„Wer hat ihr nur so wehgetan?"

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„Ich weiß ehrlich nicht was ich dazu sagen soll.", brummte Paul und nippte an seinem Kaffee. „Danke für den Kaffee, aber ich muss weiter.", ich wusste das ich hier weg musste, Paul wusste schon zu viel von mir. „Das musst du nicht. Du kannst mit zu mir. Mein Mittbewohner ist eh ausgezogen und ich hab ein Zimmer frei.", wand der Mann neben mir ein und ich schüttelte meinen Kopf. „Lieb von dir, aber ich werde erwartet.", ich lächelte ihn gekünstelt an und drückte ihm meine Tasse in die Hand aus der ich nichts getrunken hatte. „Und wo?", wollte Paul wissen als ich aufstand und gefährlich schwankend los ging. Ich kam zwei Meter weit bis mir schwarz vor meinen Augen wurde und ich umkippte.

„Komm schon Kleine. Mach deine Augen auf.", hörte ich jemanden und spürte sanfte Schläge an meine Wange. Alarmiert riss ich die Augen auf und wollte direkt aufspringen, Paul hielt mich aber fest. „Da ist sie ja wieder.", kam es von meiner anderen Seite und ich wich intuitiv näher an Paul heran. „Schon gut. Das ist einer von den Guten und Notarzt.", beruhigte mich Paul, trotzdem versuchte ich aufzustehen. „Nicht. Du hast mit hoher Wahrscheinlichkeit eine geprellte Rippe und etliche Hämatome. Wir müssen dich in der Klinik gründlich durchchecken.", der Arzt legte mir eine Hand auf den Oberarm und ich riss mich von allen los und sprang auf. „Kleine komm schon. Ich dachte wir hätten geklärt das du mir vertrauen kannst.", wand Paul ein und hielt mir seine Hand hin. „Ich muss los.", stammelnd ging ich immer wieder einen Stück rückwärts und ließ dabei beide Männer nicht aus den Augen. „Wir wollen dir doch nur helfen.", versicherte mir der Notarzt, Dreier stand auf seinem Namensschild. „Mir kann man nicht helfen.", ich drehte mich um und rannte um mein Leben.
„Mädel jetzt bleib stehen oder ich muss meine Kollegen dazu rufen.", hörte ich Paul nur wenige Meter hinter mir, diese Drohung schien mir noch mehr Energie zu verleihen denn ich legte einen Zahn zu. „Verdammt. Bleib stehen.", ich hörte es Pauls Stimme an dass er langsam sauer wurde und mir stiegen die Tränen in die Augen. Er war in den wenigen Stunden, die ich ihn kannte, mehr an meinem Wohnergehen interessiert als meine eigene Mutter in meinem ganzen Leben. Diese Erkenntnis zog mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg, vielleicht waren es auch die regennassen Ziegelsteine gewesen, aber ich rutschte aus und wäre, wenn Paul nicht gewesen wäre, mit dem Kopf auf die Steine geknallt. „Es tut mir leid. Bitte!", rief ich verzweifelt als er mich vorsichtig in den Arm nahm. „Was?", perplex sah mich der Polizist an aber in meinem Kopf gab es nur noch eins: Panik. „Bitte. Tue mir nichts. Ich haue auch nicht mehr ab.", flehte ich wie im Wahn und kniff meine Augen zusammen. „Hey. Es ist alles gut. Ich werde dir nicht weh tun.", versprach Paul und strich mir vorsichtig eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Bitte nicht schon wieder.", kam mir gerade über die Lippen als ich schwere Schritten hinter uns hörte. Panisch krallte ich mich in das Shirt von Paul und versuchte mich so klein wie möglich zu machen.
„Sie scheint eine Panikattacke zu haben.", hörte ich den Arzt mutmaßen und presste mich an die breite Brust des Polizisten. „Wer hat ihr nur so wehgetan?", raunte Paul dem Arzt zu und strich mir vorsichtig über den Rücken. „Es tut mir leid.", nuschelte ich in seine Brust und kniff meine Augen zusammen. „Dir muss nichts leid tun. Ich bin da und kümmere mich jetzt um dich.", versprach Paul und schaffte es mit seiner ruhigen Art das ich mich entspannte. „So ist es gut. Meinst du, du kannst zum RTW laufen?", wollte er wissen und ich riss meine Augen auf. „Ich werde dich nicht allein lassen. Das verspreche ich dir.", der Beamte schien zu merken was ich dachte, daher drückte er mich enger an sich. „Kennst du sie?", ich hörte es der Stimme des Arztes an dass er überrascht war, aber ich war unfähig mich irgendwie zu bewegen. „Ehrlich gesagt nein.", antwortete Paul wahrheitsgetreu. „Sie schient dir aber zu vertrauen, also bleib bei ihr.", wies ihn der Notarzt an und ich hörte wie er aufstand. Paul folgte seinem Beispiel und trug mich zu der Liege des Krankenwagens.

Je näher wir der Liege kamen, desto schneller wurde meine Atmung. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin die Sorte Mann der zu seinem Wort steht. Ich bleib bei dir.", raunte er mir zu und ich nickte ohne meine Augen zu öffnen. Während der gesamten Fahrt in die Klinik hielt Paul meine Hand fest und ich war ihm unendlich dankbar dafür, ich wusste aber auch dass ich ihn bald enttäuschen musste.

Kaum waren wir in der Notaufnahme angekommen, wurde ich nach meinem Ausweis gefragt und ich log den Arzt indem ich sagte dass ich ihn zuhause vergessen hatte. Paul schien mein Namens-Geständnis vergessen zu haben, denn er lächelte mich an und meinte: „Dann sag uns einfach deinen Namen und deine Krankenkasse. Den Rest finden wir schon so raus.".
„Mila. Mila Meyer.", erfand ich einen Namen den der Arzt auf einen Zettel notierte. „Ich müsste mal.", nuschelte ich in Richtung einer Krankenschwester die mich wissend anlächelte und mir half von der Liege zu steigen. „Ich bring Sie hin.", bot sie an, also tat ich als würde ich ihr folgen, während Paul mit dem Arzt zurück bleib um noch ein paar Sachen zu klären. Doch als die Krankenschwester nach rechts abbog und durch eine Doppelschwingtür ging, lief ich aus der Klinik und die Straße hinunter. Zu genau konnte ich mir den Blick von Paul vorstellen wenn er bemerkte, dass ich getürmt war. Aber ich wusste dass es für alle das beste war. Mein Leben bestand aus purem Chaos. Und so gut wie sich Pauls Nähe auch angefühlt hatte, wusste ich das wir viel zu verschieden waren um gut miteinander auszukommen.
Ich lief bis mir jeder Atemzug weh tat und die ersten Arbeitspendler sich auf dem Weg machten. Mit geübten Griffen zog ich einer Dame die Brötchentüte aus dem Fahrradkorb und stopfte sie unter die Jacke von Paul. Schnell zog ich den Reisverschluss zu und lief um die nächste Ecke, bevor die Dame meinen Diebstahl bemerkte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt