„Bitte? Womit lässt du sie denn noch durch kommen?"

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Seine Augen schienen mich in ihren Bann zu ziehen und zum ersten mal seid langen hatte ich das Gefühl von Sicherheit. Meine Atmung beschleunigte sich und mein Herz begann zu rasen. „Soll ich deinen Vater holen?", Paul war schon dabei aufzustehen, als ich seine Hand ergriff, ihn zu mir zog und meine Lippen auf seine drückte.
Völlig überrumpelt versteifte sich mein Freund, aber als ich eine Hand an seinen Hinterkopf gleiten ließ spürte ich wie er in den Kuss lächelte und mich an sich presste. Seine Zunge stupste zaghaft gegen meine Lippen die ich sofort öffnete. Unsere Zungen schienen den Kampf auszufechten der in meinen inneren tobte. Die guten Erinnerungen bekämpften die Schlechten. Nach und nach verschwanden die Bilder, das Gefühl der Hände der fremden Männer und ich spürte nur noch Paul und ganz viel Liebe und Sicherheit. Pauls Hände glitten wie damals über meinen Körper, auch wenn sie immer wieder stoppten als hätte er Angst zu weit zu gehen. Nur das ich keine Angst mehr hatte.

Als wir uns nach Luft schnappend voneinander lösten, liefen uns beiden die Tränen über die Wangen. „Du hast mir so gefehlt.", hauchte Paul und wischte mit seinem Daumen vorsichtig über meine Wange. „Ich liebe dich so sehr.", gestand ich und lehnte meine Stirn gegen seine. „Und ich dich erst.", mit einem breiten Lächeln umfasste mein Freund mein Gesicht mit seinen Händen und drückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze.
„Alles gut hier?", mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen und Martin stolperte in den Raum. „Mehr als gut.", erwiderte ich und lehnte meinen Kopf an Pauls Schulter. „Und warum weint ihr beiden dann?", harkte mein Vater nach und kam besorgt näher. „Deswegen.", hauchte ich, legte Paul meine Hand an die Wange um sein Gesicht zu mir zu drehen und ihn zu küssen.
Als großer Jubel aus dem Flur zu hören war lösten wir uns voneinander und reckten unsere Hälse um durch die offene Tür sehen zu können. „Ich schwöre dir Hannah! Die beiden haben sich geküsst!", hörten wir Daniel sagen und fingen lauthals an zu lachen. „Fängt das jetzt wieder an dass ich euch ständig beim Knutschen erwische?", brummte Martin und ließ sich auf dem Sessel fallen. „Kannst ja auch anklopfen.", zog Paul seinen Kollegen auf und begann mir sanft über den Rücken zu streicheln.
„Ich werde doch nicht anklopfen, wenn ich mir Sorgen um meine...", fing mein Vater an zu widersprechen als das gekünstelte Räuspern von Marie aus dem Flur zu hören war. „Okay, ich werde das nächste mal anklopfen. Aber bitte erspart mir den Anblick im heimischen Wohnzimmer oder hier auf der Wache.", bat Martin und fuhr sich durch die Haare. „Versprochen, Martin.", stimmte Paul zu und ich sah ihn überrascht an. „Dein Vater und ich haben gestern geredet und uns ist klar geworden dass wir wie die letzten Idioten gehandelt haben. Du bist erwachsen und entscheidest selber mit wem du Zeit verbringst.", erklärte der Oberkommissar und nickte wissend. „Lass mich raten, Mama hatte da auch ihre Finger mit ihm spiel?", mutmaßte ich und sah zur Tür durch die meine Stiefmutter trat. „Diesmal nicht, darauf sind die beiden ganz allein gekommen, nachdem du zu Hannah geflüchtet bist.", erwiderte sie und ließ sich von ihrem Mann auf seinen Schoß ziehen.
„Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt heim fahren? Ich hab nämlich Hunger.", schlug ich vor und versuchte den Moment ganz auszukosten, denn ich wusste das das nächste Drama schon bereitstand. „Daraus wird leider nichts, Mila.", machte Klaus meine Hoffnung zunichte als er mit einem ernsten Gesichtsausdruck in den Pausenraum seiner Wache kam. „Was ist los?", Paul setze sich kerzengerade auf und drückte mich an sich.
„Das Essen ist schon auf dem Weg hier her. Daher kann ich euch nicht gehen lassen.", antwortete der Dienststellenleiter emotionslos und wir vier starrten ihn an. „Paul?", mein Vater verengte seine Augen zu schlitzen und ließ seinen besten Freund keine Sekunde aus den Augen. „Bin dabei.", brummte der Angesprochene und wie auf Knopfdruck schob er mich und Martin Marie vom Schoß und jagten hinter Klaus her.
Ich sah wohl ziemlich geschockt aus, denn sowohl Marie als auch Stephan setzten sich sofort links und rechts neben mich. „Mir geht es gut. Keine Sorge.", beruhigte ich die beiden während ich aber weiter auf die Tür starrte durch die die drei Beamten vor wenigen Sekunden geeilt waren. „Die bekommen sich schon wieder ein, erst recht vor allem weil draußen auch nicht-Polizisten rum laufen. Aber lass uns mal los, denn ich glaube wenn die das bestellte Essen zuerst in die Hände bekommen, bekommen wir nichts mehr ab.", lachte Stephan, ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her.

Kaum waren wir beim Eingangsbereich der Wache angekommen, kam auch der Lieferant an. „Das nenne ich Timing. Die Rechnung schicken Sie bitte an Klaus Wiebel.", informierte Stephan den Lieferanten und entriss ihm die beiden Tüten voller Essen. „Das geht so einfach?", neugierig sah ich meinen besten Freund an und folgte ihm weiter zurück in den Konferenzraum. „Klar. Wobei ich nicht wies ob Paul und Martin ihn noch solange leben lassen.", scherzte Stephan und hielt mir die Tür auf. „Wen sollen wir leben lassen?", wie aus dem nichts tauchte Paul hinter mir auf und ich zuckte quietschend zusammen.
„Ist hier eine Maus?", scherzte Klaus der ebenfalls völlig entspannt um die Ecke kam. „Nein, nur deine Nichte die sich gerade fast strafbar gemacht hat.", lachte ich und schlug Paul gegen den Oberarm. „Naja das hast du ja jetzt wirklich. Das gerade war Angriff auf einen Polizeibeamten. Aber weil du meine Lieblingsnichte bist, lass ich das mal unter den Teppich fallen.", raunte der Dienststellenleiter verschwörerisch und zwinkerte mir zu. „Bitte? Womit lässt du sie denn noch durch kommen?", gespielt empört sah Paul seinen Vorgesetzten an der nur mit seinen Schultern zuckte.
„Können wir jetzt was essen?", forderte Stephan und begann in den Unmengen an Verpackungen nach seinem Essen zu suchen. „Was habt ihr eigentlich bestellt?", wollte ich wissen und ging auf den Berg an Essen zu. „Beim Imbiss gegenüber. Keine Ahnung was Klaus für dich bestellt hat, aber für mich gibt es Pommes Schranke.", erwiderte mein bester Freund und hielt triumphierend seine Styroporverpackung hoch.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt