„Paul?" „Halt mich fest."

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In der Nacht wälzte ich mich auf dem Sofa hin und her, hörte aber immer wieder die Stimme meines Vaters und die meines Freundes die mich schnell beruhigten. Um 9 Uhr wurde ich geweckt damit ich vor dem Termin mit Robert noch was essen konnte.
Abwesend rührte ich meinem Kaffee um. „Was ist los?", besorgt sah mich Marie an und stellte eine Schale Rührei auf den Küchentisch. „Nichts, alles gut.", ich versuchte sie anzulächeln merkte aber schnell dass sie es mir nicht abkaufte. „Bitte Mila.", Martin sah mich mit seinem Polizistenblick an. „Ich weiß nicht mal ob ich das wirklich wissen will, aber habt ihr ihn verhaftet?", ich starrte weiter in die Kaffeetasse sah aber aus den Augenwinkeln wie sich Paul und Martin einen Blick zuwarfen. „Also nicht.", brummte ich und spürte wie die alt bekannte Panik in mir aufstieg.
„Wir haben zwar nicht ihn, aber eine Menge seiner Handlanger. Und die Bürgermeisterwahl wird verschoben bis die Sache geklärt ist.", informierte mich Paul und ich hob meinen Kopf. „Verschoben? Warum wird er nicht rausgeschmissen? Ich meine es ist doch klar dass er ein Arsch ist.", harkte ich nach und umklammerte meine Kaffeetasse mit meinen Händen. „Weil keiner seiner Handlanger auspackt. Sie wollen alle mit ihrem Anwalt reden.", erwiderte mein Vater und nahm ein Schluck von seinem Kaffee. „Aber... Aber...", ich suchte in meinem Kopf verzweifelt nach einer Lösung. „Mila, wir werden ihn finden. Ganz Köln sucht nach ihm.", versuchte Marie mich zu beruhigen als ich aufsprang.
Überrascht sahen mich die drei an als ich anfing in der Küche umher zu laufen. In meinem Kopf liefen immer wieder die Stunden in Huberts Gefangenschaft wie im Zeitraffer ab. Vor allem die Minuten in denen er seine Wut ein weiteres mal an mir rausgelassen hatte. Ich lief so lang umher bis mir ein kleines aber durchaus wichtiges Detail wieder einfiel. Als ich zum Küchentisch sah, entdeckte ich Robert der gerade eine Kaffeetasse von Marie entgegennahm. „Na? Hast du schon Blasen an den Füßen?", scherzte er als er meinen Blick bemerkte. „Seit wann bist du da?", wollte ich von ihm wissen und nah einen Schluck von meinem kalten Kaffee. „Gute 20 Minuten. Ich wollte dich aber nicht unterbrechen. Du sahst aus als würde dir das gut tun.", Robert nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah mich dann auffordernd an. „Mir ist was wichtiges wieder eingefallen. Es wurden Fotos gemacht. Fotos davon wie Hubert mich verprügelt hat. Mir die Champagnerflasche über den Kopf gezogen hat. Auf meinen Arm getreten ist weil ich ihn angezeigt habe.", sprudelte es aus mir heraus und ich ignorierte die Blicke meiner Angehörigen. „Warum hat er das getan?", selbst wenn meinem Therapeuten das Gehörte nahe ging ließ er es sich nicht anmerken.
„Weil ich nicht zulassen wollte dass seine Männer 'Spaß mit mir hatten'.", ich setzte die vier letzten Worte in Anführungszeichen. „Haben sie es denn?", harkte Robert nach und ich sah ihn ausdruckslos an. Mit einem lauten Knall zersprang das Glas das mein Vater in der Hand hielt. „Schatz?", verunsichert sah meine Stiefmutter ihren Mann an, der auf die Scherben vor sich sah.

„Sie haben es versucht. Hubert hat mich als Dankeschön angepriesen, für denjenigen der ihm bei seiner Wahl hilft. Ein Jonas Koch hat den Deal angenommen und so getan als würde er mich... als würde er mich ver... als würde er es tun. Danach wurde ich in den Raum geführt in dem ihr mich gerettet habt. Dort haben zwei Männer... Sie wollten... einer hat... aber dann hab ich Herr Koch gesehen und bin aufgestanden... Das hat ihn dann...", ich fing an zu stammeln und mir liefen die Tränen über die Wange. Fassungslos sahen mich Marie, Paul und Martin an. Robert atmete tief durch und notierte sich dann was in seinem Notizbuch.

Als ich realisierte was ich gerade gesagt hatte riss ich meine Augen auf und in meinem Kopf leuchtete die rote Lampe auf. Meine Atmung wurde immer schneller und mein Magen fühlte sich an als wäre ich gerade eine Extrem-Achterbahn gefahren. „Paul?", meine Stimme war kaum zu hören aber mein Freund hörte mich dennoch und stand auf. „Halt mich fest.", hauchte ich und im selben Moment gaben meine Knie nach. Im nächsten Augenblick hockte Paul neben mir und schlang seine Arme um mich. Ich kniff meine Augen zusammen und kämpfte gegen den Drang an mich von ihm loszureißen und abzuhauen. Mit schweißnasser Stirn krallte ich mich in Pauls Arme und hatte wieder das Gefühl als säße ich auf dem Schoß des zweiten Mannes. Immer schneller atmend spürte ich wie mir langsam schwindelig wurde. „Mila, du musst dich beruhigen. Sonst bekommst du einen Asthmaanfall.", hörte ich Martin sagen bevor mein Körper erschlaffte, ich an die Brust meines Freundes sank und mein Augen wieder öffnete.
„Ich muss sagen, als ich heute morgen hier her gefahren bin hab ich damit nicht gerechnet.", brummte Robert und fuhr sich durch die Haare. „Schuldigung.", nuschelnd schloss ich meine Augen. „So meinte ich es nicht, Mila. Ich bin eher überrascht dass du so viel erzählt hast. Ich glaube dass sind wir alle.", stellte mein Therapeut klar und ich hörte wie Geschirr klapperte. „Ich auch. Ich wollte euch damit nicht....", fing ich an Robert zuzustimmen aber mein Vater fiel mir ins Wort. „Wag es ja nicht noch mal so zu denken. Wir wollen dir helfen, aber dafür musst du uns alles sagen. Und glaub es endlich dass du uns damit nicht zur Last fällst.", zischte er und ich nickte ehe ich entkräftet einschlief.

Wieder wach wurde ich im Wohnzimmer. Meine Eltern saßen am Esstisch und aßen zu Mittag. Vor mir auf dem Sofa lag ein kleiner Zettel auf dem mit einer krampfhaft versuchten Sonntagsschrift 'Ich kann dir gar nicht sagen wie gut es tat dich wieder in den Armen zu halten. Auch wenn es vielleicht wieder eine Weile dauern wird, bis ich es erneut kann. Leider musste ich zum Dienst, aber wenn du willst komme ich nach Feierabend zu dir und wir schauen die nächsten Harry Potter Filme. Ich liebe dich. Paul'
„Will ich wissen was er geschrieben hat?", brummte Martin und mein Kopf schoss hoch. „Musst du sie so erschrecken?", fuhr meine Stiefmutter ihn an und schlug ihm auf den Oberarm. „Ja was denn? Sie hat so gelächelt als hätte er sonst was geschrieben.", verteidigte sich der Hauptkommissar und zog eine Augenbraue hoch als ich den kleinen Zettel an meine Brust drückte. „Es fühlt sich einfach an als wäre ein riesiger Stein von meiner Seele gefallen.", gab ich leise zu und schloss wieder meine Augen.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt