„Ich merke schon, ich bin für immer abgemeldet."

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Als wieder wach wurde, hörte ich direkt das Schnarchen meines Vaters. Als ich meine Augen öffnete sah ich ihn auf dem Sessel sitzen, seine Arme verschränkt vor der Brust und seinen Kopf hatte er nach hinten fallen lassen.
Die Stimme von Marie war das nächste das ich hörte: „Er wollte dich partout nicht allein lassen.". Überrascht sah ich sie an und zog dann die Sofadecke enger um mich, da ich anfing zu frieren. „Er hatte Angst, dass du hinfällst wenn du aufstehst.", erklärte sie und nippte an ihrem Kaffe. „Das hab ich nicht gesagt.", brummte Martin und streckte sich. „Und wie du das hast.", widersprach meine Stiefmutter und zwinkerte mir zu. „Zieh sie ja nicht auf deine Seite. Wenn ihr beiden euch gegen mich verbündet bin ich verloren.", tadelte der Hauptkommissar und ich fing an zu lächeln.
„Scheinbar geht es unserem kranken Häschen wieder besser, wenn sich uns schon auslachen kann.", scherzte mein Vater und stand auf. „Ich lache euch nicht aus.", stellte ich direkt klar und zog mir die Decke bis unter die Nase. „Ach nein?", mit den Händen in die Hüften gestemmt baute sich Martin vor mir auf und sah mich tadelnd an. „Nein. Ich bin gerade nur glücklich. Weil es euch gut geht und ich euch lieb hab.", gab ich zu und sofort wurden die Gesichtszüge von Martin weich.

Da es mir wirklich ein wenig besser ging, traute ich mich auch an einem Zwieback zu knabbern, was sich eine Stunde später als Fehler herausstellte und ich wieder brechend über der Toilette hing. Davon bekamen weder Marie noch Martin was mit, denn Martin war auf dem Weg zur Arbeit und Marie stand in der Küche und kochte, das Brummen der Dunstabzugshaube übertönte alles.
Völlig geschafft ging ich mein Zimmer und kuschelte mich in meine Bettdecke. Ich war kurz davor wieder einzuschlafen, als mein Handy zu vibrieren begann. „Hallo?", meldete ich mich matt und schaffte es gerade so ein Auge offen zu halten. „Ich brauch dich wohl nicht fragen, ob es dir besser geht.", antwortete Paul und ich brummte zustimmend. „Soll ich vorbeikommen?", wollte der Oberkommissar wissen aber ich verneinte es direkt, weil ich nicht wollte das er sich ansteckte. „Glaub mir, mein Immunsystem ist super. Ich werde schon nicht krank.", versicherte Paul und ich hörte die Stimmen von Hannah, Stephan und Daniel im Hintergrund. „Gott Leute seid doch mal Still!", brüllte Paul ihnen zu, was mich zusammenzucken ließ.
„Tut mir leid Mila, aber die werten Kollegen hier benehmen sich mal wieder unter aller Sau.", zog mein Freund seine Kollegen auf die sich gleich lautstark beschwerten. Während ihrer hitzigen Diskussion schlief ich ein.

„Wenn ich es dir doch sage, sie ist beim Telefonieren eingeschlafen.", lachte Paul leise und ich rümpfte meine Nase. „Und jetzt hast du sie aufgeweckt.", brummte Martin und ich spürte wie mir jemand in die Haare fuhr und meine Kopfhaut massierte. „Papa.", rügte ich meinen Vater und öffnete meine Augen einen Spalt breit. „Erst bist du auf Maries Seite und nun auf die deines Freundes? Ich merke schon, ich bin für immer abgemeldet.", gekränkt drehte sich Martin um und ging mit hängenden Schultern aus meiner Zimmertür und in den Flur hinein.
Mit Tränen in den Augen richtete ich mich auf und wollte aus dem Bett steigen. „Fuchs, wenn du nicht sofort her kommst, steht deine geschwächte Tochter auf. Willst du das wirklich? Wenn ja, dann lauf, Füchschen, lauf!", brüllte Paul in Richtung meiner Zimmertür und stützte mich, als ich, nach dem Aufstehen, gefährlich schwankte. Sofort waren die schnellen Schritte meines Vaters zu hören wie er auf mein Zimmer zugeeilt kam. „Leg dich ja wieder hin, Mila. Es tut mir leid, ich wollte nur einen Scherz machen.", versicherte der Hauptkommissar und wirkte noch panischer als ich.

„Herrschaftszeiten. Was macht ihr mit Mila?", meine Stiefmutter tauchte im Türrahmen auf und sah von einem zum anderen. „Martin fand es witzig Mila zu veräppeln.", brummte Paul und strich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du hast mich im Krankenhaus auch verarscht.", wies ich ihn hin und spürte wie mein Magen wieder anfing zu rebellieren. „Männer ich bitte euch. Nur weil Mila große Fortschritte gemacht hat heißt das nicht, dass ihr sie behandeln könnt wie jedermann. Sie versteht eure kleinen Spielchen noch nicht und ist dann nervlich am Ende. Erst recht wenn sie so krank ist.", hielt Marie den beiden Beamten eine Strafpredigt und zog mich aus den Armen meines Freundes in ihre eigenen. „Und bevor ihr jetzt was sagt, geht runter und kümmert euch darum dass im Garten eine Liege für sie bereitsteht, genauso wie was zu trinken und zu essen, wenn ich gleich mit ihr runterkomme.", fügte sie hinzu und zog mich in das Badezimmer das neben meinem Zimmer lag.

„Danke.", stöhnend ließ ich mich auf dem geschlossenen Toilettendeckel nieder und vergrub mein Gesicht in meine Hände. „Nicht dafür. Die beiden haben es ja auch übertrieben. Und jetzt komm her, eine kleine Katzenwäsche und dann fühlst du dich besser.", versicherte mir die Hauseigentümerin und hielt bereits einen nassen Waschlappen in der Hand mit dem sie fürsorglich mein Gesicht und Hals entlangstrich.
Marie behielt recht, als ich mich umgezogen hatte, fühlte ich mich besser. Zum duschen war ich aber zu schwach gewesen.

Scheinbar hatte auch Maries Standpauke ihr Ziel nicht verfehlt, denn als sie und ich auf die Terrasse traten waren Paul und Martin gerade dabei einen Strauß Blumen in einer Vase zu drapieren. „Ich hoffe mal nicht, dass das meine Rosen sind.", machte meine Stiefmutter die beiden Männer auf uns aufmerksam. „Da seid ihr ja schon. Und nein Schatz. Das sind die von der Wiese gegenüber.", beruhigte Martin seine Frau und lächelte sie charmant an. „Darf ich?", Paul trat neben mich und hielt mir seine Arme hin. Da ich mich zwar frischer fühlte aber noch immer das Gefühl hatte gleich umzukippen, nickte ich kraftlos. Erleichtert nahm mich der Oberkommissar in den Arm und führte mich zu der einen Gartenliege auf der ich gestern schon geschlafen hatte. Nachdem ich mich hingelegt hatte, hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er mir eine Wärmflasche reichte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt