„Ich will bei euch bleiben. Hier bekommen sie mich nicht."

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„Da bist du ja schon.", entfuhr es Marie als ich keine zehn Minuten später, in trockener Kleidung ins Wohnzimmer kam und die nasse Kleidung in der Hand hielt. „Ich wusste nicht wohin damit. Wo ist denn euer Wäscheständer damit ich die Sachen aufhängen kann?", erkundigte ich mich und biss mir nervös auf die Unterlippe. „Quatsch Wäscheständer. Ich warte noch auf Pauls Kleidung und dann kommen die Sachen in den Trockner. Vielleicht sogar in die Waschmaschine.", antwortete Marie und nahm mir die Sachen aus der Hand. „Setzt dich, Martin werkelt gerade in der Küche für euch.", ließ sie mich wissen, bevor sie aus dem Raum gehen wollte. Im Türrahmen blieb sie noch einmal stehen. „Wenn dein Vater später zur Nachtschicht aufbricht will ich alles wissen.", mit einem wissenden Lächeln zwinkerte sie mir zu und ging weiter.

Nervös aber auch gleichzeitig voller Glückshormone setzte ich mich auf das Sofa und nahm mir eine Traube aus der Obstschale auf dem Couchtisch. „Ich hoffe du hast Hunger.", Martin kam mit einem Tablett in den Händen ins Wohnzimmer und ich hielt ertappt in meiner Bewegung innen. „Du darfst die Traube ruhig Essen.", beruhigte mich mein Vater und lächelte als ich die Traube nun vollständig in meinen Mund steckte.
Es dauerte gute fünfzehn Minuten bis Paul in das Wohnzimmer kam und sich die nassen Haare aus dem Gesicht strich. „Danke für die Sachen, Martin. Die bringe ich dir morgen frisch gewaschen wieder.", versprach der Oberkommissar und setzte sich zu uns aufs Sofa. „Als würdest du eine Ausrede brauchen um her zu kommen.", lachte Marie und drückte Paul eine heiße Tasse Tee in die Hand. „Danke auch an dich.", raunte Paul ihr zu und nahm einen kleinen Schluck aus der Tasse. „Hättet ihr euch nicht unterstellen können?", wollte Martin wissen und sah uns beide mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Wir waren hier ganz in der Nähe und dachten es ist besser wenn wir direkt her kommen.", antwortete Paul und warf mir einen raschen Blick zu der mir sofort das Blut in die Wange schießen ließ.
„Ja ne, ist klar.", brummte mein Vater und ich wäre am liebsten mit dem Sofa verschmolzen. „Musst du nicht langsam los?", lenkte Marie das Gespräch auf ein anders Thema und Martin sah direkt auf seine Armbanduhr. „Ich hab noch zwei Stunden.", erwiderte er und schob den Teller mit den Butterbroten näher an mich heran. Da ich langsam müde wurde, stellte ich meine halbvolle Tasse auf den Couchtisch und zog meine Knie an meine Brust heran. „Alles gut?", Paul rutschte näher an mich heran und legte mir eine Hand auf mein Knie. „Jep.", antwortete ich nuschelnd und versuchte gegen den Drang anzukämpfen mich an ihn zu lehnen. „Hier.", hörte ich Marie sagen und sah wie sie Paul eine Sofadecke reichte. Ehe ich mich versah legte mir der Oberkommissar die Decke um meinen Körper und setzte sich so eng neben mich dass ich nicht anders konnte als meinen Kopf an seine Schulter zu lehnen. „Willst du nicht lieber ins Bett?", wand sich Martin an mich aber ich schüttelte meinen Kopf. „Ich will bei euch bleiben. Hier bekommen sie mich nicht.", murmelnd schloss ich meine Augen und war im nächsten Moment eingeschlafen.

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, lag ich alleine in meinem Bett. Nervös sah ich mich um und entdeckte einen Brief der auf dem Kopfkissen lag, auf dem Paul in meiner ersten Nacht hier geschlafen hatte. 'Hey Mila. Ich musste irgendwann leider los zur Frühschicht, sonst hätte ich dich noch länger auf meinem Schoß schlafen lassen. Ich hoffe du hast gut geschlafen und das wir uns bald wieder sehen. Paul.', stand drauf und ich fing direkt an zu lächeln.
Mit einem regelrechten Schmetterlingsschwarm in meinem Bauch ging ich zuerst auf die Toilette und ging dann runter in die Küche. An sich wollte ich mich um das Frühstück kümmern, da es noch recht früh war, aber Marie war schon auf den Beinen und saß am Küchentisch. „Guten Morgen.", begrüßte sie mich direkt und legte das Buch, das sie gerade noch gelesen hatte, auf den Tisch. „Wieso bist du so früh wach?", erkundigte ich mich und setzte mich ihr gegenüber hin. „So leise wie Martin denkt ist er nicht wenn er ins Bett geht.", erklärte sie und stand auf. „Ich hab ihn gar nicht gehört.", ließ ich sie wissen und brachte sie so zum lachen. „Dann hast du den tiefen Schlaf deines Vaters geerbt. Du hast es ja nicht mal mitbekommen wie Paul dich in dein Bett getragen hat.", wies sie mich hin und drückte ein paar Knöpfe auf der Kaffeemaschine die direkt anfing zu zischen. Unfähig was zu sagen ließ ich meinen Blick aus dem Fenstern wandern und hing meinen Gedanken nach.
„Erzählst du mir jetzt von eurem Spaziergang?", holte mich meine Stiefmutter wieder in die Realität zurück und stellte die Kaffeetasse vor mir ab. „Es gibt gar nicht so viel zu erzählen.", antwortete ich wage, konnte aber das Lächeln nicht unterdrücken dass auf meinem Gesicht erschein als ich an den Kuss dachte. „Ja, so siehst du auch aus.", lachte Marie und nippte an ihrem Kaffee. „Aber du sagst Martin nicht?", ging ich auf Nummer sicher denn ich wollte unbedingt mit jemanden reden und Marie war meine einzige Freundin. „Meine Lippen sind versiegelt.", versprach sie, also erzählte ich ihr von der Schaukel und dem Kuss. „Und? Hat es sich gut angefühlt oder sollte ich mal ein Wörtchen mit ihm reden?", harkte sie nach und sah mich gespannt an. „Es war großartig. Jetzt verstehe ich auch die ganzen Frauen in den Büchern die ich gelesen habe.", erklärte ich und nahm den letzten Schluck aus meiner Tasse. Gerade als Marie antworten wollte hörten wir schwere Schritte auf die Küche zukommen. Im ersten Moment hatte ich Angst das Hubert mich gefunden hatte und mich seine ganze Wut spüren lassen würde, aber als ein völlig verschlafener Martin in der Tür auftauchte entspannte ich mich. „Guten Morgen Schatz. Kaffee wie immer?", erkundigte sich Marie und stand auf als Martin wortlos nickte.
Erst als er einen großen Schluck des Wachmachers genommen hatte, klare sein Blick auf und er sah von seiner Frau zu mir. „Will ich wissen worüber ihr geredet habt?", brummend nahm er Marie das Brötchen aus der Hand und biss selber hinein. „Wir haben gerade darüber gesprochen wo wir heute als erstes hinfahren. Mila braucht endlich eigenen Sachen.", flunkerte Marie und strahlte ihren Mann an. „Das hab ich schon geregelt. Später kommen Jule und Hannah und gehen mit Mila shoppen. Wir beide haben eine andere Mission.", kam es wage von meinem Vater und ich sah ihn überrascht an. „Jule und Hannah?", wiederholte ich und kramte in meinem Kopf ob ich die Namen schon mal gehört hatte. „Ja, zwei junge Kolleginnen von mir. Ich dachte es macht dir mehr Spaß mit denen shoppen zu gehen als mit deiner Mutter.", erklärte er und mir fiel meine Tasse aus der Hand. „Mila?", erschrocken sah mich Marie an und Martin legte mir seine Hand auf den Unterarm. Ich aber starrte zwischen den beiden hindurch und sah meine Mutter mit dem Metallrohr vor mir. „Deine Wortwahl.", mutmaßte die Hauseigentümerin und mein Vater schlug sich selber mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich meinte Marie. Nicht Olga. Ich würde nie zulassen dass sie dir noch mal zu nahe kommt.", versuchte Martin mich zu beruhigen und ich nickte, ohne die Miene zu verziehen. Erst als es an der Tür klingelte kam ich wieder zu mir und schüttelte meinen Kopf um die Erinnerungen aus meinem Kopf zu bekommen.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt