„Hast du ne Ahnung wie sehr mir das gefehlt hat."

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„Meine Güte. Es gibt ja tausende Versionen.", völlig überfordert sah ich auf die Unmengen an bunten Verpackungen. „Darf ich dich beraten?", Marie sah mich flehend an und fing an zu strahlen als ich nickte. „Vielleicht solltest du für den Anfang Binden nutzen. Und wenn du dich damit sicher fühlst und eventuell auch dein erstes Mal erlebt hast, Tampons verwenden. Die hier sind gut.", sie drückte mir zwei verschiedenfarbige Packungen in die Hand und warf eine Tampon-Box in den Wagen. „Für mich. Deinem Vater steht eine interessante Woche bevor.", scherzte sie und schob, nachdem ich die beiden Binden-Packungen in den Wagen getan hatte, den Einkaufswagen in den nächsten Gang.
Vor den Spielsachen bleib ich kurz stehen. „Willst du was davon?", Marie kam wieder zurück zu mir und sah mich abwartend an. „Ich bin da zu alt für. Aber als Kind hab ich Franziska immer um ihr Spielzeugzimmer beneidet.", gab ich zu und wollte weiter gehen. „Was hältst du davon, dass du dir drei Spiele aussuchst für den Familien-Spieleabend? Einfach die, die du gerne spielen willst.", schlug meine Stiefmutter vor. „Meinst du wirklich?", ich sah sie mit großen Augen an und stellte mich dann vor das Regal mit den Gesellschaftsspielen. „Uno. Skipo und... Monopoly.", zielsicher zog ich die Spiele aus den Fächern und legte sie in den Einkaufswagen. Als ich den überraschten Blick von Marie sah wurde ich rot. „Ich hab mal den Spielzeugkatalog aus dem Müll gefischt und die drei Spiele hatten immer eine große Familie auf dem Bild. Und die sahen so glücklich auch, da wusste ich ich wollte die auch mal spielen.", erklärte ich und sah auf meine Fußspitzen. „Wir werden die Spiele spielen. Und noch viele mehr.", versprach Marie und wischte sich über die Augen.

Zuhause angekommen verstaute Marie die Einkäufe während ich hochging um mir bequeme Sachen anzuziehen. Als ich meinen Kleiderschrank öffnete, stellte ich überrascht fest, dass sich darin zwei Pullover von Paul befanden. Ich biss mir auf die Unterlippe und wusste direkt was ich damit tun sollte. Schnell schlüpfte ich in einen der beiden Pullover und machte dann ein Foto von mir vor dem Ganzkörperspiegel der in der Kleiderschranktür eingelassen war. Es brauchte ein paar Versuche, aber dann schaffte ich es ein Foto zu machen, auf dem ich mir gefiel.
'Wann hast du denn heute Feierabend?' schrieb ich unter das Bild und schickte es meinem Freund per Whatsapp. Pauls Antwort kam, als ich schon wieder unten auf dem Sofa lag. 'Nicht schnell genug. Und dir scheint mein Pullover viel besser zu stehen als mir. ♥'. Mit einem breiten Lächeln las ich die Nachricht immer wieder und merkte gar nicht wie Marie in das Wohnzimmer kam. „Ich will gar nicht wissen wegen welcher Nachricht du so lächelst.", lachte sie und ging weiter auf die Terrasse.
'Gerade ist es ruhig hier. Schade dass ihr so schnell wieder weg wart.', erschein auf meinem Handydisplay und ich wollte Paul gerade antworten als eine weitere Nachricht auf meinem Bildschirm erschien. 'Du miese Schlampe. Ich weiß wo du wohnst und werde dir das Leben zu Hölle machen.", das Lächeln dass wegen den Nachrichten meines Freundes in mein Gesicht gemeißelt schien, verschwand augenblicklich. 'Ich werde mich nicht klein machen lassen von dir Tabea.', antwortete ich und sah zur Terrassentür um sicher zu gehen dass Marie nichts mitbekam. 'Das sagst du jetzt. Aber glaub mir – ich werde dich leiden lassen. Wegen dir ist Peter wieder im Gefängnis.', schrieb meine ehemalige Freundin und ich legte das Handy auf den Couchtisch.
In meinem Kopf leuchtete bereits die dunkelgelbe Lampe und ich starrte auf mein Handydisplay auf dem im Sekundentakt weitere Nachrichten von Tabea erschienen. 'Du wirst mir nicht entkommen können. Ich weiß wo du wohnst. Ich weiß wer deine Familie und deine Freunde sind.', lass ich innerlich vor als Marie wieder ins Wohnzimmer kam.
„Alles gut?", verwundert über meinen Stimmungsumschwung sah mich meine Stiefmutter an und ich lächelte sie geschauspielert an. „Klar. Ich hab nur gerade in der Nachrichten App gesehen dass die Lage in Syrien ganz mies ist.", erfand ich eine Ausrede und drehte mein Handy um, da die nächste Drohnachricht darauf erschien. „Ja, vielleicht können wir das ab morgen in unseren Politik-Unterricht mit einbinden?", schlug Marie vor und ich atmete erleichtert durch bevor ich antwortete. „Das ist eine gute Idee. Aber an sich wollte ich morgen mal Pauls Malsachen austesten.", informierte ich sie und lächelte sie diesmal aufrichtig an.

Die Stunden, bis Paul und Martin heim kamen verbrachte ich damit in meinem Bett zu liegen und zu googeln wie man sich in meiner Situation am besten verhielt. Egal wie viele Artikel ich las, in einem Punkt waren sich alle einig – man sollte damit zur Polizei gehen. An sich klang es auch einleuchtend, aber da Tabea immer wieder drohte Paul, meinen Eltern oder auch meinen Freunde etwas anzutun wenn ich die Polizei einschaltete, fiel das für mich raus.
„Hallo wun... ich meine bezauberte Freundin.", Paul steckte seinen Kopf in mein Zimmer und ich ließ mein Handy unauffällig auf den Boden gleiten, mit dem Display nach unten. „Hey. Ich hab gar nicht gehört dass ihr wieder da seid. Warte, sollten wir euch nicht abholen?", ich setzte mich ruckartig auf und sah meinen Freund mit großen Augen an. „Schon gut. Klaus hat uns hier rausgeschmissen und wir sind mit dem Ersatzschlüssel von euren Nachbarn rein gekommen. Dein Vater hat sich gleich zu Marie in den Garten gelegt aber ich wollte lieber zu meiner persönlichen Fähe.", erklärte Paul und kam auf mich zu. „Ich bin deine persönliche Füchsin?", stolz darauf das Fachwort für einen weiblichen Fuchs zu kennen, strahlte ich meinen Freund an. „Nicht schlecht. Du hast dazu gelernt.", lobte mich Paul und setzte sich vorsichtig ins Bett.
„Hab ich. Aber jetzt leg dich hin. Ich hab es vermisst in deinen Armen zu liegen.", bat ich ihn und Paul ließ sich nicht zweimal bitten. Er legte sich neben mich und ich kuschelte mich an seine Brust. „Hast du ne Ahnung wie sehr mir das gefehlt hat.", hauchte er und ließ seine Hand in meine Haare gleiten. „Hmmm...", brummend schloss ich meine Augen.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt