„Geheimrezept von meiner Mama."

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„Glaubst du mir dass ich nichts von dir wusste?", redete Martin nicht um den heißen Brei herum und reichte mir eine der beiden Tassen. „Das ist heiße Schokolade. Die mochte ich als Kind am liebsten. Keine Ahnung ob du die magst.", erklärte der Mann der wohl mein Vater war als ich argwöhnisch an der Tasse roch. „Ich hab es noch nie probiert.", gab ich nuschelt zu und pustete in die Tasse. „Was hast du den bisher immer so gegessen? Ich bin mir sicher dass wir das organisieren können.", die Augen meines gegenüber fingen an zu leuchten, das verblasste aber recht schnell als ich ihm erzählte dass ich mich lange von trocken Brot und hartem Käse ernährt hatte bis ich angefangen hatte Essen zu klauen.
„Nimmst du mich jetzt fest?", ich traute ihn nicht anzusehen und zählte daher die Löcher des Gitters hinter ihm. „Nein. Es hat ja niemand Anzeige gegen dich erstattet. Und ich bin mir sicher du hast nie mehr geklaut das du fürs Überleben brauchtest. Oder?", Martin sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und atmete erleichtert durch als ich nickte. „Ich hab mit Klaus geredet, es spricht nichts dagegen wenn du erst mal zu mir kommst. Marie freut sich bestimmt über ein bisschen weibliche Unterstützung.", kam es von dem Beamten und ich sah ihn mit großen Augen an. „Also nur wenn du willst. Ich meine ich weiß ja nicht wo du wohnst aber ich würde mich freue mehr Zeit mit dir zu verbringen.", ruderte Martin zurück und fuhr sich durch die Haare.
„Du willst das ich bei dir wohne? So richtig?", ging ich auf Nummer sicher und warf einen Blick durch das Fenster nach draußen zu Paul, der sich zwar mit Stephan unterhielt aber immer wieder einen Blick in meine Richtung warf.
„Klar, wieso nicht? Ich meine, du bist meine Tochter und ich hab schon deine ersten.... Wie alt bist du überhaupt?", lenkte Martin meine Aufmerksamkeit auf mich und ich zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung, ich hab auch nie Geburtstage gefeiert.", gestand ich und nahm einen ersten Schluck aus der Tasse in meiner Hand. „Gott ist das gut!", rief ich und nahm noch einen großen Schluck was Martin zum lachen brachte. „Geheimrezept von meiner Mama.", erklärte er und nahm auch einen Schluck von der heißen Schokolade.
„Aber um auf dein Alter wieder zurück zu kommen. Ich hab mich von deiner Mama vor... 29 Jahren getrennt. Sprich du bist ca. 29.", überlegte der Mann vor mir laut und ich nickte. „Kann hinkommen. Ich sollte in zwei Monaten für den 30. Hochzeitstag von Hubert und Mama kochen.", wand ich ein und vermied wieder jeglichen Blick zu Martin. „Du solltest kochen?", harkte mein gegenüber nach und ich nickte verhalten.
Ein lautes Klopfen ließ mich zusammen zucken und ich kniff meine Augen zusammen. „Das ist nur Paul, keine Sorge.", beruhigte mich Martin und ich hörte wie sich die Tür öffnete. „Ihr müsstet langsam raus kommen. Tom und Muri brauchen den Wagen.", informierte uns Paul und ich öffnete meine Augen um weiter in den Sitz zu rutschte als ich zwei große Beamte hinter Paul stehen sah. „Alles klar. Komm Kleine. Wir reden in meinem Büro weiter.", Martin reichte mir seine Hand aber ich starrte weiter die Beamten hinter Paul an. Erst als Paul einen Fuß in den Bulli setzte und mir seine Hand hinhielt bewegte ich mich sprang mit einem Satz aus dem Wagen und brachte direkt einige Meter Abstand zwischen mich und die mir unbekannten Männer.
„Danke?", einer der Beamten sah mich verwirrt an bevor er sich in den Bulli setzte, während der andere um den Wagen herum lief und sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Erst als die beiden mit dem Bulli vom Parkplatz fuhren atmete ich tief durch. „Alles gut, Trouble?", Stephan stellte sich neben mich und sah ich besorgt an. Auch Martin und Paul sahen mich besorgt an, daher nickte ich und biss mir auf die Unterlippe. „Lasst uns wieder rein gehen.", schlug mein Vater vor und hielt mir seinen Arm hin.

„Die wichtigsten Sachen zuerst. Du musst beziehungsweise kannst dir einen Namen aussuchen.", gemeinsam mit Paul saß ich in Martins Büro. Überrascht sah ich den älteren Mann vor mir an der mich sanft anlächelte. „Ich weiß, dass ist eine schwere Aufgabe. Aber ich bin mir sicher, dass du einen tollen Namen finden wirst.", sprach er mir Mut zu und ich sah völlig überfordert zu Paul. „Ich kenne nicht wirklich viele weibliche Namen. Hab zwar einige Bücher gelesen, aber da hießen die Frauen Hildegard oder Gerda, und die Namen fand ich damals schon seltsam.", offenbarte ich und zog mir die viel zu große Jacke enger um meinen Körper.
„Also ich wollte immer meine Tochter, wenn ich einen bekommen hätte, Mila nennen. Im Spanischen bedeutet es Wunder und im Grunde bist du das auch.", gestand Martin und fuhr sich durch die Haare. „Mila...", wiederholte ich murmelnd und nickte, „Der klingt gut.". „Super. Es ist mir eine Freude dich kennen zu lernen, Mila.", Paul strahlte mich an und sein Lächeln reichte von einem Ohr zum anderen. Verlegen presste ich meine Lippen aufeinander und sah auf meine Hände, die auf meinem Schoß lagen.
„Ich kenne den neuen Nachnamen von Olga nicht, aber wenn du willst und da du ja meine Tochter bist, kannst du gerne meinen Nachnamen nehmen.", erklärte Martin und ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist das etwas viel.", raunte Paul seinem Kollegen zu und legte mir wie selbstverständlich seine Hand auf den Oberschenkel. „Vielleicht hast du Recht, Paul. Aber trotzdem bleibt noch eine Sache.", stimmte ihm mein Vater zu und mein Blick schnellte hoch. „Wo willst du wohnen?", wollte Martin wissen und sah mich abwartend an.
„Ich kann nicht bei dir wohnen. Ich meine mein Leben ist pures Chaos, das ist nichts für einen...", ich überlegte einen Augenblick, „Oberkommissar?".
„Fast. Paul ist Oberkommissar, er hat zwei Sterne. Ich bin Hauptkommissar mit drei Sternen.", korrigierte mich Martin und sah mich trotz meines Fehlers stolz an. „Was das Chaos angeht, es ist nicht deine Schuld. Sondern die deiner Mutter. Wir sind jetzt da und helfen dir beim sortieren.", und wieder schaffte es Paul mit seiner ruhigen Art mir sämtlichen Ängste zu nehmen. „Paulchen hat Recht. Jetzt bin ich da und werde dir, sofern du willst, helfen deinen Platz in der Welt zu finden.", Martins Augen fingen an zu strahlen, als ich verhalten nickte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt