„Ich hab noch nie jemanden aus einem Bullenhaus ausbrechen sehen."

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„Gott waren die süß. Dein Freund ist ja ein richtiges Schnuckelchen.", schwärmte Tabea und ich presste meine Lippen aufeinander. Innerlich betete ich, dass die beiden mich nicht bei Marie verraten würden, denn dann würde ich noch mehr unter Beobachtung stehen. „Alles gut?", Tabea stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite und riss mich so aus meinen Gedanken. „Lass mich raten, du hast deine Stiefmutter angelogen und hast jetzt Angst dass die beiden dich verpetzten?", mutmaßte sie und ich nickte. „Das glaube ich nicht. Dem Blick von deinem Freund nach zu urteilen, wird er das erst mal mit dir klären wollen. Er sah richtig fertig aus.", berichtete Tabea und ich sah sie traurig an. „Ach Mensch das wollte ich nicht. Komm ich bring dich heim. Dann kannst du deine Stiefmama vielleicht schon selber einweihen.", Tabea harkte sich bei mir ein und wollte mich mit sich ziehen, als mein Handy das Eingehen einer neuen Nachricht verkündete.
„Keine Sorge ich sage Martin und Marie nichts. Ich freue mich dass du Freunde außerhalb der Wache hast. Aber bitte weihe das nächste mal jemanden ein. Falls was passieren sollte. Du fehlst mir.", lass ich vor und atmete erleichtert durch. „Siehst du dein Freund ist voll in Ordnung.", jubelte meine Freundin und fiel mir um den Hals.
Dennoch hatte ich ein schlechtes Gewissen, da ich Paul gegenüber so kalt gewesen war. Tabea gegenüber ließ ich mir aber nichts anmerken und brachte sie zu ihrer S-Bahn Station und lief dann selber heim.

Paul hielt sein Versprechen und erzählte meinen Eltern nichts von der kleinen Lüge. Ich schrieb ihm und bat ihn um ein Treffen am Sonntag bei mir zuhause, am Samstag würde ich mich wiedermal mit Tabea treffen. Mit ihr verbrachte ich die meiste Zeit in den letzen Tage und war kaum zuhause. Marie und Martin erzählte ich immer, dass ich bei Paul war.
„Zieh dich hübsch an, wir gehen heute feiern.", wies mich Tabea an, als wir am Samstag Vormittag miteinander telefonierten. „Ich hab da ehrlich gesagt nicht so Lust drauf.", wiegelte ich ab und ging raus auf meinen Balkon. „Nichts da. Mein Freund kommt mit und passt auf dass uns nichts passiert. Wir holen dich auch ab.", entschied Tabea und ließ keinen weitern Widerspruch zu. Also verabschiedete ich mich von ihr und ging runter in das Wohnzimmer, wo Martin und Marie gerade auf dem Sofa lagen und sich einen Film ansahen.
„Du, Papa?", ich biss mir auf meine Unterlippe und setzte mich auf den Sessel, auf dem er sonst immer saß. „Was willst du?", lachte der Angesprochene und pausierte den Film. „Ich wollte dich fragen ob es okay ist, wenn ich die Nacht über bei Paul bin.", log ich ihn an und versuchte möglichst glaubhaft zu wirken. „Paul hat doch heute Nachtschicht.", ohne seine Frau loszulassen, setzte sich mein Vater auf und sah mich prüfend an. „Er hat die Schicht mit jemanden getauscht.", entfuhr es mir schneller als ich denken konnte. „Was habt ihr denn vor?", wollte Marie wissen und lächelte mich mütterlich an. „Ach, nur ein paar Filme schauen, aber es ist halt entspannter wenn man nicht ständig auf die Uhr schauen muss.", log ich weiter und hoffte das Martin mich nicht durchschaute. „Tut mir leid, aber nein. Ich hab heute meinen freien Tag und wollte mir euch beiden einen gemütlichen Abend verbringen. Allein weil du in der letzen Woche jede freie Minute unterwegs warst.", entschied mein Vater und ich sah ihn fassungslos an. „Bitte? Freu dich doch dass ich nach dem Mist mit Max wieder raus gehe.", versuchte ich ihn zu überreden, aber Martin bleib hart. Ich sah ihn sauer an und stampfte zurück in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett fallen ließ, aber nicht ohne vorher die Tür mit einem lauten Knall zuzuschlagen.
„Hey Bea.", begann ich die Sprachnachricht na Tabea, in der ich ihr erzählte das mein Vater mich nicht rausgehen lassen würde. Ihre Antwort ließ nicht lange auf sich warten, sie versprach mir einen Weg zu finden, dass ich dennoch auf die Feier gehen konnte.

Ein paar Stunden später klopfte Marie an der Tür und wollte mich zum Essen holen. „Mir geht's nicht gut.", nuschelte ich und hielt mir den Kopf. „Du siehst auch blas aus.", besorgt setzte sich meine Stiefmutter zu mir ans Bett und legte mir ihre Hand auf die Stirn. Innerlich machte ich mir eine Notiz, Tabea für die Idee mit dem zu hellen Make-up zu danken. „Geb mir ein paar Minuten. Dann komme ich runter.", stöhnte ich und wollte mich aufsetzten. „Bleib liegen. Schlaf doch schon ein wenig. Dann geht's dir bestimmt schnell besser.", mit größter Sorgfalt deckte sie mich zu und ging zur Tür. „Und mach dir um deinen Vater keine Sorgen. Ich kläre das mit ihm.", sie schien meine Nervosität auf eine Mögliche Standpauke von Martin zu beziehen und nicht darauf dass ich mich in wenigen Minuten aus dem Haus stehlen würde.

Mit Tabea hatte ich ausgemacht, dass sie mir eine Nachricht schrieb, wenn sie und ihr Freund da wären. Die beiden würden eine Leiter an meinen Balkon stellen auf der ich dann hinter klettern konnte. Und so kam es auch. Keine zwei Minuten nach ihrer Nachricht standen Tabea und ein großer, muskulöser Mann unter meinem Fenster und strahlten mich an. „Wartet.", raunte ich ihnen zu und stopfte Pauls Decke so unter meine, dass es aussah als würde ich darunter liegen. „Fang.", ich warf meinen Rucksack mit dem Party-Outfit und ein paar Schminksachen runter und stieg dann auf die Leiter. „Ich hab noch nie jemanden aus einem Bullenhaus ausbrechen sehen.", lachte Tabeas Freund und hielt mir seine Hand hin, „Ich bin Peter.". „Mila.", ich schüttel seine Hand und half ihm dann dabei sie Leiter für später zu verstecken.


Als wir in der Disko ankamen, war ich kurz davor eine Panikattacke zu bekommen. „Hier trink.", Tabea hielt mir ein Glas hin aber ich dachte direkt an die Ko-Tropfen und schüttelte meinen Kopf. „Glaubst du wirklich ich würde dir was ins Glas kippen? Mir ist es doch selber passiert. Das ist bloß Cola-Korn. Das macht dich lockerer und wir können den Abend genießen.", erklärte meine Freundin und ich nahm ihr das Glas ab. Unschlüssig roch ich daran und traute mich dennoch nicht davon zu trinken. „Dann lass uns das Glas tauschen. Dann bist du doppelt sicher.", schlug Tabea vor und sofort tauschten wir unsere Gläser. „Denk nicht nach, trink es einfach.", erklärte sie und trank ihr Getränk in einem Zug aus. Ich tat es ihr gleich und verzog das Gesicht. „Verdammt das brennt.", fluchend stellte ich das nun leere Glas auf einem der Stehtische ab. „Das ist der Korn. Aber daran gewöhnst du dich.", erwiderte Tabea und zog mich mit sich.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt