„Scheint als hättest du dich selber Flucht unfähig gemacht."

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Weil heute Rosenmontag ist und ich gerade mies darauf bin und somit jemanden eine Freude machen will, bekommt ihr zwei Kapitel :)
Habt ihr euch heute verkleidet?
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„Gib mir die Karte ich kläre alles vorne. Stephan du hilfst mir doch bestimmt, oder?", Paul stand auf und hielt Martin seine Hand hin. Stephan stand ebenfalls auf und ging schon an den Tresen hinter dem eine ältere Krankenschwester saß.
Kurz darauf ging Paul hinter ihm her und mein Vater setzte sich neben mich. „Scheint als wäre das hier unser Geständnis-Platz.", scherzte Martin unbeholfen und hielt mir seine Hand hin. „Du willst was gestehen?", harkte ich überrascht nach und schämte mich im selben Augenblick dass ich mich in den letzten Tage nicht um meine Eltern gekümmert hatte. „Diesmal hatte ich eher an dich gedacht. Ich merke doch das irgendwas nicht mit dir stimmt. Und nachdem du vorhin lieber Stephan um Hilfe gebeten hast und nicht Marie, Paul oder mich, bestärkt meinen Verdacht nur noch.", erklärte mein Vater und ich presste meine Lippen aufeinander. „Komm schon Mila. Du weißt dass ich seid dem was Hubert dir angetan hat, nichts anderes getan habe als auf jedes noch so kleinste Signal von dir zu achten. Egal ob verbal oder nonverbal. Daher weiß ich auch, dass dich irgendwas beschäftigt. Kein Wunder nach dem was du vor drei Tagen erlebt hast. Aber bitte rede mit uns. Rede mit Robert. Wir machen uns nur Sorgen um dich.", schüttelte er mir mein Herz aus und ich starrte geradeaus.
„Trouble? Wir bräuchten jetzt nur noch deine Unterschrift!", kam mir Stephan zur Rettung und ich stand so schnell ich konnte auf. „Mila, deine Krücken.", entfuhr es meinem Vater, der ebenfalls aufgesprungen war. „Ich komme auch ohne zurecht.", murmelnd wollte ich den verletzten Fuß auf den Boden stellen, als Martin mich festhielt. „Mag sein dass du deinen Kummer nicht mit mir teilen willst, aber ich werde nicht zulassen dass du durch deine Dickköpfigkeit deinem Körper noch mehr Schaden zufügst.", raunte er mir zu und hielt mir die Krücken hin.
Ohne große Wiederworte griff ich danach und humpelte mit ihnen zum Tresen um die Dokumente zu unterschreiben. Während ich mir noch von der Krankenschwester erklären ließ, dass ich in zwei Wochen zu einem Kontrolltermin kommen sollte, hörte ich mit einem halben Ohr zu wie Paul, Stephan und Martin über etwas diskutierten.

Kaum zuhause angekommen, Paul war zu sich gefahren, wurde ich von Marie direkt auf das Sofa gezogen, mein Bein bettete sie auf einem Haufen Kissen und hielt mir eine Schale voller gekochtem Kraut und Kartoffelbrei hin. „Ich hab aber keinen Hunger.", informierte ich sie leise, aber sie ließ sich nicht beirren und hielt mir die Schale weiterhin hin. „Iss Mila. Du hast das letzte mal gestern Mittag gegessen.", bat mein Vater und setzte sich auf seinen Sessel. „Na gut. Aber nur eine kleine Portion. Ich meine ich brauche ja nicht viel weil ich mich ja nicht großartig bewegen darf.", schlug ich einen Kompromiss vor und nahm meiner Stiefmutter die Schale ab.

Am nächsten Vormittag saß ich in meinem Bett und lass mir die unzähligen Zeitschriften durch, als Robert an die Tür klopfte. „Scheint als hättest du dich selber Flucht unfähig gemacht.", scherzte er als er sich nach einem Sitzplatz umsah. „Kannst dich ruhig ins Bett setzten.", erlaubte ich ihm und sammelte die Zeitschriften zusammen. „Die Zeitschriften ließt meine Frau auch immer. Keine Ahnung was sie da so spannend dran findet.", gestand der Therapeut und nahm eine der Zeitschriften um wahllos darin rumzublättern. „Die Ernährungsseiten scheinen dir besonders wichtig zu sein.", murmelte Robert als er das Eselsohr an der Seite entdeckte, auf der ausführlich stand wie man durch schwarzen Kaffee abnehmen konnte.
„Schon...", gab ich leise zu und strich über die schlanke Talie des Models, das auf dem Cover der Zeitschrift vor mir abgebildet war. „Ein Glück das meine Frau nicht auf die Tipps und Tricks hier drin gehört hat. Für mich ist sie immer die schönste Frau auf Erden.", schwärmte Robert und schloss die Zeitschrift. „Paul denkt bestimmt das selbe über dich.", fügte er hinzu als ich schwieg. „Da wäre ich mir nicht so sicher.", widersprach ich so leise wie ich konnte, aber der Therapeut hatte mich dennoch gehört. „Also ich bin mir sicher, allein wie er von dir gesprochen hat, als du gestern geflohen bist. Ich darf dir natürlich nicht genau sagen, was er gesagt hat, genauso darf ich den anderen nicht sagen worüber wir reden. Aber ich kann dir sagen, dass die sechs dich genauso sehr lieben wie du sie.", stellte Robert klar und hielt mir die Zeitschrift hin.
„Noch lieben sie mich.", widersprach ich ihn erneut, diesmal lauter. Da mich der Therapeut überrascht ansah, sprach ich weiter. „Marie und mein Vater werden früher oder später anfangen sich für mich zu schämen. Und Paul wird sich vor mir ekeln. Genauso wie Hannah und Stephan. Ehe ich mich versehe sitze ich wieder auf der Straße und muss schauen wie ich zurecht komme. Aber ich will die nicht verlieren, deswegen muss ich jetzt schon was unternehmen.", erklärte ich so schwammig wie ich konnte.
„Wie kommst du zu diesen Annahmen? Haben sie so was angedeutet? Wenn ich mich recht erinnere war nur... Moment hat das was mit dem zu tun das deine leibliche Mutter gesagt hat?", nun hatte Robert die Puzzleteile zusammengesetzt und sah mir tief in die Augen. „Nein. Ich hab selber gemerkt das ich einiges an Gewicht zugelegt habe.", wiegelte ich ab, konnte den Therapeuten nicht täuschen. „Mila, deine leibliche Mutter ist krank. Sie hat die Dinge nur gesagt um dich zu verletzte. Nichts davon entspricht der Wahrheit.", versuchte er mir klar zu machen, aber ich blieb bei meiner Meinung. „Sie mag vielleicht krank sein, aber dennoch hat sie Recht. Ich hab zugenommen. Ein Wunder das mich darauf noch keiner angesprochen hat. Seitdem ich bei Marie und Martin wohne bin ich fett geworden. Wahrscheinlich hat mich keiner darauf angesprochen, weil sie angst haben, dass ich mich doch noch vom Hochhaus stürze.", entfuhr es mir und ich sah mit Tränen in den Augen auf die Zeitschriften vor mir. Auf jeder von ihnen strahle eine schlanke Frau mit der Sonne draußen um die Wette. „Niemand hat dich drauf angesprochen, weil du endlich gesund aussiehst. Als ich dich damals, nach deinem Koma, kennen gelernt habe, sahst du krank aus. Deine Haut blas und Wangen eingefallen. Jetzt siehst du wie ein Mensch aus. Wie ein gesunder Mensch.", stellte Robert klar und drehte das Magazin um auf das ich gerade starrte. „Eher wie ein fetter Mensch.", hauchend wischte ich mir die Tränen von der Wange.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt