„Ich... ich... Ich hab ihr gesagt dass ich sie liebe, verdammt."

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Gedanklich riss ich meine Augen auf. Die vergangen Zeit war mir vorgekommen wie ein paar Minuten, scheinbar hatte ich mich aber getäuscht. „Ich hätte dir das nicht sagen dürfen aber ich hoffe einfach das du mich hören kannst.", erklärte Paul und küsste meine Wange. „Und genauso hoffe ich dass du mich im Park gehört hast, denn ich liebe dich wirklich.", flüsterte er in mein Ohr bevor er mir einen erneuten Kuss gab, diesmal auf die Stirn. Mein Herz begann zu rasen als ich ihn das sagen hörte.
„Paul? Was ist passiert?", die Stimme von Herr Dreier kam näher und ich hörte es piepen, als würden irgendwelche Knöpfe gedrückt werden. „Nichts. Das schwöre ich dir. Ich hab nur mir ihr geredet.", versicherte mein Freund dem Arzt direkt. „Und was hast du ihr gesagt?", wollte Herr Dreier wissen während ich gegen die erneute Dunkelheit ankämpfte die mich wieder zu verschlucken versuchte. „Ich... ich... Ich hab ihr gesagt dass ich sie liebe, verdammt.", fluchte Paul und mein Herzschlag wurde wieder schneller. „Sie hört mich!", entfuhr es Paul und ich spürte noch in der selben Sekunde seine Hand an meiner. „Mila? Schatz? Gib nicht auf. Du bist stark und schaffst das.", flehte er mich an und mein Herzschlag wurde noch schneller. „Sie rutscht ins Kammerflimmern. Holt den Defi!", ich versuchte die Panik in der Stimme des Arztes auszublenden und mich völlig auf meinen Freund zu konzentrieren.
„Komm schon Mila. Öffne deine Augen. Zeig den anderen zu was du fähig bist, du hast doch schon schlimmeres erlebt.", erinnerte mich Paul und wie im Schnelldurchlauf sah ich all die Misshandlungen von Hubert, Olga und Franziska vor mir. Gerade als ich spürte wie mir jemand etwas auf den Oberkörper drückte verschwanden die Bilder und ich sah Paul vor mir. Paul, meine Eltern, Stephan, Hannah, Jule und Klaus. Und alle hielten ihre Arme für mich auf um mich in ihre Mitte zu nehmen.

Ein brennender Schmerz durchfuhr mich und ich versteifte mich einige Sekunden lang um dann entkräftet zusammen zu fallen. „Laden auf 200!", wies Herr Dreier jemanden an und Sekunden später versteifte ich mich wieder. „Laden auf 300!" und wieder durchfuhr mich ein heftiger Schmerz. Zu gerne hätte ich einfach aufgegeben um die Schmerzen nicht mehr spüren zu müssen, aber Pauls verzweifeltes „Mila. Ich liebe dich! Lass mich nicht allein!" brachte mich dazu ein letztes Mal, all meine verbleibende Kraft zusammen zu sammeln und schaffte es so meine Hand um wenige Zentimeter zu heben.
„Du liebst es wohl spannend.", entfuhr es Herr Dreier als ich meine Hand wieder zurück auf das Bett fallen lies. „Mach bitte deine Augen auf.", bat Paul mit tränenerstickter Stimme und ich folgte seiner Bitte und öffnete meine Augen einen Spalt breit. „Ein Glück. Ich hätte deinen Eltern nicht erklären wollen, dass Pauls Liebesgeständnis dich umgebracht hat.", scherzte Herr Dreier erleichtert und ich schaffte es, unter größter Kraftanstrengung, ihm einen Mittelfinger zu zeigen.
„Schön dich wieder bei Kräften zu sehen. Ich ruf deinen Vater an. So wie ich ihn kenne, habt ihr zehn Minuten alleine.", informierte uns der Arzt nachdem er mich kurz untersucht und den Beatmungsschlauch aus meinen Atemwegen entfernt hatte. Kaum hatte sich die Krankenzimmertür geschlossen versuchte ich mich aufzusetzen. „Warte.", sanft drückte mich der Oberkommissar wieder auf die Matratze und betätigte einen Knopf am Bett, sodass dessen Kopfteil hoch fuhr.
„Ich...", begann ich ätzend und rollte mit meinen Augen als mich Paul direkt unterbrach und bat erst mal zu Kräften zu kommen.
„Ich... liebe... dich...", gestand ich und lächelte Paul müde an. „Hast du eine Ahnung wie sehr ich gehofft habe, diese Wort aus deinem Mund zu hören?", raunte mir der Oberkommissar zu, ehe er mein Gesicht in seine Hände nahm und mich küsste.
„Mila!", die Zimmertür wurde aufgerissen und Paul und ich fuhren auseinander. „So viel zum Thema 10 Minuten.", brummte mein Freund und tauschte seinen Platz mit meinem Vater der mich direkt an seine Brust drückte. „Luft.", stöhnte ich und Martin lockerte seinen Griff etwas, ließ mich aber nicht los. „Wie geht es dir?", wollte Marie wissen und strich mir über den Hinterkopf. „Ganz gut. Bin nur müde.", antwortete ich ihr und zuckte zusammen als mein Vater mich noch einmal an sich drückte und dann vorsichtig los ließ.
„Du hast doch gerade erst drei Wochen geschlafen.", mit einem sanften Lächeln strich mir meine Stiefmutter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und deckte mich dann wieder richtig zu. „Drei Wochen?", wiederholte ich geschockt und sah die drei Personen vor und neben mir mit großen Augen an. „Ja, seitdem du angeschossen wurdest, sind drei Wochen vergangen.", erklärte Paul und setzte sich neben meine Füße in das Krankenbett. „Ich versteh nicht. Es waren doch nur ein paar Augenblicke.", murmelnd schüttelte ich meinen Kopf und wollte mir durch die Haare fahren, aber als ich meinen linken Arm hob, schoss ein stechender Schmerz hindurch. „Da ist die eine Wunde. An deiner rechten Seite, knapp unter dem Rippenbogen die zweite.", zählte Martin auf und nahm dabei meine linke Hand in seine. „Ist euch was passiert?", mein Blick huschte von einem zum anderen und scannte jeden von ihren auf eventuelle Verletzungen. „Nein, dank dir. Du hast mich und Paul gerettet.", erwiderte Marie und ich sah dass sie wieder den Tränen nah war. Ehe ich noch was sagen konnte, klopfe es an der Tür und Herr Dreier kam rein. „Ich glaube das reicht jetzt. Mila muss ins Ct und braucht danach Ruhe um richtig fit zu werden.", entschied der Arzt und wies auf die Tür. „Ich komme später wieder.", informierte mich mein Vater und drückte einen Kuss auf meine Stirn.

Kurz darauf war ich allein im Zimmer und erlaubte mir meine Tränen frei laufen zu lassen. Da ich immer schwerer Luft bekam stand ich mit weichen Knien auf riss dabei die Kabel von den kleinen Pflastern an meinem Oberkörper. Das war mir aber egal ich wollte nur zum Fenster und dieses aufreißen. „Mila? Was machst du da?", Herr Dreier kam, mit einer Horde Krankenschwestern in den Raum geeilt als ich mit dem Fenster kämpfte. „Luft.", keuchend sank auf die Knie und presste mein Gesicht in meine Hände. „Das haben wir gleich.", hörte ich die Stimme des Arztes und spürte dann wie er mich in den Arm nahm. Zeitgleich eilte jemand an mir vorbei und öffnete das Fenster. „Und jetzt tief ein und wieder aus atmen. Versuch es mir nach zu machen.", wies mich der Mediziner an und schaffte es mit seiner ruhigen Art das meine Panikattacke schnell abebbte.
„Geht es wieder?", vorsichtig löste Herr Dreier seine Arme von mir und ich nickte müde. „Dann lass uns dich wieder in dein Bett bringen. Und in das CT, die Kollegen warten schon auf dich.", bat der Arzt und half mir dabei aufzustehen. Auf dem Weg zum Bett fiel mir was auf daher sah ich den Arzt neugierig an: „Wieso bist du so schnell hier gewesen?". „Weil diese kleinen Kabel da", begann Herr Dreier zu erklären und wies auf die Kabel die auf dem Krankenhausbett lagen, „deine Vitalzeichen überwacht haben. Als du aufgestanden bist und somit diese Kabel aus den Elektroden auf deinem Körper gerissen hast, hat der Herzmonitor Alarm ausgelöst weil er keine Herzaktivitäten mehr feststellen konnte.".
Ehe ich mich versah lag ich wieder unter der Krankenhausdecke und wurde von dem Arzt und einem Pfleger durch die Krankenhausflure geschoben. „Du kannst mich übrigens duzen wenn du willst, ich bin der Oliver.", raunte er mir zu, als der Pfleger einen Schalter betätigte der eine große Doppelschwingtür öffnete.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt