„Noch irgendwelche letzten Worte?"

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Scheinbar waren wir beide eingeschlafen, denn ich wurde von der geflüsterten Diskussion meiner Eltern geweckt. „Nein du lässt die beiden schlafen.", entschied Marie gerade was mein Vater mit einem „Aber ich sollte doch für sie kochen. Ich hab mich so darauf gefreut.", beantwortete. „Und warum hast du dann noch nicht angefangen?", rief ich in den Flur, in dem die beiden vor der halb geöffneten Tür standen. „Siehst du?", hörte ich Martin triumphierend sagen und dann seine Schritte wie sie die Treppe hinunter eilten. „Spinner.", brummte Marie und folgte ihm. „Können wir nicht liegen bleiben?", murmelte Paul schlaftrunken und gähnte herzhaft. „Papa freut sich aber so tierisch darauf für mich zu kochen. Und ich hab vorhin mit Mama ein paar Spiele gekauft, die will ich unbedingt mit euch spielen. Und ihr habt morgen beide frei, das heißt wir können ganz lange spielen.", ich setzte mich auf meine Knie und wippte voller Vorfreude auf und ab. Mit einem breiten Lächeln setzte sich Paul auf. „Was denn?", ich hielt in der Bewegung inne und sah ihn irritiert an. „Ich freu mich einfach nur so, dich so glücklich zu sehen. Und vor allen macht es Marie bestimmt unendlich glücklich dass du sie Mama nennst.", erwiderte Paul und fuhr sich durch die Haare. „Meinst du? Ist das nicht etwas übergriffig?", unschlüssig bis ich mir auf meine Unterlippe. „Wieso? Glaub mir, Marie verhält sich seit Tag eins wie deine Mutter. Ich meine, sie hat Peter eine so heftige Backpfeife verpasst, dass man ihren Handabdruck noch immer sehen kann.", erklärte mein Freund und legte mir eine Hand auf den Oberschenkel. Bevor ich noch was sagen konnte hörte man meinen Vater laut in der Küche fluchen. „Vielleicht sollte ich ihm helfen.", lachte Paul und sprang aus dem Bett. Ich wollte ihm in den Flur folgen als ich hörte wie mein Handy auf dem Fußboden vibrierte. Sofort hatte ich wieder die Nachrichten von Tabea im Kopf und ging mit gemischten Gefühlen zu meinem Handy. Ich vertrödelte so viel Zeit, dass das Vibrieren stoppte. Weil ich wusste dass ich den Abend sonst nicht richtig genießen konnte, nahm ich mein Handy in die Hand und las die 32 Nachrichten von Tabea durch. Anscheinend war sie wieder High oder zu mindestens betrunken. Denn die meisten Nachrichten ergaben keinen Sinn. Aber ich wusste dass sie sauer war, denn in den Nachrichten die ich verstand drohte sie die Personen die mir am nächsten standen auf grausamste Art und weise umzubringen.
„Mila? Kommst du mal bitte?", hörte ich Marie nach mir rufen und ich wusste dass es nur noch eine richtige Lösung für meinen Problem gab. „Komme!", antwortete ich ihr und schaltete mein Handy aus, den den Abend wollte ich noch genießen, bevor am nächsten Tag alles anders werden würde.

„Was ist denn los?", ich kam in die Küche und entdeckte direkt die angebrannten Nudeln. „Wie?", fassungslos sah ich meinen Vater an und stemmte meine Hände in meine Hüften. „Ich hab dich vorgewarnt. Dein Vater kann vieles echt gut. Kochen gehört aber nicht dazu.", lachte Marie und ging zum Kühlschrank. „Ich hab nur kurz nach dem Rezept geschaut und auf mal waren die Nudeln schwarz.", gestand Martin, stellte den Kochtopf in die Spüle und ließ Wasser hineinlaufen. „Also dann doch Pizza? Wenn ich mich recht erinnere habt ihr alles dafür da.", schlug ich vor und öffnete das Küchenfenster um den Rauch aus der Küche zu bekommen. „Wir haben ein Pizza-Kit da?", mit großen Augen sah mein Vater seine Frau an die ihren Kopf schüttelte. „Ich meinte eher dass ihr alles für einen Hefeteig habt. Der Belag ist ja für jeden was anders.", erklärte ich und zog zielsicher die ersten Zutaten aus den Regalen. „Aber ich wollte doch kochen.", traurig sah mich Martin an und half mir dabei, die Mehlpackung aus einem der hohen Hängeschränke zu holen. „Dann kannst du mir helfen. So wird es eine gemeinsame Sache.", erwiderte ich und Martins Gesicht hellte schlafartig auf. „Eine Vater-Tochter-Pizza?", harkte der Hauptkommissar nach und war direkt Feuer und Flamme für die Idee. Gemeinsam fingen wir an die Zutaten in die Schüssel zu geben und blendeten Marie und Paul komplett aus. Die beiden schien das aber nichts auszumachen, denn sie gingen ins Wohnzimmer und ließen uns allein.

„Siehst du? Ist doch gar nicht so schwer.", ich wies auf den Hefeteig der bereits auf dem Backblech lag und auf seinen Belag wartete. „Wirklich. Aber ich hab keine Ahnung ob ich das das nächste Mal allein schaffe. Da musst du mir wohl noch mal helfen.", wollte mir mein Vater weiß machen aber ich durchschaute ihn direkt. „Wenn du mit mir kochen willst, musst du das nur sagen.", ließ ich ihn wissen und blies ihm etwas Mehl ins Gesicht. Geschockt sah Martin mich an aber ich tat als wäre nichts gewesen. „Das Spiel können zwei spielen.", brummte mein Vater und griff in die Mehltüte. „Bitte nicht.", abwehrend hob ich meine Hände, was aber zwecklos war den kurz darauf war ich mit einer feinen Mehlschicht bedeckt. „Das gibt Krieg!", zischend nahm ich mir die gesamte Mehlpackung und schleuderte sie Martin entgegen. Ohne Zeit zu verschwenden und ohne großartig hinzusehen griff der Hauptkommissar den nächsten Gegenstand auf der Arbeitsfläche – ein übergebliebenes Ei. „Noch irgendwelche letzten Worte?", mit einem breiten Lächeln hielt er das Ei über meinem Kopf und ich hörte es schon gefährlich knacken. „Hast du denn heute schon deine Portion Milch gehabt?", ich griff die Milchpackung und schraubte den Verschluss ab. Dickköpfig wie wir waren wollte keiner als erstes klein beigeben.
Als ich spürte wie mich ein Tropfen Eiweiß traf, verengte ich meine Augen zu Schlitzen und goss meinem Vater den letzten Rest Milch auf das T-Shirt. „Mila!", rief er und ballte seine Hand in der er das Ei festhielt – somit landete auch der Rest des Eies auf meinem Kopf. „Papa!", entfuhrt es mir und ich griff nach der Zuckerpackung als die Küchentür aufgerissen wurde.
„Was ist denn hier los?", entgeistert sah uns Marie an und Paul hielt breit lächelnd sein Handy in der Hand. „Schuldigung, Marie.", nuschelten mein Vater und ich synchron und sahen Marie an als wäre sie die Schulrektorin und hätte uns beim schwänzen erwischt. „Ihr seid mir ja zwei. Habt ihr euch nur mit dem Essen beschmissen oder gibt es heute noch Pizza?", kopfschüttelnd kam meine Stiefmutter auf uns zu schielte auf das Backblech. „Wir waren fertig. Tut mir leid dass wir so ein Chaos veranstaltet haben.", ich presste meine Lippen aufeinander. „Mach dir darum keine Sorgen. Das mache ich gleich sauber, wenn ihr unter der Dusche steht. Mach dir lieber Sorgen um deinen Freund, denn der ist kurz davor zu verhungern."; beruhigte mich Marie und zupfte eine Eierschale aus meinen Haaren. „Marie hat Recht. Lasst uns die Pizza belegen. Dann ist sie fertig wenn ihr wieder sauber seid.", schlug Paul vor und goss die bereitgestellte Tomatensoße auf den Hefeteig.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt