„Wen muss ich umbringen?"

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„Du willst mir wirklich nicht sagen was ich besoffen gesagt habe?", flüsterte mir Paul ins Ohr, als ich ihn zum Abschied noch mal umarmte. „Nein. Und die Antwort wird sich auch nicht ändern wenn du tausendmal fragst.", antwortete ich und musste mich regelrecht zwingen ihn loszulassen. „Ein Versuch war es wert. Bis übermorgen.", mein Freund küsste mich noch einmal und lief dann zu dem Streifenwagen der vor Martins Haus hielt um ihn mit zur Arbeit zu nehmen.

„So da endlich beide Männer unterwegs sind, können wir vielleicht mit deinem Unterricht weiter machen?", Marie tauchte hinter mir auf, als ich dem Streifenwagen hinterher sah. „Besser wäre es, oder? Auch wenn ich nicht weiß was es bringen soll. Ich meine eine Ausbildung machen kann ich damit eh nicht.", ich zuckte mit meinen Schultern und ging an ihr vorbei in das Haus. „Du kannst auch ohne Ausbildung arbeiten. Oder deinen Schulabschluss nachholen. Dir stehen die Türen offen.", versuchte mir meine Stiefmutter Mut zu machen, aber ich setze mich im Schneidersitz auf das Sofa und presste mir ein Kissen an die Brust.
„Ach Mensch, Mila.", Marie setzte sich neben mich aufs Sofa und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich hab einfach keine Ahnung was ich mit meinem Leben anfangen soll...", gab ich nuschelnd zu und wischte mir mit dem Handrücken eine Träne weg. „Dir stehen alle Türen offen.", versuchte Marie mich zu trösten aber ich schüttelte traurig meinen Kopf. „Ich kann es maximal zur Tellerwäscherin bringen. Zu mehr bin ich nicht zu gebrauchen.", malte ich mir meine Zukunft schwarz aus und schluckte den Tränenkloß in meinem Hals hinunter. „Quatsch. Für dich wird es schwieriger als für so manch anderen. Aber es ist nicht unmöglich. Zur Not hat dein Vater bestimmt eine Stelle in der Wache für dich frei.", scherzte meine Stiefmutter und zog mich in eine Umarmung.
Scheinbar hatte ich diese Umarmung gebraucht, denn ich ließ sämtliche Tränen freien Lauf und machte mich ganz klein in ihren Armen. Ich weinte bis ich irgendwann erschöpft einschlief.

„Sie wissen warum Sie hier sind?", ein in schwarz gekleideter Mann stand vor mir uns sah mich streng an. Sofort ließ ich meinen Blick umherschweifen und sah in ein paar Metern Entfernung meine Eltern und Paul sitzen. Mir schräg gegenüber saßen Max, Peter, Olga und Hubert. „Ich nehme an das hat was mit meinen Anzeigen zu tun?", mutmaßte ich und spürte direkt wie Panik in mir hoch stieg. „Da haben Sie recht. Frau Fuchs. Aber da sie die vier Personen hier falsch verdächtigt haben, ist das Gericht zu einem Urteil gekommen....", fing der Mann an und mir entglitten sämtliche Gesichtszüge. „Ich habe sie nicht zu unrecht beschuldigt. Ich hab Zeugen.", beteuerte ich und sah mich nach meiner Familie um, die aber gerade den Saal verließ. „Ich glaube das sollte Ihnen beweisen, dass selbst ihre Familie ihnen nicht glaubt.", mit einen schiefen Grinsen kam der schwarzgekleidete Mann auf mich zu. „Ihre gerechte Strafe ist, dass die vier ihre Wut an Ihnen....", weiter kam der Mann nicht, denn ich riss meine Augen auf und lief los.

„Mila!", hörte ich jemanden hinter mir her brüllen, aber ich blieb nicht stehen. Immer schneller lief ich und wusste nicht wohin. Ich wusste nur dass ich weg musste. Aber wohin wenn selbst die Leute die einem Halt geben sollten, sich von einem abwenden?
Ich wusste erst wo ich war, als ich gefühlte tausendmal auf den Klingelknopf 'Becker' drückte. „Verdammt. Ich hoffe du hast einen triftigen Grund warum du mich nach einer harten Nachtschicht...", Hannah riss die Tür auf und verstummte als ihr Blick in mein verheultes kreidebleiches Gesicht fiel. „Wen muss ich umbringen?", wollte sie wissen, als sie mich in ihre Wohnung zog. „Ich weiß nicht.", gestand ich und fuhr mir verzweifelt durch die Haare. „Was weißt du nicht?", harkte die blonde Beamtin nach und setzte sich auf die Lehne ihres Sofas. „Das war nur ein Albtraum, also warum bin ich abgehauen?", murmelnd begann ich im Wohnzimmer hin und her zu tigern. „Du hattest einen Albtraum?", verwirrt folgte mir Hannah mit ihrem Blick. „Ja. Sie wirken immer so real. Und der jetzige... Der war...", plapperte ich drauf los und schaffte es nicht einen klaren Gedanken zu fassen.
„Was kann ich tun?", die Wohnungseigentümerin stellte sich mir in den Weg, aber ich umrundete sie einfach. „Ich weiß nicht... Paul...", stammelte ich als meine Knie nachgaben und ich auf dem Cremefarbenen Teppich zusammensank. „Ich rufe ihn an.", hörte ich Hannah weit entfernt sagen, war aber zu gefangen in der Endlosschleife des Albtraumes.

„Ich bin da.", mit diesen drei Worten zog mich Paul in eine Arme und drückte mich an seine Brust. „Du hasst mich.", mit zitternden Händen versuchte ich mich aus seinen Armen zu befreien, aber der Oberkommissar verstärkte seinen Griff. „Ich könnte dich nie hassen. Wie kommst du darauf?", harkte er besorgt nach. Da ich immer schneller und flacher atmete antwortete Hannah an meiner Stelle. „Sie kam verheult hier an und hat was von einem Albtraum gefaselt. Und dass er sich real angefühlt hätte.", setzte sie ihren Kollegen in Kenntnis der daraufhin tief durchatmete.
„Mila, kannst du mich hören?", vorsichtig versuchte Paul mich von sich weg zu schieben, aber ich krallte mich in seine Uniform. „Komm schon, Mila. Sieh mich an.", bat Paul und ich zwang mich meinen Kopf zu heben und meine Augen zu öffnen. „Gut so. Ich bin hier.", sprach mein Freund weiter sanft auf mich ein. „Du bist gegangen.", nuschelte ich und spürte wie der nächste Schwall Tränen in meine Augen stieg. „Heute morgen oder in deinem Albtraum?", harkte Paul nach und ich antwortete tonlos „Albtraum.". „Aber jetzt bin ich da. Ich bin da und werde immer an deiner Seite bleiben. Solange wie du mich brauchst.", versprach mein uniformierte Freund und ich drückte mein Gesicht wieder in seine Brust um seinen Geruch tief einzuatmen.
„Marie ist auf dem Weg hier her. Sie war schon bei der Wache, weil sie dachte Trouble ist zuerst dahin.", hörte ich Stephan und versteifte mich in Pauls Armen. „Sie wird nicht sauer sein, im Gegenteil. Marie ist deine Mama. Sie macht sich Sorgen, weil sie dich liebt. Wir alle tun das.", Pauls sanfte Stimmte schaffte es, dass ich mich vollständig entspannte und sogar kurz in einen traumlosen Schlaf fiel.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt