„Ein paar Sachen weiß ich von der Presse."

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Das CT stellte klar, das die Verletzungen der Kugeln vollständig verheilt waren und keine langfristigen Probleme verursacht hatten. Nur musste ich ein paar Physiotherapie Einheiten absolvieren, da ich so lange bewegungslos da lag. Ich ging gerade mit einer Physiotherapeutin den schmalen Weg zwischen Klinik und Parkplatz hin und her, als ich zwei Paar Schritte auf uns zu kommen hörte. „Trouble.", rief Stephan, legte noch einen Zahn zu, zog mich in seine Arme und wirbelte mit mir im Kreis umher. „Gehts noch?", fuhr ihn die Physiotherapeutin an und versuchte mich aus dem Griff des Beamten zu ziehen. „Verzeihen Sie das Verhalten meines Kollegen. Aber er freut sich sich einfach, dass seine beste Freundin wach ist.", erklärte Paul ihr und schlug Stephan sanft auf den Rücken. „Na gut, Herr Richter. Dann setzten wir die Übung morgen fort. Bitte achten sie darauf dass ihre Freundin keinen Meter alleine geht. Dafür ist sie noch nicht bereit. Und bitte bleiben sie drei nicht zu lange draußen.", die Therapeutin nickte Paul zu und eilte dann wieder in das Krankenhaus.
„Als Paul uns vorhin erzählt hat, dass du wach bist, wollten eigentlich gleich alle kommen. Aber da wir dachten, dass es für dich zu viel ist, bin nur ich da. Wenn du doch willst, muss ich nur ein Anruf tätigen und die gesamte Wache Nord steht hier. Glaub mir, wir machen das, du musst dich auch nicht schämen...", plapperte Stephan völlig aufgedreht und ich fing laut an zu lachen. „Was denn?", abrupt verstummte der hochgewachsene Oberkommissar und sah mich mit großen Augen an. „Es ist alles gut so, wie es ist. Vielleicht können die anderen die Tage kommen, wenn ich wieder zu Hause bin?", schlug ich vor und lehnte mich an meinen Freund. „Geht klar.", stimmte Stephan direkt zu und zog sein Handy aus der Hosentasche. „Das hättest du nicht sagen sollen, jetzt lädt er wirklich die gesamten Beamten der Wache zu Martin nach Hause ein.", raunte mir Paul zu und führte mich zu einer Bank, in der Nähe der Klinik. „Und wenn schon. Ich bin mir sicher, dass Marie genug kocht.", wand ich ein und ließ meinen Kopf auf die Schulter des Beamten fallen. „Da hast du Recht. Keine Ahnung wie oft und vor allem wie viel Essen Martin in der letzten Wochen mit zur Wache gebracht hat. Einige Kollegen wollten sogar eine Lieferservice Karte für Maries Essen herstellen.", weihte mich Paul ein und strich sanft über meinen Oberarm.

Ein paar Tage später konnte ich schon einige Schritte allein machen und strahlte Hannah stolz an, die mich zu der Physiotherapie Stunde begleitet hatte. „Du machst das super.", lobte sie mich und hielt mir eine Flasche Wasser hin. Darauf bedacht dass mich die Physiotherapeutin nicht hörte raunte ich ihr: „Ich versteh das immer noch nicht, warum mir das so schwer fällt, nur weil ich ein paar Wochen einfach nur rumlag.", zu. „Das habe ich gehört Frau Fuchs. Das bedeutet noch eine extra Runde für Sie.", mit einem strengen Blick sah mir die Therapeutin zu wie ich mit den Krücken weiterlief. Hannah lief neben mir her um mich im Notfall zu stützen.
In ein paar Meter Entfernung sah ich einen Mann stehen der mich und die Beamtin zu beobachten schien. „Ich wollte eigentlich erst das Ende der Stunde abwarten, aber jetzt hast du ihn schon gesehen. Das ist Herr Holtmann, ein Therapeut der auf Vergangenheiten wie deine spezialisiert ist. Sag nichts den anderen, aber ich war selber ein paar mal bei einer Kollegin von ihm, da ich an ein paar harten Einsätzen zu knabbern hatte.", erwiderte Hannah und lächelte mich unschlüssig an. „Hat Papa ihn geschickt? Oder Paul?", wollte ich wissen und kämpfte gegen den Drang an wegzulaufen. „Weder noch. Ich hatte die Idee. Als du in meiner Wohnung aufgetaucht bist wusste ich dass ich dir helfen muss. Und als du dann im Koma lagst, hab ich mit meiner Therapeutin darüber geredet und sie hat mir vorgeschlagen dass ich dir Herr Holtmann vorstelle.", antwortete meine beste Freundin und ich sah ihr an dass sie sich wirklich sorgen um mich machte.
Noch ehe ich antworten konnte, stand der Therapeut auf und kam auf mich und Hannah zu. „Hallo Frau Becker. Ich nehme an Sie sind Frau Fuchs? Mein Name ist Robert Holtmann.", stellte sich der Mann vor und hielt mir seine Hand hin nachdem er Hannah kurz zugenickt hatte. „Händeschütteln ist gerade schwer. Aber ja Sie haben Recht, ich bin Mila Fuchs.", antwortete ich und versuchte Herr Holtmann anzulächeln, dass mir aber nicht ganz gelang. „Ich weiß, einem Fremden seine Probleme zu erzählen ist schwer. Wie wäre es wenn wir einen Kaffe trinken und ich Ihnen erst mal was von mir und meiner Arbeit erzähle?", schlug der Therapeut vor und ich nickte verhalten.
Nachdem die Physiotherapeutin sich verabschiedet hatte wollte auch Hannah gehen, ich hielt sie aber fest. „Kannst du bleiben. Zu mindestens die erste Zeit?", bat ich sie, da langsam bei mir die Panik aufkam wenn ich daran dachte mit dem Mann allein zu sein. „Natürlich. Ich bleibe solange du willst.", versicherte die blonde Beamtin und begleitete mich und Herrn Holtmann zur Krankenhauscafeteria.

„Also wie viel wissen sie?", neugierig sah ich den Mann an. „Hannah hat mir nichts erzählt, falls du das meinst. Ein paar Sachen weiß ich von der Presse.", antwortete Herr Holtmann ehrlicherweise und sah mich abwartend an. „Also wissen Sie im Prinzip das, was Olga und Hubert allen vorlügen. Wieso wollen Sie mir dann helfen?", wand ich ein und warf einen raschen Blick zu Hannah die neben mir saß. „Weil ich nicht umsonst Therapeut bin. Ich weiß dass die beiden lügen um besser da zu stehen. Und ich weiß wie traumatisch das alles für Sie gewesen sein muss. Ich möchte Ihnen helfen.", erwiderte der Therapeut und nippte an dem Kaffee. Noch ehe ich weiter fragen konnte zuckte Hannah zusammen. „Was ist los?", wollte ich sofort wissen und sah mich ängstlich um. „Ich muss in 15 Minuten in meiner Uniform auf der Wache sein.", gestand sie und sah mich entschuldigend an. „Geh schon. Ich weiß dass Herr Holtmann nichts machen würde. Ich vertraue ihm.", versicherte ich ihr woraufhin sie direkt aufsprang und los eilte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt