„Seht ihr, da ist sie wieder."

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„Du kannst leider nicht mit reinkommen Paul.", entschied die blonde Polizistin auf deren Namensschild 'Matera' stand. „Ich würde aber gerne reinkommen, Mila war die gesamte Zeit bei mir.", erklärte Paul und hielt mir die Hand hin. „Mach dir keine Sorgen Paul. Ich meine du selber hast gesagt das deine Kollegen die besten sind, also wird mir hier nichts passierten, oder?", erinnerte ich ihn an unseren ersten gemeinsamen Besuch auf der Wache. „Na gut. Aber wenn was ist ruf mich bitte.", wand mein Freund sich an seine Kollegin die ihn breit anlächelte und dann ihre Bürotür hinter mir schloss.
„Setzten Sie sich bitte.", wies mich die Polizistin an und ich kam ihrer Aufforderung zögernd nach. „Zuerst bräuchte ich Ihren Ausweis.", erklärte sie und zog eine Akte vor sich. „Ich hab keinen.", antwortete ich wahrheitsgetreu und versuchte auf mein Bauchgefühl zu hören ob ich der Beamtin trauen konnte oder nicht. „Dann bitte einmal ihren Namen.", bat sie und lächelte mich so freundlich an dass ich wusste dass ich ihr vertrauen konnte. „Mila Fuchs.", antwortete ich und sah sie eine Sekunde lang stutzen. „Jep, ich bin die Tochter Ihres Kollegen Martin Fuchs.", informierte ich sie bevor sie fragen konnte. „Ich wusste gar nicht das Martin eine Tochter hat. Aber ihr habt die selben Augenfarbe.", entfuhr es der Beamtin und lächelte mich noch breiter an. „Weil er erst selber seit einer Woche von mir weiß. Und ich von ihm.", gab ich zu und fing an zu lächeln als mich Frau Matera geschockt ansah. „Das musst du mir jetzt genauer erklären.", bat die Polizistin und schein schon völlig vergessen zu haben, warum ich vor ihr saß.
„Ich bin bei meiner gewalttätigen Mutter und meinem mindestens genauso gewalttätigen Stiefvater aufgewachsen. Leider war ich für meine Mutter wohl die lebende Erinnerung an ihre gescheiterte Beziehung mit Martin, da sie mich vor der Welt geheim hielt und mir nicht mal einen Namen gegeben hat. Irgendwann bin ich dann auf Paul und Stephan gestoßen, durch die hab ich Martin kennen gelernt und lebe nun bei ihm und Marie. An sich wollten wir morgen zum Standesamt und mich endlich offiziell anmelden sowie Olga und Hubert wegen Körperverletzung anzeigen.", fasste ich mein gesamtes Leben in kurzen Sätzen zusammen und atmete tief durch. „Du veräppelst mich doch, oder? Babbelst du einfach drauf los?", fassungslos sah mich die Beamtin an und riss ihre Augen auf als ich stumm meinen Kopf schüttelte und mein Pullover so weit hochzog dass sie die fast verheilten Hämatome und Narben auf meinem Oberkörper sehen konnte.
„Ich nehme an dass mich eine Franziska Maurer angezeigt hat oder? Oder das sie zu mindestens Zeugin der Tat gewesen sein will.", mutmaßte ich und fing zu lachen als die Polizistin nickte. „Das ist meine Halbschwester und hat beim jahrelangen drangsalieren mir gegenüber mitgemacht. Sie wollte mich sogar bei Ihren Kollegen Robin und Conni eines falschen Diebstahles beschuldigen und ist abgehauen als die beiden mich in den Kiesboden gedrückt haben.", erklärte ich ihr und zuckte zusammen als die Beamtin aufsprang und um den Tisch eilte. „Komm her.", brummte sie und zog mich an ihre Brust. Ich weiß nicht genau warum, aber als sie mich an dich drückte brachten meine Mauern, die mich ihr alles so kalt und emotionslos erzählen lassen ließen, ein und ich fing an zu weinen. „Du bist so ein starkes Mädel.", raunte sie mir ins Ohr und ich brach völlig in ihren Armen zusammen. „Paulchen?!", rief sie in Richtung ihrer Bürotür und im nächsten Augenblick standen Paul und Stephan im Raum. „Was ist passiert?", wollte Stephan wissen, während mein Freund an meine Seite eilte und mich aus den Armen seiner Kollegin direkt in seien Arme zog. „Sie hat mir alles erzählt. Von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater und dann....", begann die Polizistin zu erklären und ich hatte das Gefühl das sie immer leiser wurde. „Mila? Hey, bleib wach!", besorgt schlug mir Paul gegen die Wange und ließ sich mit mir auf den Boden sinken. „Micha! Wir brauchen einen RTW!", rief Stephan in den Flur der Wache und zog sein Handy aus der Hosentasche. „Nicht Papa...", nuschelte ich und versuchte meine Augen offen zu halten. „Oh doch. Wir rufen ihn an.", widersprach mir mein Freund und strich mir liebevoll über die Wange. „Paul...", hauchte ich und wurde ohnmächtig.

„Macht euch keine Sorgen. Das ist wahrscheinlich nur ein Kreislaufkollaps.", hörte ich Herr Dreier und öffnete müde meine Augen. „Seht ihr, da ist sie wieder.", wand er sich an die Personen außerhalb meines Blickfeldes. Sofort schwebten die Gesichter von Paul und meines Vaters über meinem. „Wie geht es dir?", wollte Martin direkt wissen und half mir dabei mich aufzusetzen. „Ich bin nur etwas müde.", beruhigte ich ihn und sah mich im Raum um. Erst als mein Blick auf die blonde Beamtin fiel, fiel mir wieder ein dass ich ihr alles erzählt hatte. „Es tut mir leid, Martin. Ich hab mich nicht an unseren Plan gehalten.", wand ich mich an meinen Vater und sah ihn traurig an. „Das ist schon okay. Du hast den Mut gehabt das jemanden zu sagen. Jetzt wird alles seinen Weg gehen.", beruhigte mich Martin und nahm mich in den Arm. „Dein Vater hat Recht. Die Misshandlungen werden als Offizialdelikt verfolgt und alles geht seinen Gang. Am besten kommst du morgen, sobald du einen Ausweis hast, noch mal bei uns vorbei und dann können wir genauer darüber reden.", erklärte mir Frau Matera und hockte sich vor mir und Martin hin. „Bist du dann dabei?", ängstlich sah ich meinen Vater an. „Natürlich.", stimmte er gleich zu und ich lehnte mich müde an ihn. Nur um mich in der nächsten Sekunde direkt wieder von ihm zu lösen. „Aber ich hab doch keine Geburtsurkunde. Und auch keinen Geburtstag. Also bekomme ich keinen Ausweis. Und kann die beiden nicht anzeigen. Aber dann finden die beiden mich irgendwann wieder. ", immer schneller ging mein Atem und ich sah panisch zwischen Paul und Martin hin und her. „Beruhig dich. Für deinen Geburtstag rechnen wir einfach vom Tag der Trennung, von Olga und Martin, neun Monate weiter.", schlug Stephan vor und setzte sich neben Paul auf den Fußboden. „Wir haben uns Ende Januar getrennt. Ich hab bestimmt noch irgendwo den Brief von Olga auf dem Dachboden.", erklärte Martin und sah zu Klaus. „Es müsste der 25. gewesen sein. Ich weiß noch genau wie deprimiert du auf dem Geburtstag von Hannes warst.", wand er ein und Martins Blick schnellte zu mir. „Siehst du? Der 25. Oktober 1992. Das ist doch ein schönes Datum.", hauchte er mir zu und ich nickte. „25. Oktober 1992.", wiederholte ich zögerlich und atmete tief durch.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt