„Muss ich dich wirklich wieder fragen?"

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„Ich hab ein Problem.", hauchend öffnete ich meine Augen und sah wie Robert anfing zu strahlen. „Ist das schon eine Essstörung? Muss ich jetzt in eine Klinik?", panisch sah ich mich im Raum um, um einen Fluchtweg zu finden sollte der Therapeuten nicken.
„Das werde ich dir beantworten, wenn wir auch Paul gehört haben und ich weiß ob das gerade nicht nur ein kurzer Hoffnungsschimmer war. Okay?", antwortete Robert und wartete mein Nicken ab bevor er tief durchatmend meinen Freund holte. Währenddessen griff ich mir ein Sofakissen und legte es mir, wie schon so oft in den letzten Tagen, auf den Schoß sodass es meinen Bauch verdeckte.

„Danke für ihre Geduld Paul. Ich bitte Sie Mila zu beschreiben. Sagen Sie einfach das was Ihnen als erstes einfällt. Es gibt kein richtig oder falsch.", bat Robert nun auch Paul der sich neben mich setzte und besorgt musterte. „Ich soll sie beschreiben?", harkte der Oberkommissar nach und sah verwirrt zwischen meinem tränenverschmierten Gesicht und dem Therapeuten hin und her. „Ja, versuchen Sie es einfach.", machte Robert Paul Mut der sich darauf hin zu mir drehte und mich einfach ansah.
Ohne ein Wort zu verlieren, griff er nach dem Sofakissen, dass ich mir vor dem Bauch hielt. Ich wollte mich wehren, aber als ich den flehenden Gesichtsausdruck meines Freundes sah, ließ ich mir das Kissen, dass für mich wie eine Schutzmauer war, abnehmen.

„Okay, ich sehe deine Haare, die immer so gut nach dir riechen. Ich sehe deine Augen, die mich immer wieder neu in ihren Bann ziehen. Ich sehe deine Nase von der ich hoffe das sie unsere Kinder bekommen. Deine Lippen die so weich sind, dass ich sie die ganze Zeit küssen möchte. Ich sehe deinen Körper der wunderschön ist. Deine Hände die so perfekt in meine passen. Deine Beine die dich in mein Leben getragen haben. ", zählte Paul auf und strich mit seinen Fingern federleicht über die Körperstellen die er gerade beschrieb.
„Was für mich aber viel wichtiger ist, ist dein innerstes. Ich liebe alles an dir. Deinen Mut, deine Stärke und deinen Überlebenswille. Dein Lachen, das mich jedes mal glücklich macht wenn ich es höre. Deine Freunde wenn du feststellst dass auch du uns was beibringen kannst. Das Strahlen in deinen Augen wenn du was neues gelernt hast. Dass du dich im Schlaf noch an mich kuschelst, als hättest du Angst ich würde verschwinden. Ich liebe es mit dir Zeit zu verbringen, selbst wenn es nur im Bett liegen und Filme schauen ist. Ich liebe es dich in meinen Armen zu halten, weil ich dann erst das Gefühl habe vollkommend zu sein. Ich liebe deinen einzigartigen Duft, der eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Ich liebe deinen Humor der mich immer zum Lachen bringt, egal wie mies meine Laune auch sein mag. Ich liebe selbst dein Schnarchen, dass du wohl von Martin geerbt hast, denn ohne kann ich nicht mehr einschlafen. Wie du merkst könnte ich noch ewig weiter reden, aber dann würde Robert bestimmt Rot wie ein Feuerwehrauto werden. Aber glaub mir wenn ich dir sage dass ich dich immer wieder daran erinner werde wie besonders, wie atemberaubend, wie unverzichtbar du bist. Ich weiß das du dir sorgen machst, weil du ein paar Gramm zugenommen hast. Aber das ist mir so egal wie die neusten Eskapaden von Miley Cyrus. Das Gewicht ist nicht das was einen Menschen auszeichnet. Es sind, wie ich schon sagte, die inneren Werte. Und dein Innerstes strahle wie ein Diamant, dein Äußeres ebenfalls. Vielleicht strahlt es so hell dass es dich blendet und du es deswegen nicht siehst. Wir lieben dich. Ich liebe dich.", gestand Paul und sah mir während der gesamten Zeit tief in die Augen.
„Ich liebe dich auch.", erwiderte ich leise und lehnte meine Stirn an die meines Freundes.

„So gerne ich euch auch den Moment geben würde, aber ich müsste jetzt noch mal kurz mit Mila allein reden. Können Sie in der Küche warten bis ich sie drei rufe, Herr Richter? Und bitte sprechen Sie mit den anderen nicht über das hier. ", durchbrach Robert die Stille und Paul brummte etwas das ich nicht verstand. Ich lehnte mich wieder zurück und wollte meinen Freund traurig an lächeln, als der seine Lippen auf meinen Mund drückte und sich erst löste als sich der Therapeut lauthals räusperte.
Kaum war die Wohnzimmertür hinter Paul ins Schloss gefallen sah mich Robert an. „Muss ich dich wirklich wieder fragen?", scherzte er mit einem schiefen Lächeln als ich schwieg.

Trotzdem schwieg ich. Nicht weil ich nicht die Antwort wusste, sondern weil ich nicht mich nicht traute es auszusprechen. „Trau dich Mila. Du kannst mir vertrauen, denn ich vertraue dir auch.", machte mir Robert Mut und ich nickte. „Ich... ich bin nicht... wieso fällt mir das so schwer zu sagen?", fluchend fuhr ich mir durch die Haare. „Der erste Schritt ist immer der schwerste. Erinnere dich wie lange du es herausgezögert hast von den Maurers zu fliehen. Wie schwer es war Tabea und Max anzuzeigen. Und es ging immer gut aus, oder?", antwortete Robert und ich nickte. „Wenn man davon absieht das ich Olga erst eine Kugel verpassen musste damit sie mich in Ruhe lässt. Und selbst da hat sie es fast geschafft dass ich eine... eine Essstörung entwickele. Aber damit lasse ich sie nicht durchkommen. Weder mit dem was sie meiner Familie und meinen Freunden angetan hat, noch damit das ich mir weiterhin einrede dass ich fett bin. Denn das bin ich nicht.", sprach ich es endlich aus und hatte das Gefühl als würde ein Zentnerschwerer Stein von meiner Seele fallen.

„Ich bin so verdammt stolz auf dich, Mila.", gestand Robert und unterstrich etwas in seinem Notizbuch. „Das solltest du nicht sein. Ich hab mir von ihr einreden lassen dass ich weniger wert bin, weil ich nicht die Idealmaße habe.", machte ich mich klein und spürte das altbekannte Zittern sich langsam von meiner Magengegend sich in meine Extremitäten ausbreiten. „Sie kennt dich in und auswendig. Denn auch wenn sie sich mit Händen und Füßen dagegen sträubt, ist sie deine leibliche Mutter.", wand Robert ein und sah auf meine Hände. Ich folgte seinem Blick und schloss meine Augen, als ich sah das meine Hände bereits so stark zitterten als würden sie Vibrieren.
„Ist das die Nachwehe von der Panikattacke oder ist das eine neue?", erkundigte sich mein Therapeut und setzte sich zu mir auf das Sofa. „Weiß nicht.", informierte ich ihn keuchend, da ich immer schlechter Luft bekam. Noch ehe Robert was sagen konnte tastete ich meine Hosentaschen ab und wurde mit der Zeit immer verzweifelter. „Was ist los? Was suchst du?", besorgt sah er mich an und sprang auf als ich „Asthma." japste.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt