„Ich hatte eh nicht vor zu gehen, Mila."

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Obwohl mich seine Worte hätten beruhigen müssen, fragte ich mich insgeheim ob er es nur sagte weil meine Eltern anwesend waren. Nachdem das letzte Mädchen ein Foto bekommen hatte und sie zusammen mit den anderen ihre ausgeschiedene Kontrahentin trösteten, bat mich mein Vater umzuschalten. „Aber gleich kommt noch eine Folge.", brummend schaltete aber dennoch um. Wir blieben die ganze Nacht wach und sahen uns irgendeinen Mist im Tv an.

„Mensch, hatte ich nicht gesagt, dass Sie sich ausruhen sollen?", entfuhr es Robert als er pünktlich um neun in das Wohnzimmer kam. „Bin ausgeruht.", erklärte ich ihm und unterdrückte mit größter Not ein Gähnen. „Mila, deine Augen sind knall rot. Ihre auch Frau Fuchs. Und die Herren Beamten könnten in einem Horrorfilm mitmachen.", wand mein Therapeut ein und setzte sich auf dem Sessel auf dem Marie die Stunden davor gesessen hatte.
„Waren halt nicht müde.", brummte Paul und streckte sich ausgiebig. „Ich sehe schon, auf diesem Posten rede ich gegen eine Wand. Worüber kann ich denn mit Ihnen reden?", gab Robert klein bin und zückte sein Notizbuch. „Können wir bitte harmlos beginnen? Ich hab in den letzten 24 Stunden genug geweint.", bat Marie leise und setze sich neben mich auf das Sofa. „Haben Sie denn einen Themen Vorschlag?", wollte der Therapeut gerade von meiner Stiefmutter wissen als es an der Haustür klingelte. „Ich geh schon!", ich sprang auf und eilte in den Flur, wo ich mich erstmal an der Garderobe festhalten musste um nicht umzukippen. Nach ein paar tiefen Atemzügen öffnete ich die Haustür und sah direkt in die bleichen Gesichter meiner besten Freunde.
„Euch geht es wohl wie uns, Trouble.", brummte Stephan als er mich in den Arm nahm. „Ich hab die ganze Nacht kaum geschlafen und einen Albtraum nach dem nächsten gehabt.", gestand Hannah als sie mich ebenfalls kurz umarmte. „Dann kommt mit. Robert ist auch schon da.", informierte ich die beiden und ließ sie vor gehen. Gerade als ich die Haustür zumachen wollte, sah ich wie Klaus auf das Haus zu kam. „Geh ins Wohnzimmer. Die anderen sind auch schon da.", erklärte ich ihm als er vor mir stehen blieb. Mit einem Nicken ging er an mir vorbei und ich folgte ihm, nachdem ich die Haustür geschlossen hatte.

Scheinbar hatte Marie in der Zwischenzeit ein Thema vorgeschlagen über dass alle eifrig diskutierten, sodass es nicht auffiel dass ich schwieg. Hin und wieder streifte Roberts Blick mich, aber ich tat als würde ich denn anderen zuhören als sie über die Zeit an Olgas Heizungsrohr redeten. „Ich hab gedacht ich verliere den Verstand als Trouble auf mal die Treppe hinunter kam.", brummte Stephan und fuhr sich durch sein Gesicht. „Geht mir ähnlich, Stephan. Wobei ich wusste dass sie alles versuchen würde um uns da raus zu holen. Erst recht Marie und Martin.", stimmte ihm Hannah zu. „Ich glaube wir alle haben damit gerechnet aber gehofft dass die Kollegen auf der Wache sie davon abhalten.", wand Klaus ein und sah mich mit einem schiefen Lächeln an. „Sie ist eine Fuchs und kommt halt nach ihrem Vater.", erklärte Martin dem man den Stolz anhören und vor allem ansehen konnte.
Aus Angst dass ich gleich nach etwas gefragt werden würde, tat ich als würde ich langsam einschlafen. „Das Schauspiel lass ich dir heute noch durchgehen, Mila. Morgen sprechen wir allein.", durchschaute mich Robert und ich kniff meine Augen zusammen. „Schauspiel?", wiederholte Marie und ich hörte wie sie aufstand. „Sie weiß was ich damit meine, Frau Fuchs. Machen Sie sich keine Sorgen. Für heute ist unsere Zeit eh um. Wir sehen uns gerne in dieser Konstellation übermorgen. Morgen möchte ich, wie gesagt, allein mit Mila sprechen.", auch Robert stand auf und ich hörte wie noch jemand aufstand und zwei Schrittpaare in den Flur gingen. Kurz danach spürte ich wie Marie mich zudeckte und mir einen Kuss auf die Stirn drückte.
„Ich hab Hunger. Ihr auch? Dann kommt mir in die Küche, es ist bestimmt genug für alle da.", lud meine Stiefmutter alle ein und um mich herum entstand Tumult, Tassen klirrten und Schritte entfernten sich.
Nur Paul blieb sitzen wohl da ich mich an ihn lehnte. „Willst du vielleicht mir sagen was los ist?", raunte mir mein Freund zu, als wir wohl gerade allein waren. Da ich schwieg legte er mir einen Arm um die Hüfte und zog mich näher an sich heran. „Ich weiß dass du nicht schläfst, ich lag genug Nächte neben dir. Aber bitte rede mit uns. Niemand von uns könnte es ertragen wenn du wieder weg wärst.", bat er mich und ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. „Ich will dich zu nichts drängen, denn ich bin mir sicher dass du mit Robert oder einem von uns redest wenn du soweit bist. Aber bitte tu das auch.", setzte Paul nach und nun rann mir eine Träne über die Wange.
„Darf ich dich trösten?", wollte der Oberkommissar besorgt wissen und ich nickte. Noch ehe er sich bewegen konnte kletterte ich auf seinen Schoß und setzte mich so hin, das jeweils eins meiner Knie links und rechts von seinen Oberschenkel waren und ich mich komplett an ihn lehnen konnte. Meinen Kopf legte ich auf seiner Schulter ab. Einen Augenblick später legte er die Decke wieder um mich genauso wie seine Arme und ich fühlte mich wie in einem sicheren Nest. Als hätte mein Körper diese Sicherheit gebraucht ließ er nun all die Tränen frei, die ich in den letzten achtundvierzig Stunden zurück gehalten hatte. „Lass alles raus. Ich pass auf dich auf.", versicherte mir Paul als ich schluchzend Luft holte.
Ich wusste nicht wie lange ich so auf meinem Freund saß und weinte, aber irgendwann spürte ich eine dritte Hand auf meinem Rücken und nahm den unverwechselbaren Geruch meines Vaters wahr. „Ist was passiert?", erkundigte er sich leise bei Paul der direkt seinen Kopf schüttelte. „Sag Beschied wenn ich was tun kann.", bat Martin, als ich meine Hand unter der Decke vorschob und nach der meines Vaters griff. „Ich hatte eh nicht vor zu gehen, Mila.", stellte der Hauptkommissar klar und setzte sich nun richtig auf das Sofa. Nach und nach kamen auch die anderen an und ich presste mein Gesicht in die Halsbeuge meines Freundes um mein Weinen zu verbergen.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt