„Wäre es zu viel verlangt wenn ich dich bitte dass du mir umbringst?"

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„Schau mal. Ein großer blauer Bär.", flüsterte ich meinem Vater zu der kurz das Gesicht verzog. „Bitte was?", der Bär sah mich verwirrt an und ich riss die Augen auf. „Der Bär kann sprechen.", fassungslos sah ich das vermeintliche wilde Tier vor mir an. „Ich wurde schon so vieles genannt, aber Bär noch nicht.", brummte der Bär und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Nimm es ihr nicht übel, Stephan. Oli hat sie voll gepumpt mit Medikamenten.", versuchte Martin mein Verhalten zu erklären als meine Augen noch größer wurden. „Der Bär heißt Stephan? Mein bester Freund heißt aus so!", stellte ich das offensichtliche klar und wollte aufstehen. „Gut zu wissen dass du dich auch noch high an mich erinnerst.", brummte der Bär und ahnte wohl dass ich zu ihm wollte, denn er kam näher.
„Hi Bär.", lallend kippte ich nach vorne und wäre mit dem Gesicht voran auf dem Boden gelandet wenn mich nicht jemand festgehalten hätte. „Lass uns verstecken spielen. Du zählst.", schlug Paul vor und ich war direkt Feuer und Flamme für die Idee. Sofort kniff ich meine Augen zusammen und schaffte es bis vier zu zählen bis ich einschlief.

Als ich wieder aufwachte fühlte ich mich wie auf einer Wolke. Aber als ich meine Augen öffnete war es stockdunkel im Raum und totenstill, nur ein Schnarchen war zu hören. Nach und nach erinnerte ich mich wieder was passiert war, zu mindestens bis ich von Oliver erfahren hatte, dass man mir wohl ohne mein Wissen Blut abgenommen hatte.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, sodass ich eine Gestalt im Sessel vor mir entdeckte. Dem Schnarchen nach zu urteilen war es Martin. So leise wie ich konnte stand ich auf und humpelte in die Küche. Auf dem Weg dahin, schnappte ich mir das Buch in dem mein Vater wohl vor dem Einschlafen gelesen hatte.
Erst als die Küchentür richtig zu war, schaltete ich das Licht ein, kochte mir einen Tee und stellte mir auch die Obstschale zurecht, bevor ich es mir auf einem Küchenstuhl bequem machte und das Buch aufschlug. Schnell zog mich dass Buch 'Verity' in den Bann und ich merkte gar nicht wie die Zeit verfolg. Gerade als es so richtig spannend war, hörte ich gedämpfte Stimmen näher kommen. Da ich unbedingt weiter lesen wollte, drückte ich mir die Hände auf die Ohren, um die störenden Geräusche auszublenden. Aber als dann jemand das Licht in der Küche ausschaltete lies ich augenrollend meine Hände sinken.
„Guten Morgen.", Marie lächelte mich breit an, aber mein Blick glitt zu meinem Vater der völlig außer Atmen hinter ihr stand. „Guten Morgen?", erwiderte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue und sah dann wieder auf das Buch vor mir. „Wie geht's dir?", ließ meine Stiefmutter nicht lockte, also legte ich eine Servierte als Lesezeichen in das Buch und klappte es dann zu. „Ganz gut. Und euch?", antwortete ich in der Annahme dass sie einfach so fragte stutzte aber als ich den Blick von Martin sah. „Wirklich?", harkte er nach und fuhr sich durch die Haare als ich verwirrt nickte.
„Oli hat dir ein paar Medikamente verabreicht von denen du wie betrunken warst.", informierte mich Marie und ich ahnte böses. „Wie schlimm war ich?", wollte ich direkt wissen und vergrub mein Gesicht in meinem Händen, als die beiden mir erzählten wie ich Stephan genannt hatte. „Ich kann dem doch nie wieder unter die Augen treten.", jammerte ich und wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Kopf hoch Kleine. Ich bin mir sicher, dass er das schon wieder vergessen hat.", versuchte Marie mich aufzuheitern aber ich schüttelte wissend meinen Kopf. „Er wird mich damit ewig aufziehen.", prophezeite ich und hörte wie sich jemand neben mich setzte.
„Glaub mir, Stephan hat schon einiges in seiner beruflichen Laufbahn erlebt. Da war das ganze gestern eine willkommene Abwechslung.", versicherte Martin und ich hörte wie die Kaffeemaschine anfing zu brummen.
Wir waren gerade beim Frühstück als es an der Haustür klingelte. Direkt leuchtete in meinem Kopf die dunkelgelbe Lampe auf, ich versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. Gedanklich zählte ich die Personen auf, die kommen könnten um mich mitzunehmen als Marie aufstand um die Tür zu öffnen. Augenblicke später hörte ich ein tiefes Gebrüll das klang als wäre ein Tier vor der Haustür. „Scheinbar ist der Bär da.", lachte Martin und stand auf. „Wäre es zu viel verlangt wenn ich dich bitte dass du mir umbringst?", wollte ich von meinem Vater wissen und sah ihn mit einem verzweifelten Lächeln an. „Zu aller erst, sag so was nie wieder. Und zweitens wird er schon damit aufhören wenn du ihn darum bittest.", erwiderte der Hauptkommissar und stellte zwei frische Tassen unter die Kaffeemaschine.
„Guten Morgen ihr beiden.", begrüßte uns Paul direkt und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Rawr.", lachte Stephan und verstummte direkt als er meinen flehenden Gesichtsausdruck sah. „Noch zu frisch?", harkte er nach und setzte sich neben mich als ich nickte. „Irgendwie fand ich den Spitznamen nicht übel.", gestand er leise und legte mir einen Arm um die Schultern. „Wirklich?", ich sah ihn mit großen Augen an. „Natürlich. Immerhin kam er von meiner besten Freundin.", stellte er klar und lächelte mich sanft an. Glücklich lehnte ich mich an seine Schulter und schloss meine Augen.
„Wo wir das jetzt geklärt haben würde ich gerne wissen was ihr hier macht.", brummte Martin und ich hörte einen dumpfen Schlag. „Ja was denn? Sollen wir Paul gleich ein Zimmer hier geben?", verteidigte sich der Hauptkommissar als ich meine Augen öffnete und sah, wie sich Marie neben ihren Mann aufgebaut hatte. „Warum eigentlich nicht? Dann muss der arme Junge nicht immer klingeln.", wand meine Stiefmutter ein und sah fragend zu Paul. „Also ich kann weiterhin klingeln. Macht mir nichts aus.", wiegelte dieser nach einem raschen Blick zu seinem älteren Kollegen ab. „Paul und ich wollten Mila eh für ihr Geburtstagsgeschenk abholen.", fügte Stephan hinzu und ich löste mich sofort von ihm.
„Mein Geburtstagsgeschenk?", wiederholte ich, da ich mir sicher war dass ich von den beiden persönlich nichts bekommen hatte und daher annahm dass sie bei den Gutscheinen mitgemacht hatten. „Schau nicht wie im Reh im Scheinwerferlicht. Durch die Sache mit Meyer und Höffner hab ich die Sache einfach nach hinten geschoben. Aber beschenkt wirst du von uns sowieso. Und nun komm, wir müssen deine Tasche packen. Mit Robert ist das auch schon geklärt.", informierte mich mein Freund und lächelte mich stolz an.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt