„Tötet mich einfach. Ich kann das nicht noch mal!"

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„POLIZEI!".
Das Licht wurde eingeschaltet, die Musik verstummte und Menschenmassen strömten in alle Richtungen. Einige Personen liefen über mich rüber und ich rollte mich in einen Ball zusammen und versuchte meinen Kopf zu schützen. „Ich bekomme dich noch.", hörte ich Hubert ganz dicht an meinem Ohr, gefolgt von einem letzten Tritt gegen meinen Kopf.
Das Blut rauschte in meinen Ohren und meine Sicht trübte immer mehr ein. „Lass mich durch. Aus dem Weg.", kam eine vertraute Stimme immer näher. „"ICH HAB SIE! HOLT DEN RETTUNGSDIENST", brüllte die Stimme und ich hörte etwas leise rascheln. „Mila?", als ich spürte wie mich jemand berührte fing ich panisch an zu brüllen. Ich brüllte obwohl mir mein Hals und mein gesamter Körper weh tat. „Ich bin es, Paul.", versuchte mein Freund mich zu beruhigen aber ich brüllte weiter. Brüllte weiter und rutschte von ihm weg. Dabei stieß ich mit dem Kopf gegen irgendwas und spürte wie mir schwindelig wurde. Paul kroch mir hinter und ich sah wie seine Hand zu meinem Kopf schnellte als meine Augen nach hinten rollten und ich ohnmächtig wurde.

„Papa!", ich setzte mich ruckartig auf und ignorierte den Schmerz der dabei durch meinen Körper schoss. Nicht mal eine Sekunde später saß Martin in meinem Krankenbett und wollte mich an seine Brust ziehen ich wich aber von ihm weg. „Du bist tot.", erklärte ich ihm und drückte mir meine rechte Hand gegen die Stirn in der Hoffnung den pochenden Schmerz so dämpfen zu können. „Ich bin nicht tot, nur verletzt.", widersprach mein Vater und hob sein T-Shirt so weit hoch dass ich den Verband sehen konnte der um seinen Bauch gewickelt war. „Okay.", entfuhr es mir tonlos ehe ich wieder in mir zusammensackte und alles schwarz wurde.

„Ich schwöre dir Marie. Sie war wach. Sie war wach und hat mit mir gesprochen.", Martin klang verzweifelt. „Hast du dir das auch sicher nicht eingebildet? Die Ärzte meinten doch dass ihre Verletzungen so schwer sind dass sie...", auch Marie klang verzweifelt und schrie erschrocken auf als ich mich aufsetzte. „Wie geht es dir?", besorgt sah mich mein Vater an und ich überlegte einen Augenblick. Die Schmerzen waren schwächer als davor. Aber noch immer hatte ich das Gefühl dass die Hände der Männer noch auf meinem Körper waren. „Gut.", antwortete ich daher knapp, legte mich wieder hin und zog mir die Decke bis unter das Kinn.
„Ruh dich aus mein Kleine. Wir sind hier.", zögerlich hob Martin seine Hand um mir über den Kopf zu streicheln ließ es aber bleiben als er meinen ängstlichen Blick sah mit dem ich seine Hand fest im Blick hielt.

Ich wachte erst einige Stunden später auf, als ich ein Piepen neben meinem Bett hörte. „Ich wollte dich nicht wecken.", Julia Mertens stand neben meinem Bett und notierte sich etwas auf einem Klemmbrett. „Schon gut.", nuschelnd sah ich zu meinen Füßen und entdeckte das sowohl Martin als auch Marie eingeschlafen waren und ihren Kopf auf dem Bett abgelegt hatten. „Sie haben dich keine Sekunde allein gelassen und haben vor Freunde geweint als du heute früh aufgewacht bist.", informierte mich die Ärztin und sah lächelnd zu meinen Eltern.
„Wie geht es dir?", wollte Frau Mertens wissen und legte das Klemmbrett weg. Irgendwas an ihrer Art brachte mich dazu ihr die Wahrheit zu sagen, nämlich dass ich fühlte als wäre ich unter einen Panzer gekommen. „Das glaube ich dir. Du hast einen gebrochenen Arm, eine gebrochene Nase und drei gebrochene Rippen. Und einige Hämatome und ein blaues Auge. Am schlimmsten waren aber die inneren Blutungen und die Kopfplatzwunde. Lange stand dein Leben auf der Kippe.", informierte sie mich und ich war ihr dankbar dass sie kein Blatt vor den Mund nahm.
Aber als ihr professionelles Lächeln verschwand stieg wieder Panik in mir auf.
„Wir haben aber auch Hämatome an deinen Oberschenkeln gefunden. Und Verletzungen in deinem Intimbereich.", da ich wusste worauf die Ärztin anspielte schnellte mein Blick zu meinen Eltern um sicher zu gehen dass sie noch immer schliefen. „Mila, wurdest du vergewaltigt?", sprach Julia die Frage aus und ich kniff meine Augen zusammen. „Wenn du es nicht willst, werde ich es niemanden sagen, aber ich muss es wissen. Damit ich weiß ob ich dich und dein Blut auf eventuelle Krankheiten untersuchen muss.", versuchte mir die Ärztin ihre Beweggründe klar zu machen. „Sie sagen nichts?", harkte ich nach und sah sie mit Tränen in den Augen an. „Ich bin an die Ärztliche Schweigepflicht gebunden. Und du bist volljährig. Ohne dein Einverständnis sage ich niemanden etwas.", versicherte sie mir und ich atmete tief durch.
„Angefasst. Und einer hat zwei Finger...", weiter kam ich nicht denn mein Magen zog sich krampfhaft zusammen und ich spürte wieder die fremden Hände an und in meinem Körper. „Dir kann hier nichts passieren. Darf ich dich trösten?", die Ärztin hielt mir ihre Arme hin und ich sah es ihr an, dass sie gegen den Drang ankämpfte mich einfach in den Arm zu nehmen. Schwach nickte ich und lag einen Augenblick später in ihren Armen. Um mich besser trösten zu können, setzte sie sich neben mich in das Krankenbett. Mir liefen die Tränen über die Wange und ich krallte mich mit meiner linken Hand in ihren Arztkittel. „Ich kann mir nicht mal vorstellen wie es dir geht, aber ich verspreche dir dass alles wieder gut wird.", versprach mir Julia und drückte mich noch mehr an sich.
Völlig erschöpft sackte ich zusammen, was der Ärztin nicht verborgen blieb, denn sie lies mich los und legte meinen Kopf auf dem Kissen ab. „Schlaf ruhig. Und mach dir keine Sorgen, ich halte mein Versprechen.", hörte ich sie noch sagen bevor mir meine Augen zu fielen.

Gerädert wachte ich wieder auf, als mir jemand mit etwas nassen über das Gesicht strich. „NEIN!", ich rutschte von den Berührungen weg und fiel dabei aus dem Bett. „Frau Fuchs, was machen Sie denn?", eine in blau gekleidete Frau tauchte in meinem Blickfeld auf und wollte unter meine Arme greifen um mir beim Aufstehen zu helfen. „Bitte nicht noch mal.", kreischend robbte ich mich von ihr weg und riss mir dabei den Zugang und die Elektroden vom Körper. „Beruhigen Sie sich doch.", von meiner Reaktion irritiert kam die Schwester hinter mir her. „Tötet mich einfach. Ich kann das nicht noch mal!", flehte ich die Person an und sah vor meinem innren Auge Chantal vor mir stehen. Die Krankenzimmertür wurde aufgerissen und ein Mann mit zwei weiteren Krankenschwestern kamen in den Raum geeilt. „Bianca. Was zum Teufel ist hier los?", wollte der Mann von der bereits anwesenden Schwester wissen. „Was wohl? Sie liegt jetzt seid 50 Stunden nur im Bett. Ich wollte sie frisch machen.", verteidigte sich die angesprochene Krankenschwester und wollte wieder an meinen Oberarm greifen. „Hast du bei der Übergabe geschlafen? Niemand darf sie ohne ihr Einverständnis anfassen.", zischte der Mann, der für mich immer mehr Ähnlichkeit mit Justin hatte. „Soll sie sich mal nicht so anstellen.", die Schwester warf mir einen missbilligenden Blick zu was den Mann zum Ausrasten brachte. „Raus hier. Und zwar alle!", brüllte er und ich rutschte bis in die Ecke und versuchte mich ganz klein zu machen.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt