„Es gibt es neues Video von Hubert."

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„Also ist alles gut?", fragte Martin zum gefühlt hundertsten Mal nach als wir auf dem Weg zum Restaurant waren. „Willst du dir den Brief noch mal durchlesen? Dann nehme ich es auf und spiele es in Dauerschleife ab.", zog Paul seinen Kollegen auf und streckte ihm die Zunge raus. „Willst du dass ich dich hier auf der Stelle raus schmeiße?", konterte mein Vater und warf Paul einen giftigen Blick über den Rückspiegel zu. „Wollt ihr uns erst dran erinnern wieso wir beim ersten Mal mit ihr Essen gehen wollten?", kam es von Marie bevor Paul was sagen konnte. Augenblicklich sahen mich die beiden Männer an und ich kam ihnen zuvor. „Keine Sorge. Ich bin euch nicht böse. Martin macht sich halt nur Sorgen. Und Paul ist einfach Paul.", beruhigte ich alle und lehnte mich an die Schulter meines Freundes.

Als mein Vater auf den Parkplatz eines Restaurant fuhr wurde ich langsam nervös. „Alles gut?", als würde er spürten was los ist sah mich Paul prüfend an. „Ich war noch nie essen.", gestand ich ihm leise als das Handy von Martin zu klingeln anfing. „Stöpsel ist gerade mies.", versuchte mein Vater seinen besten Freund abzuwürgen und hob die Hand als wir anderen schon aussteigen wollten. „Wir machen uns auf den Weg.", brummte Martin und warf sein Handy, nachdem er aufgelegt hatte, auf das Armaturenbrett.
Aufgrund seiner Geste versteifte ich mich und krallte mich an Pauls Oberschenkel fest. Marie schien es nicht anders zu gehen als mir, denn sie war kaum zu hören als sie fragte „Was ist passiert?".
„Es gibt es neues Video von Hubert.", fluchte Martin und startete den Wagen. „Ist er wieder da?", harkte ich nach und versuchte den Brechreiz zu unterdrücken. „Nein, laut ihm ist er noch in Kasachstan. Weiter hat Chris noch nicht geguckt. Er wartet auf uns sieben.", antwortete mein Vater und lenkte den Wagen auf dem schnellsten Weg zur Wache. „Uns sieben?", wiederholte Paul und legte seine freie Hand auf meine, die sich noch immer in seinen Oberschenkel bohrten. „Laut Chris sind wir Thema im Video.", erklärte Martin. Den Rest der Fahrt hingen wir alle unseren Gedanken nach und keiner Traute sich seine Vermutungen laut auszusprechen.

„Hey ihr vier.", begrüßte uns Robin und wies zu seiner rechten wo Chris schon in der offenen Konferenzraumtür stand. „Ich hab Angst.", gestand ich schneller als ich es denken konnte. „Wir alle haben Angst. Aber wir werden dich nicht allein lassen.", erwiderte Paul und griff nach meiner linken Hand. „Nie im Leben.", fügte mein Vater hinzu und griff meine rechten Hand. „Zu jeder Zeit.", hauchte Marie und nahm die freie Hand ihres Mannes in ihre.
„Kommt ihr?", rief Chris uns zu und ich war mir sicher dass er uns unsere Panik ansehen konnte, aber ließ sich nichts anmerken. Kurz sahen wir vier uns an und nickten. Da ich mit den Krücken laufen musste, ließen Paul und Martin mich wieder los. Aber während mein Vater Marie an sich drückte, legte mir Paul eine Hand auf meinen Rücken und strich sanft darüber.
Im Konferenzraum angekommen, stellten wir fest das die anderen schon vor uns da waren. Sie saßen an dem Tisch, starrten in die Tassen vor sich und schreckten hoch als sie uns hörten. Schnell suchten auch Marie, Martin, Paul und ich uns einen Platz und Chris stellte sich vorne hin.

„Ich würde sagen wir spielen das Video einfach ab und schauen was er diesmal ausgeheckt hat.", entschied Chris, aktivierte den Beamer und tippte auf dem Laptop vor sich herum. „Er... Sie... Ich...", stammelte ich und begann immer schneller zu atmen. „Du hast nichts falsch gemacht, Mila. Daran wird auch kein Video von ihm was ändern.", stellte Stephan klar und lächelte mich traurig an. „Können wir dann?", Chris sah einmal in die Runde und startete das Video als wir alle nickten.
Das Gesicht meines Stiefvaters erschien und ich presste meine Lippen aufeinander.

„Liebe Wählerinnen und Wähler, wieder muss ich mich mit einem Video an sie wenden aber die Geschehnisse der letzten Woche lassen mir keine andere Wahl. Meine geliebte Frau wurde angeschossen und wird nun als Schwerverbrecherin behandelt dabei hat sie nichts getan. Viel mehr war es meine Stieftochter Mila. Sie hat den Beamten eingeredet das meine Frau sie heimsucht. Heimsucht und umbringen will. Daher haben sich die sechs Personen, die meine Stieftochter am stärksten manipuliert hat, in meinem Haus in meinem Keller festgekettet. Das ganze haben sie freiwillig gemacht. Leider verbieten es mir meine Anwälte zu sehr ins Detail zu gehen, aber was ich ihnen sagen kann ist das Mila ihre Mutter töten wollte. Sie hat auf meine Frau gezielt und hat ohne mit der Wimper zu zucken abgedrückt.", erzählte Hubert und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht von der ich wusste dass sie genauso falsch war wie die Sachen die er erzählte,
„Ich bitte Sie, meine treuen Wählerinnen und Wähler nicht auf das zu hören was ihnen Mila Fuchs, und die Beamten der Wache Nord ihnen sagen. Habe ich Ihnen je einen Grund gegeben an mir zu zweifeln? Ihr Hubert Maurer.". Das Video stoppte genauso wie mein Herzschlag und meine Atmung.
„Das ist nicht sein Ernst.", fluchte Klaus und schlug mit seiner Faust auf den Tisch. „Das wird ihm keiner glauben!", versuchte Hannah mich zu beruhigen aber ich schüttelte meinen Kopf. „Es werden ihm alle glauben. Ich freue mich dass er eure Namen nicht genannt hat, so richtet sich der Zorn seiner Anhänger nur auf mich.", widersprach ich ihr und starrte dabei auf die Wand an der bis vor ein paar Augenblicken Hubert zu sehen war. „Der Zorn wird dich auch nicht treffen ich meine wer würde...", fing Marie an und ich unterbrach sie. „Wer würde schon annehmen das die Frau die einfach aus der Versenkung aufgetaucht ist, die Frau von der bis vor einem halben Jahr niemand was gehört hat, die Böse in dieser Geschichte ist? Ich bin die Böse, denn all die Sachen passieren erst seit dem ich da bin.", brummend stand ich auf und griff nach meinen Krücken.
„Ich möchte gerne nach Hause. In mein Bett.", bat ich meinen Vater als ich an ihm vorbei humpelte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt