Kapitel 117
Die Fahrt ging nur schemenhaft an Julia vorbei. Sie konnte kaum liegen vor Schmerzen und wusste nicht mehr wo oben und unten ist. Sie wünschte sich Andreas an ihrer Seite. In der Notaufnahme abgekommen sind es für Julia direkt in den Kreißsaal, wo sie von der diensthabenden Hebamme Mechthild in Empfang genommen wurde. „Ich bin Mechthild und wir schauen nun mal, wie weit dein Muttermund geöffnet ist“ sagte sie. Sie half Julia dabei die Hose auszuziehen und untersuchte sie. „Der Muttermund ist fast ganz geöffnet... Es dauert nicht mehr lange, bis du deinen kleinen Schatz in Empfang nehmen kannst“ sagte sie fürsorglich zu Julia. Diese weinte erneut. „Andreas ist noch nicht da... er soll doch dabei sein“ weinte sie. „Er wird es bestimmt schaffen und bis dahin bin ich für dich da“ sagte sie ruhig und hielt Julias Hand.
Andreas war mit den Nerven am Ende und jede noch so kleine Verzögerung ließ ihn fast durchdrehen. „Man, kann der Typ mit seinem scheiß Auto einfach mal schneller fahren“ schimpfte er über einen anderen Autofahrer. Stefan versuchte ruhig und konzentriert zu bleiben und sich aufs Fahren zu konzentrieren, was grade gar nicht so einfach war. Chris versuchte seinen Bruder zu beruhigen und redete ihm gut zu. „Du hast gut reden, du konntest mit Emilia zusammen ins Krankenhaus fahren und warst nicht so weit weg“ pöbelte Andreas. Und im gleichen Moment tat es ihm unfassbar leid, denn als Emilia ihre Fehlgeburt erlitten hatte, war Chris in Düsseldorf gewesen. Er merkte, dass er Chris mit seiner Aussage getroffen hatte. „Chris, es tut mir leid“ sagte er und die ersten Tränen bahnten sich seinen Weg. Er war grade einfach nicht mehr Herr seiner Sinne. Chris wusste, dass Andreas das nicht böse gemeint hatte und es einfach nur eine unbedachte Aussage aus der angespannten Situation grade war. Denn bei Chris saß immernoch sehr tief, dass er in dieser sehr schlimmen Situation nicht an Emilias Seite sein konnte, auch wenn das ganze schon über zwei Jahre her war. „Ich weiß Andreas. Alles in Ordnung“ sagte er verständnisvoll. Er nahm Andreas so gut es ging in den Arm. Chris hoffte sehr, dass sie noch passend in Herford ankamen. Andreas wollte nochmal bei Marius anrufen. „Marius, wurde Julia abgeholt?“ fragte er seinen ältesten Sohn. „Ja, sie wurde mitgenommen. Mehr weiß ich leider auch nicht“ sagte er. „Okay, aber dann ist sie bestimmt schon im Krankenhaus in guten Händen... Wir sind auch gleich da. Ich rufe dich nachher an“ sagte Andreas und legte auf. Sie brauchten noch eine Viertelstunde bis zum Krankenhaus und diese Minuten zogen sich wie Kaugummi. Andreas versuchte Julia auf ihrem Handy anzurufen, aber diese ging natürlich nicht dran.
Julia konnte nicht liegen, sondern lief durch den Kreißsaal und veratmete die Wehen. Und versuchte sich an den Geburtsvorbereitungskurs zu erinnern. Aber außer atmen, atmen, atmen konnte sie grade an nichts anderes denken. Die nächste Wehe war richtig heftig und Julia schrie vor Schmerz. Mechthild war kurz in einem anderen Kreißsaal gewesen aber kam nun wieder zu Julia. Julia lief der Schweiß herunter und sie war völlig ko. „Du schaffst das gleich Julia“ sagte Mechthild motivierend. Mechthild untersuchte Julia nochmal kurz und stellte fest, dass der Muttermund vollständig eröffnet war und es nun wirklich nicht mehr lange dauern würde. Julia stand wieder auf und es kam sofort die nächste Wehe. Diesmal verspürte sie einen heftigen Druck nach unten, das schien die erste richtige Presswehe zu sein. Mechthild rief eine Ärztin hinzu und konzentrierte sich nun auf Julia. Diese stand am Kreißsaal-Bett und die nächste heftige Presswehe übermannte sie. „Julia, schieb schieb. Ich kann den Kopf schon sehen. Bei der nächsten Wehe gibst du alles... du schaffst das“ sagte Mechthild. Julia vergaß alles um sich herum und konzentrierte sich nur auf sich. Die nächste Presswehe kam und sie schrie und presste mit all ihrer Kraft.
Andreas lief ins Krankenhaus und fragte aufgeregt, wo er zum Kreißsaal hin musste. „Stopp junger Mann, ohne Coronatest darf ich hier niemanden reinlassen“ sagte eine Angestellte des Krankenhauses. „Aber meine Freundin bekommt grade unser Baby“ sagte er verzweifelt. „Es tut mir leid, aber ohne negativen Test darf ich hier niemanden reinlassen. Es dauert nur 15 Minuten, dann können Sie direkt zu ihr“ versuchte die Mitarbeiterin Andreas zu beruhigen. Sie konnte verstehen, dass es schnellstmöglich zu seiner Freundin wollte. Aber Vorschrift war Vorschrift und sie hatte keine Lust ihren Job deswegen zu verlieren, so sehr sie ihn auch verstehen konnte. Andreas bettelte förmlich, aber sie konnte nicht nachgeben. Sie führte den Test durch und Andreas tigerte im Foyer auf und ab. Immer wieder warf er einen Blick auf die große Uhr an der Wand. Es waren erst zehn Minuten um und er wurde fast wahnsinnig. „Herr Reinelt. Der Test ist negativ. Sie können rein. Geradeaus in den Fahrstuhl und in die zweite Etage“ sagte die Krankenhausmitarbeiterin. Da der Test eindeutig negativ war, wartete sie nicht 15, sondern nur zehn Minuten, das sollte reichen. Sie hoffte, dass er noch passend kam.
Während Andreas unten auf das negative Testergebnis wartete und danach in Windeseile den Weg zum Kreißsaal auf sich nahm, steckte Julia in den letzten Zügen der Geburt. „Das ist die letzte Wehe Julia... gib alles... dein Baby ist fast da“ sagte Mechthild. Julia versuchte all ihre letzte Kraft zu mobilisieren und brachte ihre kleine Tochter zur Welt. „Sie ist da“ sagte Mechthild. Julia konnte es kaum glauben und fing einfach nur an zu weinen. „Julia, deine Tochter ist da“ sagte Mechthild erneut und nahm das kleine Mädchen hoch, das noch über die Nabelschnur mit Julia verbunden war. Das Baby fing an zu schreien und erst jetzt realisierte Julia wirklich, dass sie grade ihre kleine Tochter zur Welt gebracht hatte. Die Ärztin half Julia sich aufs Bett zu legen und Mechthild legte ihr das frischgeborene Mädchen auf den Brust. Sie deckte Mama und Baby zu. Julia schaute das kleine Wesen an und wusste gar nicht wohin mit ihren Gefühlen. „Hallo mein kleines Wunder“ flüsterte sie. Die Tür vom Kreißsaal ging auf und Andreas kam rein.
An der Tür zum Kreißsaal musste er klingeln und noch warten bis eine Hebamme ihm öffnete. Schon vor der Tür hörte er schreie und als er grade reingelassen wurde, hörte er auch ein Baby weinen. Er hoffte so sehr, dass er es noch passend zur Geburt seiner Tochter schaffen würde. Die Hebamme die ihn hereingelassen hatte, brachte ihn zum Kreißsaal in dem Julia war. Als er das Zimmer betrat, sah er, dass Julia bereits mit ihrer Tochter auf der Brust auf dem Bett lag. Die Hebamme und die Ärztin waren grade dabei die Spuren der Geburt zu beseitigen. „Julia...“ sagte Andreas und rannte auf das Bett zu. Ihm kamen sofort die Tränen in die Augen. „Andreas... da bist du“ sagte Julia erschöpft. „Da ist sie... unsere Tochter“ sagte Julia und musste weinen. „Hallo meine Kleine“ sagte er und streichelte das Neugeborene. „Ich bin so stolz auf dich Julia. So verdammt stolz. Und es tut mir so unendlich leid, dass ich dich nicht unterstützen konnte“ kam es von Andreas. Wäre dieser blöde Test nicht gewesen, hätte er es so grade noch geschafft. Es ärgerte ihn sehr, aber er wusste diesen Ärger nun zu verdrängen. Denn grade war nur eins wichtig, dass Julia eine gesunde Tochter auf die Welt gebracht hatte. Die Hebamme und die Gynäkologin sprachen noch ihre Glückwünsche für die frischgebackenen Eltern aus. „Der Papa ist aber noch rechtzeitig da, um die Nabelschnur zu durchtrennen“ sagte Mechthild. Andreas war froh, dass er wenigstens das noch machen konnte. Voller Stolz und Freude schnitt er diese durch. „Vielleicht nimmst du nun eure Tochter und wir messen und wiegen sie. Frau Dr. Weinert kann dann Julia noch versorgen“ sprach die Hebamme. Während Andreas und Mechthild sich um das neugeborene Baby kümmerten, gebar Julia noch die Plazenta und die Ärztin versorgte ihre Geburtsverletzung. Julia war völlig erschöpft, aber noch voller Adrenalin. „Wie soll eure wunderschöne Tochter heißen?“ fragte Mechthild Andreas. „Wir haben ein paar Namen zur Auswahl, wollten uns aber erst nach der Geburt entscheiden“ sagte Andreas und konnte kaum einen Blick von seiner, in ein Handtuch eingewickelten, Tochter lassen. „Dann macht euch da gleich in Ruhe Gedanken zu, ich komme einfach nachher nochmal aufs Zimmer“ sagte sie verständnisvoll. „Eure Tochter wiegt 3150 g und ist 50 cm groß“ sprach Mechthild und machte ein Foto von dem Baby.
Eine Stunde später waren sie auf dem Familienzimmer angekommen. Es war mittlerweile fast 14 Uhr. Das Baby, immernoch ohne Namen, lag auf Julias Brust und Julia hatte die Kleine auch schon gestillt. Andreas setzte sich neben die beiden und gab Julia einen Kuss. „Unsere Tochter ist so wunderschön“ sagte er leise und streichelte ihre klitzekleine Hand. „Welchen Namen wollen wir ihr geben?“ fragte Andreas. „Nora. Ich möchte gerne, dass sie Nora heißt“ sagte Julia leise. „Das war auch mein Favorit von unseren Namen. Herzlichen Willkommen auf dieser Welt, kleine Nora“ flüsterte Andreas. Julia und Andreas schauten sich überglücklich an. „Hallo Nora“ flüsterte auch Julia und sie konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. Andreas legte seinen Kopf neben den von Julia. „Ich liebe dich“ flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich dich auch“ sagte Julia. „Und welchen Nachnamen soll sie bekommen?“ fragte Andreas und schaute Julia an. „Wenn es dir recht ist, Reinelt“ sagte sie. „Nora Reinelt, das klingt wunderbar“ sagte er. Vielleicht war das nun ein kleines Zeichen, dass sie doch irgendwann heirateten und auch Julia seinen Namen annehmen würde.
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Auf anderen Wegen - Ehrlich Brothers Fan Fiction
FanfictionAuf anderen Wegen Inhalt Vorweg: Die Geschichte ist frei erfunden. Ich habe mir die Ehrlich Brothers lediglich „ausgeliehen" um meinem Hobby, dem Schreiben, nachzugehen. Ich orientiere mich häufig an den Tourdaten/Facebook oder Instragrampostings/Ze...