„Aber für mich ist das schlimm."

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„Mila?", Paul eilte mir hinterher und stieß mit mir zusammen, da ich schon wieder abrupt stehen blieb. Gemeinsam fielen wir zu Boden und ich kniff die Augen zusammen als mein Kopf Bekanntschaft mit den Pflastersteinen machte. „Ist dir was passiert?", besorgt half der Oberkommissar mir dabei mich aufzusetzen und kniete dabei mitten in einer Pfütze, was ihn aber nicht groß zu stören schien. „Mir geht's gut.", beruhigte ich ihn und sah mich weiter nach dem Wagen meines besten Freundes um. „Stephan und Daniel sind doch schon lange mit den Mädels weg. Wenn du ihnen was wichtiges sagen willst, dann ruf sie doch an.", schlug Paul vor und stand auf. „Ich wollte ihnen nichts sagen.", widersprach ich und nahm meine Krücken in die Hand um ebenfalls aufzustehen. „Und warum bist du denen dann hinterher gerannt?", erkundigte er sich und hielt mir seine Hände hin. „Weil ich was vergessen habe.", antwortete ich wage und zog mich an seinen Händen hoch. „Und was?", ließ Paul nicht locker und sah mich streng an. „Ich hab die Tüten in Stephans Kofferraum vergessen.", gestand ich nuschelnd und sah auf unsere Fußspitzen.
Einige Augenblicke waren nur die gedämpften Geräusche aus der Bar zu hören, bis Paul laut zu lachen anfing.
„Warum lachst du?", geschockt sah ich meinen Freund an und wich einen Schritt von ihm zurück. „Weil ich mir schon das Schlimmste vorgestellt habe.", keuchte Paul und wischte sich die Lachtränen aus dem Augenwinkeln. „Aber für mich ist das schlimm.", fuhr ich ihn an und wich noch einen Schritt zurück. Das Lachen meines Freundes verstummte und er atmete tief durch: „Du hast Recht. Es tut mir leid Mila.". Obwohl ich ihm ansah das es ihm leid tat, schüttelte ich meinen Kopf. „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen.", versicherte Paul und fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß. Aber es fühlt sich so an. Und als würdest du mich nicht ernst nehmen.", offenbarte ich ihm meine Gefühle und spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Die Augen des Oberkommissars wurden glasig und es war, als wäre er abwesend. Seine Pupillen glitten hin und her während seine Mundwinkel zuckten. Ich war schon kurz davor mein Handy aus der Hose zu ziehen um Oliver anzurufen, als mein Freund seinen Kopf schüttelte und wohl wieder zu sich kam.
„Du hast Recht.", mit einem ernsten Gesichtsausdruck kam Paul auf mich zu und legte seine Hände auf meine Hüften. „Ich bin ein mieser Freund, das tut mir leid. Kann ich es irgendwie wieder gut machen?", verliebt sah mich Paul an und seine Fingerspitzen strichen sanft hin und her. „Du bist nicht mies.", widersprach ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, „Immerhin hast du mir mit meinen Problemen geholfen.".
„Das mag zwar sein. Aber das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich sollte dich und deine Sorgen ernst nehmen, nur denke ich immer als erste an die möglichen Probleme. Wahrscheinlich meinem Job geschuldet.", versuchte sich Paul zu erklären und atmete tief durch als müsse er sich beruhigen. „Vielleicht sollte ich mal mit Robert allein sprechen. Oder lieber mit der Dienststellenpsychologin.", sprach mein Freund weiter und ich runzelte meine Stirn. „Warum willst du zu der Dienststellenpsychologin?", harkte ich nach und bemerkte erleichtert dass seine Mundwinkel zuckten. „Weil ich der beste Partner für dich sein will, denn genau den hast du verdient. Nicht weniger. Und vielleicht muss ich die Keller-Sache auch einmal allein mit jemanden bereden um wirklich damit abzuschließen.", erklärte Paul und zog mich an sich. „Ich wollte dich nicht daran erinnern. Aber wir haben uns doch geschworen immer ehrlich zueinander zu sein, deswegen hab ich das angesprochen. Gerade wegen der letzten Apfel-Situation wollte ich nicht...", redete ich drauf los und Paul brachte mich mit einem Kuss zum schweigen.
Als er sich wieder von mir löste, lächelte ich mit geschlossenen Augen vor mich hin. „Sollen wir heim?", brummte Paul und lehnte seine Stirn an meine. „Vielleicht besser.", stimmte ich zu, da ich langsam Kopfschmerzen bekam. Trotzdem blieben wir noch ein paar Minuten an einander gelehnt stehen bis die ersten dicken Regentropfen uns trafen. So schnell wie wir konnten gingen wir zurück zu Pauls Auto und ich ließ mich halb durchnässt auf den Beifahrersitz nieder.
Gerade als mein Freund die Fahrertür geschlossen hatte, fing es noch heftiger an zu regnen und ich hörte dass Donnergrollen. Als der Blitz unsere Umgebung für einen Augenblick in helles Licht tauchte kniff ich meine Augen zusammen. „Hast du Angst vor Gewitter?", Paul legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und strich sanft darüber. „War bei einem noch nie draußen.", hauchte ich und öffnete meine Augen einen Spaltbreit. „Sollen wir zurück in die Bar? Soll ich in ein Parkhaus fahren oder zu dir nach Hause? Oder soll ich die Klappe halten?", löcherte mich Paul mit gefühlten tausend Fragen. „Fahr los. Aber bitte sei vorsichtig.", bat ich ihn leise und öffnete meine Augen nun komplett. „Dein Wunsch ist mir Befehl.", mein Freund drückte meinen Oberschenkel noch mal sanft und nahm seine Hand dann von mir um den Wagen zu starten.
Obwohl es heftig regnete und man die Hand nicht vor Augen sehen konnte, war Paul die Ruhe selber und fuhr gelassen zu dem Haus meines Vaters. „Darf ich dich ins Haus tragen, damit du nicht noch nasser wirst?", bat der Oberkommissar und ich schüttelte automatisch meinen Kopf. „Bin zu schwer. Ich will nicht dass du dir weh tust.", erklärte ich und griff nach der Autotür, Paul aber hielt mich auf. „Du bist nicht zu schwer. Ich will nicht das du krank wirst oder sogar auf den nassen Weg ausrutscht.", stellte mein Freund klar und sah mich eindringlich an. „Sagst du mir die Wahrheit?", ging ich auf Nummer sicher und Paul nickte direkt. „Okay.", stimmte ich zu und der Oberkommissar stieg sofort aus, wohl aus Angst dass ich meine Meinung noch mal ändern könnte.
„Halt dich gut fest.", ordnete er an, als er einen Arm unter meine Knie schob und den zweiten an meinen Rücken. „Bitte pass auf dich auf. Ich bin egal.", entfuhr es mir, als ich meine Arme um seinen Nacken schlang und mein Gesicht in seine Halsbeuge presste. „Darüber reden wir gleich.", brummte Paul und hob mich aus dem Auto, die Autotür schlug er mit einem gekonnten Fußtritt zu und eilte dann mit mir auf die Haustür meines Vaters zu.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt