„Ich nehme an sie freut sich?"

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Da mir die ganze Situation unangenehm war, presste ich mir die Tüte, in die ich Martins Sachen gestopft hatte, an meine Brust. „Dafür hast du keinen Grund. Du siehst großartig aus.", beruhigte mich Hannah und kam auf mich zu. „Du hast leicht reden. Ich hab mich ja noch nicht mal gesehen.", brummte ich und sah mich nach einem Spiegel um. „Dann komm.", die Blondine nahm mir die Tüte ab und zog mich vor einen, noch verhangenen, Spiegel. „Bereit?", wollte Jule wissen und zog, als ich nickte, das Tuch hinunter.
Von der Frau die mir vor ein paar Tagen noch völlig fremd war, war nichts mehr zu sehen. Nun strahlte mich eine junge Frau an, die einen dunkelblauen Pullover und eine enge schwarze Jeans trug. Die Haare, die am Morgen noch in gefühlten Fetzen und ohne jeglichen Schnitt bis zu den Achseln gingen, waren nun durch gestuft und gingen bis zum Schlüsselbein. „Und was sagst du?", Jule stellte sich neben mich und strahlte als hätte sie im Lotto gewonnen. „Ich weiß nicht was ich sagen soll.", gestand ich und konnte meinen Blick nur mühsam von meinem Spiegelbild reißen. „Wenn du mal Lust auf Farbe hast, lass es mich wissen. Ich hab so viele Ideen.", bat mich der Friseur und eilte dann auf eine Dame zu die gerade den Salon betrat.
„Jetzt lass uns dich heim bringen.", entschied Hannah und so gingen wir drei zu ihrem PKW.

Während der Fahrt zum Haus meines Vaters wurde ich langsam nervös. Nicht weil ich auf Martins Reaktion gespannt war, sondern weil ich wissen wollte was Paul von meinem Umstyling hielt. Viel zu schnell hielt Hannah in einer Parkbucht und stieg gemeinsam mit Jule aus. „Komm schon Mila. Dein Vater sitzt bestimmt schon auf heißen Kohlen.", lachte Jule als sie mein Zögern bemerkten. „Ist er nicht sauer dass ich so viel Geld ausgegeben habe?", wand ich ein als mein Blick auf die beiden prall gefüllten Tüten in Hannahs Händen fiel. „Quatsch. Er ist eher sauer dass wir so wenig ausgegeben haben.", lachte Jule und griff nach meiner Hand und mich hinter sich her zu ziehen.

Als Marie die Tür öffnete schlug sie sich die Hände vor den Mund. „Sehe ich so schlimm aus?", wollte ich besorgt wissen und sah an mir runter. „Nein, eher im Gegenteil. Ich hab dich im ersten Moment fast nicht erkannt. Deine Augen strahlen jetzt richtig.", beruhigte mich die Hausherrin und drückte mich an sich. „Die anderen werden Augen machen.", raunte sie mir zu als auch sie mich an der Hand nahm und hinter sich her zog. Ich war über diese Reaktion zu überrascht als ich das 'die anderen' registriert hätte.
„Schaut mal wen ich hier habe!", rief meine Stiefmutter in das Wohnzimmer und brachte so alle Anwesenden dazu ihre Gespräche zu unterbrechen und mich anzusehen. „Mila?", Martin stand auf und ließ seinen Blick meinen Körper hoch und runter gleiten. „Gut siehst du aus, Trouble.", ließ mich Stephan wissen und ich lief direkt rot an. Gespannt sah ich zu Paul der mich mit offenen Mund anstarrte und erst wieder zu sich kam als Stephan ihn mit dem Ellenbogen in die Seite stieß. „Hallo Mila.", stammelte er und fuhr sich verlegen durch die Haare. „Du bist uns später noch eine Gesichte schuldig.", raunte mir Jule zu, als sie sich an mir vorbei quetschte und neben Stephan auf das Sofa fallen ließ.

„Was macht ihr alle hier?", wollte ich von den Anwesenden wissen und versuchte so das Thema weg von mir zu lenken. „Falls du es vergessen haben solltest, ich wohne noch hier. Und die anderen haben mir bei etwas geholfen.", antwortete Martin und sah zu Klaus, der lachend aufstand.
„Wieso zeigst du ihr das nicht einfach?", half er meinen Vater auf die Sprünge und schlug ihm sanft auf die Schulter. Langsam wurde ich nervös und sah zu Paul der mich mit seinem typischen Lächeln ansah und nickte. „Komm.", bat Martin und ging voran. Ich folgte ihm und Marie war dicht hinter mir. „Wenn es dir nicht gefällt kann du es ruhig sagen.", ließ mich mein Vater noch wissen, bevor er meine Zimmertür öffnete und einen Schritt zur Seite machte. Mir entglitten meine Gesichtszüge als ich in mein Zimmer trat und mich umsah. Der Raum, der vor einigen Stunden noch spärlich eingerichtet war, sah jetzt mehr aus wie ein richtiges Zimmer. Das Bett war geblieben und da wo vorhin der Schrank stand, stand jetzt eine Kommode auf der ein Fernseher stand. Neben dem Bett stand ein neuer, größerer Schrank mit einem großen Spiegel. In der einen Ecke des Raumes lag ein Sitzsack und in der andern Ecke entdeckte ich ein großes Bücherregal. „Die Harry Potter Bücher.", murmelte ich als ich mir das Bücherregal genauer ansah. „Ja, Paul hat mir erzählt das du begonnen hast den ersten Teil zu lesen. Da dachte ich mir, ich besorge dir die andern Teile auch.", hörte ich Martin sagen und drehte mich zu ihm um. „Außerdem haben wir auch deinen Balkon aufgehübscht, aber sieh selber.", kam es von Marie und ich ging mit raschen Schritten auf die geöffnete Balkontür zu und blieb erstaunt stehen. In der Mitte des Balkons stand ein Tisch mit drei Stühlen und um das Geländer war eine Lichterkette gewickelt. „Jemand hat sein Handy vergessen.", rief ich über die Schulter, als ich das Mobiltelefon auf dem Balkontisch entdeckte, und sah wie Marie und Martin einen raschen Blick wechselten. „Das ist deins.", erklärte mein Vater und trat zu mir auf den Balkon. „Bitte?", in der Annahme das ich mich verhört hatte sah ich zu Marie die mich breit anlächelte. „Aber warum?", wollte ich von Martin wissen und sah ihn mit großen Augen an. „Damit du uns immer erreichen kannst, wenn was ist.", erklärte er und da konnte ich nicht anders als ihm um den Hals zu fallen. „Schon gut Kleine.", hauchte mir mein Vater ins Ohr und drückte mich noch enger an sich.
„Ich nehme an sie freut sich?", hörte ich Paul aus dem inneren meines Zimmer und löste mich von Martin. „Ihr habt alle geholfen?", mit glasigen Augen ging ich mein Zimmer und fand dort nicht nur Paul vor, sondern auch Stephan, Klaus, Jule und Hannah. „Natürlich. Wir konnten doch nicht zulassen dass du in so einem kahlen Zimmer hausen musst.", lachte Klaus und ignorierte den Blick den ihm Martin zuwarf. „Was die richtige Dekoration angeht haben wir beide morgen ein Date.", erklärte Stephan und lächelte mich breit an. „Wir drei.", korrigierte ihn Paul und ich konnte mein Glück nicht fassen. Jahrelang hatte ich gedacht das die Polizisten das Böse in Person waren und nun standen sechs davon vor mir und scheuten weder Mühe noch Geld um mein Leben so angenehm wie möglich zu machen. „Ich weiß nicht wie ich euch je dafür danken soll.", stammelte ich mit tränenerstickte Stimme und spürte wie sich die erste Träne ihren Weg über meine Wange bahnte. „Ach Mila.", entfuhr es Paul als er auf mich zu kam und mich an seine breite Brust zog.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt