„Stehen bleiben, Polizei."

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Herr Holtmann und ich unterhielten uns noch eine Stunde über die Therapie, wie sie mir helfen konnte und wie wir uns die Zusammenarbeit vorstellte bis ich langsam müde wurde und mich verabschiedete. „Hier ist meine Nummer. Melden Sie sich morgen, dann können wir die Termine ausmachen. Wie gesagt, ich komme gerne her, zu Ihnen nach Hause oder auch irgendwo anders hin. Wichtig ist, dass Sie sich wohl fühlen.", stellte Herr Holtmann nochmal ausdrücklich klar und ging zum Ausgang des Krankenhauses.
Kaum hatte ich mich umgedreht um zu meinem Krankenzimmer zu kommen hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir: „Stehen bleiben, Polizei.". Augenblicklich blieb ich stehen und hielt die Luft ein. „Ich hab nichts gemacht.", versicherte ich stammend und sah mich schon wieder in der Zelle auf der Wache meines Vaters sitzen. „Sie sind verhaftet, weil Sie zu gut aussehen.", antwortete die Stimme und ich riss meine Augen auf. Vor Panik hatte mein Hirn den zweiten Teil des Satzes nicht mitbekommen. „Atmen Mila.", erst als sich Paul vor mich stellte, wagte ich mich wieder zu bewegen. „Du warst das?", wollte ich tonlos von ihm wissen und atmete erleichtert tief durch als er nickte.
„Ich wollte dir keine Panik machen, dachte das ist witzig.", entschuldigte sich mein Freund und hielt mir seine Arme hin, unsicher ob er mich anfassen durfte oder nicht. „Alles gut.", nuschelnd lehnte ich meine Stirn an die Brust der Oberkommissars der direkt seine Arme um mich schlang. „Lass uns hoch in dein Zimmer gehen. Dein Vater ist arbeiten, also kann ich mir dir kuscheln solange ich will.", schlug Paul vor und führte mich zurück in das Krankenzimmer. Von dem Besuch von Herr Holtmann erzählte ich ihm erstmal nichts, da ich mir noch nicht sicher war, ob ich dem Ganzen wirklich eine Chance geben sollte.

Kaum lag ich im Bett und in Pauls Armen schlief ich ein und wurde erst wach, als mein Freund aufstand. „Bleib liegen.", brummend suchte ich mit geschlossenen Augen nach ihm. „Würde ich gerne, aber ich höre gerade die Visite im Nebenzimmer.", erwiderte Paul, im selben Moment klopfte es an der Tür und eine Horde Ärzte kamen rein. „Hallo Frau Fuchs. Brügmann mein Name, Oberarzt der Klinik. Wie fühlen Sie sich?", stellte sich der Älteste Mann vor und sah auf das Tablet in seiner Hand. „Ganz gut. Kann ich nach Hause?", antwortete ich und krallte mich in Pauls Hand fest. „Noch nicht, ich würde Sie gerne noch ein paar Tage hier behalten. Einfach um auf Nummer sicher zu sein und zu schauen ob auch alles gut verheilt ist.", nahm mir der Arzt die Hoffnung. „Aber ich bin mir sicher dass ihr Lebensgefährte und ihre Eltern ihnen jegliche Langeweile nehmen werden.", zum Abschied lächelte mir Herr Brügmann noch mal zu bevor er und die anderen Ärzte wieder den Raum verließen.
„Lebensgefährte?", wiederholte ich und suchte in meinem Gedächtnis nach der Erklärung des Wortes. „Das ist ein anders Wort für Freund.", klärte Paul mich auf und setzte sich wieder zu mir ins Bett. „Ich dachte das ist so was wie Ehepartner oder so.", gab ich zu und lehnte mich im Bett zurück. „Nein, wenn wir beide verheiratet wären, dann würdest dich daran erinnern.", lachte der Oberkommissar und hauchte einen Kuss auf meine Lippen.

Auch die nächsten Tage sprach ich jeden Tag eine Stunde mit Herr Holtmann. Wir waren dazu übergegangen uns zu duzen und sprachen darüber dass ich angeschossen wurde und dass mich Tabea per privat Nachrichten bedroht hatte. „Also wolltest du die Sache erst auf dich nehmen?", harkte Robert nach und ich nickte. „Ich dachte dass ich Papa, Marie und Paul damit retten kann.", erklärte ich und rührte abwesend in meinem Jogurt umher. „Hast du es denn auf dich genommen?", gespannt sah mich der Therapeut an und war sichtlich erleichtert als ich mit dem Kopf schüttelte. „Ich wusste dass es falsch ist und die Sache nicht besser machen würde. Ich hatte gehofft einem anderen in die Arme zu laufen, aber der erste der mich gesehen hatte, war Onkel Klaus. Und der hat gleich gewusst das was los war.", antwortete ich und schob die Schale mit den Jogurt ganz von mir weg. „Ist dieser Klaus denn dein richtiger Onkel?", wollte Robert wissen und schob die Schale wieder zurück zu mir. „Nein, er ist der beste Freund von meinem Vater. Und irgendwie war er von Anfang an da für mich.", gestand ich und rührte wieder in der Schale umher. „Das ist schön zu hören. Aber dein Vater ist, in all den Jahren, bestimmt auch ein sicherer Hafen für dich gewesen, oder?", mit einer hochgezogenen Augenbraue schob er sich einen vollen Löffel seines eigenen Jogurts in den Mund. „Ich dachte du wüsstest über meine Vergangenheit bescheid.", entfuhr es mir was den Therapeuten stutzen lies. „Dann müsstest du doch wissen, dass ich meinen Vater erst seit drei Monaten kenne.", fügte ich hinzu und schob die Schale vor mir ein weiteres mal von mir. „Ich hab mitbekommen, dass du gefühlt aus der Versenkung aufgetaucht bist, aber ich wusste nicht dass du deinen Vater erst so kurz kennst, wie habt ihr euch denn kennengelernt?", erzählte Robert ruhig, aber ich sah die Neugierde in seinen Augen.
„Ich...",fing ich an und biss mir unsicher auf die Unterlippe. Innerlich haderte ich mit mir. „Wenn du mir das nicht sagen willst, ist das okay. Magst du mir denn erzählen wie du diese Tabea kennen gelernt hast?", schlug der Therapeut vor und ich lächelte ihn dankbar an. „In der Anfangszeit in der ich bei meinem Vater wohnte, hab ich es genossen immer jemanden an meiner Seite zu haben. Aber irgendwann wurde es mir zu viel und ich wollte auch mal alleine sein. Nach dem die erste Party in meinem Leben völlig in die Hose gegangen ist, hab ich mich online in einem Forum mit andern Personen die in meiner Lage waren ausgetauscht. So hab ich Tabea kennen gelernt und, nachdem wir ein paar Tage lang intensiv miteinander geschrieben hatten, in einem Café getroffen. Wir haben uns dann immer wieder getroffen und dann wollte sie dass ich mit ihr und ihrem Freund in eine Disco gehe, so gesehen als zweiter Versuch.", berichtete ich und starrte dabei in den Jogurt vor mir. „Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst.", sprach Robert sanft auf mich ein und legte seine Hand auf meine.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt