„Mit der Antwort hab ich jetzt nicht gerechnet."

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„Also wirklich.", Maries Stimme ließ uns auseinander fahren. „Da komme ich hier hoch um euch zu holen und was ist? Seid froh dass ich es bin und nicht Martin.", tadelte sie uns, während wir unsere Kleidung wieder richteten. „Ich würde euch vorschlagen noch in den Spiegel zu schauen, bevor ihr runter geht, sonst hält Martin noch einen Vortrag über Bienen und Blumen.", scherzte sie abschließend und ging kopfschüttelnd wieder aus dem Raum. Mit hochroten Köpfen richteten wir unsere Frisuren und trauten uns nicht den anderen anzusehen.
„Will ich wissen was ihr angestellt habt?", kaum waren wir im unteren Flur angekommen, baute sich mein Vater vor uns auf. „Wir und was angestellt?", harkte Paul mit einer unschuldigen Stimme nach und hielt mir meine Jacke hin. „Marie ist hoch um euch zu holen und kam mit einem breiten Grinsen wieder runter. Und ihr beiden seht aus als hätte man euch beim Süßigkeiten klauen erwischt.", erklärte Martin und es schien ihm selber ein Grund einzufallen, „Vergesst es einfach. Ich will es nicht hören.".

Gemeinsam fuhren wir in ein Restaurant das außerhalb von Köln lag. Nervös wippte ich mit meinem gesunden Bein auf und ab. „Ganz ruhig. Es ist wie das Essen zuhause. Mehr nicht.", beruhigte mich Paul und legte mir eine Hand auf das Knie.
Und er behielt recht. Kaum saßen wir kam eine junge Kellnerin und nahm unsere Bestellung auf. Da ich völlig überfordert war, hielt ich mich an das was Paul bestellte. „Und wie gefällt dir das erste Essen gehen?", gespannt sah mich mein Vater an aber ich zuckte nur mit den Schultern. „Lass sie das doch erst mal alles verarbeiten.", bat meine Stiefmutter ihm und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Schon gut Marie.", versicherte ich ihr und sah mich dabei immer wieder nervös um. „Suchst du jemanden?", raunte mir mein Freund ins Ohr und ich sah ihn ertappt an. „Ich hab nur das Gefühl dass die Presse gleich auftaucht.", erklärte ich und atmete tief durch. „Die werden dich heute schon nicht belästigen. Jetzt genieß den Abend.", beruhigte mich Paul und hauchte mir einen Kuss auf die Nasenspitze.
Das tat ich dann auch. Ich ließ mich auf die Gespräche ein und war überrascht wie gut das Essen war. Vor allem aber war ich überrascht wie schnell die Zeit vergangen war und ich wieder in dem Auto meines Vaters saß.
„Darf ich jetzt fragen wie es dir gefallen hat?", scherzte Martin als er den Wagen vom Parkplatz auf die Straße lenkte. „Es war schön Zeit mit euch zu verbringen. Aber das Essen war viel zu teuer. Ich könnte euch das selbe kochen und bräuchte die Hälfte des Geldes dafür.", kam mir schneller über die Lippen als ich denken konnte. „Mit der Antwort hab ich jetzt nicht gerechnet.", lachend fuhr mein Vater auf eine Bundesstraße. „Tut mir leid.", nuscheln drückte ich mich in meinen Sitz und sah auf meinen Schoß. „Wieso das? Und vor allem was?", hörte ich Marie überrascht fragen und wie sie sich auf dem Beifahrersitz zu mir drehte. Ich aber schüttelte meinen Kopf und verfluchte mich innerlich dafür dass ich den dreien die Wahrheit gesagt hatte. Ich hätte ihnen auch einfach sagen können, dass ich die Zeit mit ihnen genossen hatte.
„Mila?", scheinbar hatte ich mir länger eine Standpauke gehalten als ich dachte, denn Paul hatte sich abgeschnallt und war an mich ran gerutscht. „Ich wollte euch nicht die Laune verderben. Aber ich hab euch doch versprochen nicht mehr zu lügen.", erklärte ich ihm so leise wie ich konnte. „Dafür sind wir dir auch dankbar. Mach dir keine Sorgen.", versicherte der Oberkommissar und zog mich an sich heran. Den Rest der Fahrt konzentrierte ich mich nur auf seinen Herzschlag und seine gleichmäßigen Atemzüge. Wie durch Watte hörte ich Martin fragen: „Soll ich noch eine Runde um den Block drehen?". Da ich ihm nicht noch mehr zur Last fallen wollte richtete ich mich auf und schüttelte meinen Kopf. „Na gut. Dann lasst uns rein gehen. Immerhin ist es gleich schon zwanzig Uhr und meine Serie fängt gleich an.", wand Marie ein und lächelte mich entschuldigend an. „Alles klar. Ich freue mich ehrlich gesagt auch auf mein Bett.", gestand ich und bückte mich nach meinen Krücken. Daher entging mir auch der Blick den sich die anderen zuwarfen.

Schon im Hausflur bemerkte ich das etwas nicht stimmte. Ich ging rückwärts wieder in Richtung der Eingangstür und prallte mit meinem Vater zusammen. „Alles gut?", wollte er wissen und ich schüttelte meinen Kopf. „Ich muss hier raus.", raunte ich ihm zu und wollte ihn umrunden als ich ein verdächtiges Geräusch aus dem Wohnzimmer hörte. Sehen konnte ich nichts, da die Tür zu war. „Wieso das?", Marie trat vor mich und sah mich überrascht an. „Da ist jemand im Wohnzimmer.", mein Atem beschleunigte sich und ich wappnete mich schon darauf die anderen mit meinen Krücken zu verteidigen.
Als dann die Wohnzimmertür geöffnet wurde, sah ich nicht in die Augen einer fremden Person, sondern in die meiner besten Freundinnen. „Dich kann man auch nicht überraschen.", lachte Hannah und kam auf mich zu. „Atmen, Schatz.", raunte mir Paul zu und erst da merkte ich dass ich den Atem anhielt. „Wir wollten dir keine Angst machen, aber dich auch nicht ohne kleine Feier in den Geburtstag starten lassen.", nun kam auch Jule auf mich zu und ich sah ihr die Vorfreude an. „Die Entscheidung liegt bei dir. Sollen die beiden gehen oder feiern wir deinen Geburtstag so wie es sich gehört?", Paul tauschte den Platz mit Marie und sah mir tief in die Augen.
Da ich auch die Blicke der anderen auf mir spürte atmete ich tief durch und versuchte auf mein Bauchgefühl zu hören. „Wäre es zu spät die anderen einzuladen?", hauchte ich meinem Freund unsicher entgegen dessen Augen direkt anfingen zu strahlen. „Nicht im geringsten. Willst du dich oben zurecht machen oder machen wir eine entspannte Sache draus?", harkte er nach und ich sah zu Hannah und Jule.
„Natürlich macht sie sich oben schick. Überlasst uns das." , jubelte Hannah und wollte mich am Arm packen, wohl um mich hinter sich her zu ziehen, stoppte aber als sie meine Krücken sah. „Zwing uns nicht Paul oder deinen Vater zu bitten dich hoch zu tragen.", drohte Jule und ich sah sie geschockt an. „Geh ruhig hoch, Kleine. Wir kümmern uns hier unten um den Rest.", erklärte mein Vater und gab mir einen sanften Schubs in Richtung der Treppe.
Ehe ich mich saß ich auf meinem Bett und ließ meine Freundinnen einfach machen während ich krampfhaft versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Hannah schminkte mich und Jule drehte mir Locken in die Haare. „Ganz ehrlich Mila? Ich beneide dich um deine Haut. Ich hab nur etwas Concealer gebraucht.", schwärmte Hannah als sie mir einen Lippenstift auf die Lippen auftrug. Da ich nicht antwortete trat sie einen Schritt zurück und sah mich unsicher an. „Mila?", auch Jule hörte auf meine Haare um den Lockenstab zu wickeln.
„Das letzte mal das...", begann ich leise und spürte direkt wie mir die Tränen in die Augen stiegen. „Das hab ich komplett vergessen. Sollen wir aufhören?", besorgt hockte sich Hannah vor mich und wischte mir mit sanften Finger die Tränen aus den Augenwinkeln. „Nein. Ich will nicht dass die Sache... Ich bin es leid dass es mich so einschränkt.", erklärte ich und kniff meine Augen zusammen. „Wir sind eh fertig.", versicherte Jule und setzte sich neben mich ins Bett. Wortlos setzte sich Hannah auf meine andere Seite und gemeinsam umarmten sie mich.

„Ich hoffe ich störe nicht.", eine junge Frau tauchte im Türrahmen auf und sah uns zwiegespalten an. „Schon gut.", antwortete ich und strich mir schnell die Tränen aus dem Gesicht. „Mila, das ist Nesrin. Scheinbar hat dein Vater die halbe Wache eingeladen.", raunte mit Hannah zu und ich nickte. „Sie waren doch auch bei Stephans Geburtstagsfeier dabei, oder?", wand ich mich an die hübsche Frau vor mir die direkt nickte. „Aber duze mich ruhig. Immerhin bist du ja Teil unserer Familie.", bat Nesrin und nun nickte ich. „Ich würde vorschlagen wir werden jetzt schon fertig, sonst ist von Maries Essen nichts mehr fertig, wenn Daniel schon da ist.", scherzte Jule und wir vier fingen an zu lachen.
Nach einem kurzen fragenden Blick vollendeten Hannah und Jule ihr Werk und ließen mich dann allein, damit ich mich umziehen konnte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt