen Teller weg. Kopfschüttelnd beobachtete ich ihn, wie er sich eine Zigarette schnappte und die Balkontür aufschloss. Am liebsten hätte ich ihm den Schlüssel gemopst und ihn ausgesperrt. Aber dann würde es ja nur wieder heißen, dass ich das mache weil ich geil auf ihn bin. Man, dieser Junge konnte manchmal so aufregen.
Genervt erhob ich mich von meinem Stuhl und wollte meinen Teller wegstellen, als ich plötzlich was komisches spürte.
"Fuck.", fluchte ich versehentlich laut und setzte mich schnell wieder hin.
"Was fuck?", fragte der schwarzhaarige und schloss die Balkontür wieder ab.
"Nix.", nuschelte ich und wartete bis er sich umdrehte. Dann stand ich schnell auf und flitzte die Treppen nach oben, ab ins Badezimmer. Ich wühlte meine kleine Badetasche durch, durchsuchte alle Schränke ohne Erfolg und hätte dann am liebsten losgeheult. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mich an Samra zu wenden - auch, wenn das echt oberpeinlich war.
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Mademoiselle
FanfictionJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...