„Was würde ich nur ohne euch beiden machen?"

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Weil heute Halloween ist, bekommt ihr von beiden Gesichten einen zweiten Teil.
Habt ihr euch verkleidet?
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„Ich hab direkt alles mitgeschrieben. Wenn ihr wollt könnt ihr jetzt nach Hause und ich melde mich wenn ich weitere Fragen haben sollte.", versuchte Heidi professionell zu sein, aber ich sah ihr an dass meine Aufzählungen sie bis aufs Mark geschockt hatten. „Danke Heidi.", antwortete Martin mit brüchiger Stimme, stand auf und ging aus dem Raum. Überrascht sah ich ihm nach und sah dann zu der blonden Polizistin. „Nimm es ihm nicht übel. Er braucht gerade einen Moment für sich und ist bestimmt frische Luft schnappen.", beruhigte sie mich und lächelte mich sanft an. Zögerlich stand ich auf und ging in den Flur der Wache wo nur noch Marie auf einem der Stühle saß und auf mich wartete. Sofort sprang sie auf und zog mich in ihre Arme. „Wo ist Papa?", nuschelte ich in ihre Brust und fühlte mich so schrecklich müde und einsam. „Er ist an mir vorbei gelaufen. Ich weiß nicht wo er ist. Aber er hat jetzt eh Dienst, daher müssen wir nicht auf ihn warten.", erklärte meine Stiefmutter leise und wollte mich zur Eingangstür der Wache schieben, aber ich schüttelte meinen Kopf. „Ich muss erst sicher sein dass es ihm gut geht.", bat ich und löste mich von ihr. „Bist du sicher?", besorgt sah mich Marie an und atmete tief durch als ich nickte. „Dann komm. Wir fragen Klaus mal ob er weiß wo Martin sein könnte.", sie nahm meine Hand in ihre und gemeinsam gingen wir zum Büro des Dienststellenleiter, der uns den Weg zum Fitnessraum der Wache beschrieb.

Schon von weitem konnte man hören wir jemand aggressiv auf etwas einschlagen. „UND?! WIE FÜHLT SICH DAS AN?", brüllte mein Vater dabei immer wieder und Marie und ich sahen uns schockiert an. Schnell liefen wir auf den Raum zu und sahen durch die Glastür wie Martin wie von Sinnen auf einen Boxsack einschlug. „Martin?", versuchte meine Stiefmutter zu ihrem Mann durchzudringen, aber er war so in Rage dass er nicht um ihn herum wahrnahm. Ich schob mich an Marie vorbei und wollte auf meinen Vater zugehen, sie griff mich aber am Oberarm und zog mich wieder zurück. „Keine Sorge, ich weiß was ich tue und hab Übung darin Schlägen auszuweichen.", versicherte ich ihr und löste ihren Griff um meinen Oberarm.
Einige Augenblicke lang scannte ich Martins Bewegungsabläufe und stellte recht schnell ein Muster fest. In der nächsten kurzen Schlagpause, eilte ich auf ihn zu, stellte mich vor ihn und schlang meine Arme um seinen Oberkörper. Er schlug noch zweimal auf den Boxsack ein und kam dann wieder zu sich. „Mila? Wie kommst du hier her?", keuchte er außer Atem und ließ seine Arme sinken. Das nutze Marie aus, kam schnell auf uns zu und umarmte ihren Mann von hinten. „Marie?", überrascht sah mein Vater über seine Schulter.
„Wir haben uns sorgen um dich gemacht und Klaus meinte du wärst hier.", erklärte Marie und Martin griff nach hinten um seine Frau vor sich zu ziehen und uns beide in den Arm zu nehmen. „Was würde ich nur ohne euch beiden machen?", hauchte er und drückte uns an sich. „Du hättest die nächsten Wochen mit Blasen an den Händen arbeiten müssen.", hörten wir Klaus, vom Türrahmen aus, scherzen und ich hob meinen Kopf von der Brust meines Vaters. „Danke für den Tipp Onkel Klaus.", ich lächelte ihn dankbar an und wollte mich wieder an Martin lehnen, der Gesichtsausdruck vom Dienststellenleiter ließ mich aber stutzig werden. „Onkel?", wiederholte er leise und kam einen Schritt auf uns zu. „Du hast doch gemeint ich bin deine Nichte. Also bist du mein Onkel. Oder war das falsch?", erwiderte ich und sah zu Marie, die mit glasigen Augen ihren Kopf schüttelte. „Sie hat doch recht, Stöpsel. Wir beide sind wie Brüder. Logisch das mein Kind dich Onkel nennt.", bekräftigte mein Vater meine Aussage und grinste seinen besten Freund breit an.

„Wir machen uns heute einen richtigen Mädels-Abend.", freute sich Marie als wir eine Stunde später aus der Wache traten. „Du willst mit mir Wein trinken?", ich sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an, da ich beim Wort 'Mädels-Abend' an die betrunkende Olga und ihre Freundinnen denken musste. „Was nein. Wir machen uns eine Gesichtsmaske, lackieren die Fingernägel, essen ganz viel Süßkram und schauen Serien.", erklärte Marie, harkte sich bei mir unter und zog mich zum Familienwagen. Auf dem Weg nach Hause hielten wir noch an einem XXL-Supermarkt und kauften Chips, Eis, einige Nagellacke und Gesichtsmasken und sogar auch ein paar Flaschen teure Limonade ein.


„Nein, wirklich. Als dein Vater mich zu unserem ersten Date abgeholt hat, ist er auf einem Hundehaufen ausgerutscht.", japste Marie und nahm sich noch ein Gummibärchen. „Wie genial ist das denn? Ich dachte dass er der taffe Kerl ist, dem nie was peinliches passiert.", kicherte ich und wischte mir die Lachtränen aus dem Gesicht. „Ich könnte dir Geschichten erzählen....", keuchte meine Stiefmutter und fing wieder an laut zu lachen. „Dann los. Ich will alles über Papa wissen.", bat ich sie und hielt ihr meine rechte Hand hin. Die Linke hatte sie schon in einem knalligen Blau lackiert. „Also, als er mir einen Antrag gemacht hat, war er so nervös dass er keine zwei Wörter am Stück sagen konnte. Der Schweiß lief ihm in gefühlten Bächen die Stirn herab. Er hat sogar den Ring fallen lassen.", erzählte Marie und verstrich den Nagellack auf meinem Zeigefingernagel. „Und du hast trotzdem Ja gesagt?", neugierig sah ich sie an und nahm mir auch ein Gummibärchen.
Wir waren so in unser Gespräch vertieft dass wir nicht merkten das Paul und Martin ins Haus kamen. „Natürlich. Ich liebe deinen Vater mit jeder Faser meines Körpers. Warte nur ab, mit Paul wird es dir bald ähnlich gehen.", sie lächelte mich breit an und ich wurde direkt rot. „So weit sind wir noch lange nicht. Ich fühle mich wohl bei ihm und vertraue ihm. Aber ich weiß nicht ob....", ich ließ den Satz unvollständig im Raum stehen, weil ich nicht wusste wie ich ihr meine Sorgen erklären sollte. Paul war mein erster Freund, der erste der mich geküsst hatte und der erste der wirklich um mich besorgt war. Aber was ist wenn das alles für ihn nur ein Zeitvertreib war? Ich nur wegen meiner Vergangenheit interessant war? „Ach Mila, glaub mir Paul meint es erst. Ich meine er ist dir buchstäblich hinterher gerannt und ist sogar Mitten in der Nacht quer durch die Stadt gefahren, weil du einen Albtraum hattest.", zählte sie auf und ich fing breit an zu lächeln.
„Stören wir?", unsere Köpfe schnellten zur Wohnzimmertür in der Martin und Paul standen und uns breit anlächelten. „Ihr doch nicht.", lachte Marie und warf ihrem Mann einen Luftkuss zu. In der Hoffnung das die beiden unser Gespräch nicht mitbekommen hatte, lächelte ich Paul an und biss mir auf die Unterlippe als er mir mit seinem typischen Lächeln zuzwinkerte.

Zu viert saßen wir noch gute zwei Stunden im Wohnzimmer und aßen das Knabberzeug auf, während Marie meine Finger zu Ende lackierte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt