„Soll ich dich jagen? Vielleicht sogar aus dem Haus?"

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Ich schien wieder eingeschlafen zu sein, denn als ich meine Augen öffnete, saßen Marie und Martin am Terrassentisch und spielten Karten. Neben ihnen standen zwei leere Teller. „Ha, gewonnen.", jubelte meine Stiefmutter und streckte ihrem Mann ihre Zunge raus. „Ich hab dich gewinnen lassen.", beteuerte mein Vater und nahm einen Schluck seines Bieres. „Ja klar. Und ich bin Supermodel.", lachte Marie und begann damit die Karten zu mischen. „Für mich stellst du selbst Heidi Klum in den Schatten.", schwärmte Martin und zog Marie für einen Kuss an sich heran. Kichernd zog ich den Kragen von der Jacke meines Vater vor meine Augen und zog so die Aufmerksamkeit der beiden auf mich. „Findest du das etwa witzig?", Martin stand auf und kam, Kussgeräusche machend auf mich zu. „Bitte nicht.", ich sprang auf und lief lachend vor ihm weg.
Obwohl Martin mich mit Sicherheit direkt gefangen hätte, ließ er mich immer wieder entwischen.
Wir rannten kreuz und quer durch den Garten und ich versteckte mich gerade hinter einem Baum, als ich Paul lachen hörte. „Lach nicht, Richter. Hilf mir lieber.", rief ihm Martin zu während er die beiden Jacken aufhob die ich mir von meinem schwitzenden Körper gerissen und ihm zu geworfen hatte.
„Wirst du etwa alt?", zog mein Freund seinen Kollegen auf und kam über den kurz gemähten Rasen auf uns zu. „Soll ich dich jagen? Vielleicht sogar aus dem Haus?", Martin sah Paul herausfordernd an und ich nutzte die Chance und wollte an den beiden vorbei zu Marie laufen. Leider schienen die beiden Beamten genau darauf gewartet haben, denn kaum war ich in ihrer Nähe wollte mein Freund mich packen, aber ich hatte Übung darin vor Leuten wegzulaufen, sodass ich in der letzten Sekunde ausweichen konnte und mich schutzsuchend hinter meine Stiefmutter stellte, die die ganze Szene mit einem breiten Lächeln beobachtete. „Rette mich, Mama.", flehte ich sie an und holte keuchend Luft.
„Stop!", Marie hielt Paul und Martin ihre Hände, mit den Handflächen nach vorne, hin und brachte die beide so zum stehen. „Komm schon Marie.", Martin kam einen Schritt näher aber Marie drückte ihm ihre Hand auf die Brust. „Meine Tochter will das ich sie rette, dann tue ich das auch.", erklärte sie und sah ihren Mann warnend an. „Aber ich will meine Tochter ärgern.", stellte Martin klar und zog Marie mit einem Ruck an sich. Davon überrascht brauchte ich einen Moment zu lange um wieder loszulaufen, sodass Paul mich packen und an sich drücken konnte.
„Nein.", quietschte ich lachend und versuchte mich aus seinem Griff zu winden, aber Paul hielt mich eisern fest. „Dein Lachen hat mir so gefehlt.", gestand mein Freund und ich spürte wie mein Gesicht rot wurde. „Uns auch.", fügte Marie hinzu und ich drückte Paul verlegen mein Gesicht in die Brust. „Aber jetzt lasst uns essen. Ich rieche doch Maries leckeres Kartoffelgratin.", schlug mein Freund vor und zog einpaar Mal tief Luft durch die Nase ein. „Bist du etwa nur wegen dem Essen meiner Frau mit meiner Tochter zusammen?", scherzte Martin und ich hob meinen Kopf von Pauls Brust. „Nein. Deswegen.", antwortete der Oberkommissar und drückte seine Lippen auf meine. „Nicht vor meinen Augen.", brummte mein Vater, was Paul dazu brachte in den Kuss hinein zu lächeln. „Komm Martin. Wir wärmen das Essen für die beiden auf.", entschied Marie und ich hörte wie die beiden weg gingen. Paul und ich lösten uns voneinander und sahen uns einige Momente lang tief in die Augen. „Weißt du wie eigentlich wie schwer es war, Peter nicht dafür leiden zu lassen?", der Blick meines Freundes glitt zu meinem Hals und er strich federleicht mit seinen Fingerspitzen über den gut zu sehenden Handabdruck. „Aber nichts ist wichtiger als unser gegenseitigen Vertrauen.", fügte er hinzu und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. „Du vertraust mir noch? Obwohl ich so viel Mist gebaut habe?", entfuhr es mir und Paul legte mir seine Hand an die Wange. „Keine Sorge, Schatz. Es braucht mehr als ein Tritt in die Weichteile oder einen Vollrausch um mich los zu werden.", hauchte er gegen meine Lippen bevor er sie erneut auf meine drückte.
„Zwingt mich nicht den Wasserschlauch zu holen!", hörten wir meinen Vater rufen und lösten uns sofort voneinander.

Paul machte sich direkt über seinen Teller her, aber mir tat das Schlucken weh, daher hielt ich mich an meinen Tee. „Hast du keinen Hunger?", besorgt sah mich meine Stiefmutter an. „Schon. Aber das Schlucken tut weh.", gab ich zu und nahm den letzten Schluck aus der Tasse. „Soll ich dir einen Jogurt bringen? Oder eine Suppe? Vielleicht doch lieber Eis?", ohne auf meine Antwort zu warten ging Marie schon in das Haus zurück. „Würde mich nicht wundern wenn sie dir das Essen sogar vorkaut.", raunte mir mein Vater zu und sah seiner Frau nach. „Bitte nicht. Ich hab euch zwar echt lieb, aber das wäre zu viel des Guten.", ließ ich ihn wissen als Marie wieder auf die Terrasse kam und eine kleine Schale in der Hand hielt. „Kalter Jogurt mit frischen Früchten. Damit du deine Vitamine bekommst.", erklärte Marie und stellte die Schale vor mir ab. „Danke.", ich lächelte sie an und nahm einen Löffel des Jogurts. Obwohl die Kälte meinem Hals gut tat, schaffe ich trotzdem nicht mehr als drei Löffel.
„Wir haben uns ein paar Gedanken gemacht.", fing Martin an und sah kurz zur Marie. „Uns ist bewusst geworden das wir dich ständig überwacht haben und versuchen uns zu bessern. Aber hab bitte Nachsicht mit uns, dass es nicht von jetzt auf gleich geht.", ergänzte meine Stiefmutter und legte meinem Vater ihre Hand auf den Oberschenkel. „Das kann ich verstehen. Ich bin euch auch dankbar dass ihr auf mich aufpassen wollt. Aber es ist auch eine harte Umstellung für mich von nichts zur ständigen Überwachung. Ich hatte das Gefühl dass ich selbst beim auf Toilette gehen nicht allein war.", erwiderte ich und nahm mir eine Erdbeere aus der Jogurt-Schale. „Was hältst du von einem Kompromiss? Wir schrauben die Überwachung zurück, aber dafür erzählst du uns mit wem du raus gehst und wohin. Wir mischen uns dann aber auch nicht mehr ein wie lange du unterwegs bist oder was du machst.", schlug Martin vor und ich überlegte einen Augenblick. „Aber nur wenn wir trotzdem einmal am Tag gemeinsam essen. Und am Wochenende Spiele spielen.", forderte ich und meine Eltern lächelten mich breit an. „Damit kann ich leben.", willigte Marie ein und auch Martin nickte.
„Ich gelobe auch Besserung.", versprach Paul und lächelte mich verliebt an. „Aber du hast doch nichts falsch gemacht.", ich sah ihn verwirrt an. „Ich habe aber jede freie Minute an deiner Seite verbracht und dir somit nicht die Chance gegeben selber Freunde zu finden. Geschweige denn deine Fähigkeiten oder Talente zu erforschen.", erklärte mein Freund und hielt mir seine Hand hin. „Ich bin aber gerne in deiner Nähe.", raunte ich ihm zu und nahm seine Hand in meine. „Ach ja, junge Liebe.", säuselte Marie und fing an zu lachen als sie den überraschten Blick meines Vaters wahrnahm. „Liebste Ehefrau. Liebe ist wie Wein, erst wenn sie einige Jahre gereift ist, ist sie gut.", philosophierte er, nahm ihre Hand von seinem Oberschenkel und hauchte einen Kuss auf die Fingerknöchel. „Sollen wir hoch gehen? Sonst sehen wir wohl gleich einen Aufklärungsfilm in 3D.", flüsterte Paul in mein Ohr und ich presste mir meine Hand auf den Mund um nicht laut zu lachen. „Lauf um dein Leben.", zischte Martin und sprang auf um hinter Paul herzujagen der ebenfalls aufgesprungen war.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt