„Ich glaube wir sind gleich tot."

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Nur das Kratzen des Kugelschreibers auf dem Blatt vor Michael war zu hören, bis sich Robert räusperte, Martin die Packung Taschentücher aus seiner Hand zog und mir zu warf. „Ich bräuchte jetzt einen Kaffee. Wenn nicht sogar einen Schnaps. Was ist mit euch?", Michael schien fertig mit seinen Notizen zu sein, denn packte die vollgeschriebenen Zettel in die Akte und schob diese dann von sich.
Mein Blick war auf die Mitte der Tischgruppe geheftet auf der ein künstlicher Blumenstrauß stand. Daher bekam ich nicht mit wie Michael und Paul den Raum verließen und sich mein Vater und Robert neben mich setzten. Ich bekam auch nicht mit wie Michael und Paul in Begleitung von Marie, Klaus und Stephan in den Raum kamen und Tassen, Zucker, Milch und verschiedene Süßigkeiten auf den Tisch stellten. Erst als eine Tasse heißer Schokolade vor mir auftauchte riss ich meinen Blick von dem Blumenstrauß los und sah um mich.
„Willkommen zurück.", raunte mir Robert zu und nippte an seiner Kaffeetasse. „Hä?", ich schüttelte meinen Kopf denn für mich waren vielleicht ein paar Sekunden vergangen. „Du hast gute 20 Minuten vor dir her gestarrt, Trouble.", informierte mich Stephan und nahm sich einen Keks von dem Teller auf der Tischmitte. „Das kam mir gar nicht so lange vor.", murmelnd nahm ich einen kleinen Schluck der heißen Schokolade und leckte mich genießerisch über die Lippen. „Ich glaube ich sollte auch mal die Oma-Fuchs heiße Schokolade probieren.", lachte Paul und stutze als ich meinen Kopf schüttelte. „Das ist nur was für Papa und mich.", stellte ich klar und sah zu meinem Vater. „So ist es.", stimmte Martin mir zu und hielt mir einen Schokoriegel hin.


Eine Stunde später verließen wir wieder die Wache. Während meine Eltern und Paul auf den Familienwagen zugingen blieb ich auf dem Parkplatz stehen. „Mila?", Paul kam wieder auf mich zu und hielt mir seine Hand hin. „Können wir vielleicht spazieren gehen? Ich weiß es ist nicht gerade sicher aber ich bin zu aufgewühlt um jetzt in einem engen Auto zu sitzen.", bat ich unsicher. „Soll ich dich begleiten?", Robert stellte seine Aktentasche in sein Auto und kam dann auf Paul und mich zu. „Nein. Ich will nicht reden. Das hab ich heute genug. Ich brauche die frische Luft.", erklärte ich ihm und biss mir auf meine Unterlippe. „Ich fahr schon mal vor nach Hause und bereite das Mittagessen vor.", entschied Marie und nahm ihrem Mann die Autoschlüssel ab. „Paul und ich begleiten dich. Der Fußmarsch tut uns bestimmt auch gut.", fügte Martin hinzu und trat an meine Seite. „Das sind aber 5 Kilometer.", wand ich ein und war mir meines eigenen Wunsches unsicher. „Und? Zur Not rufen wir uns ein Taxi.", zerschlug Paul meine Gedanken und lächelte sich breit an. „Okay, wir sehen uns morgen. Falls was sein sollte, ruft mich an.", bat der Therapeut bevor er in sein Wagen stieg und hinter Marie vom Parkplatz der Wache fuhr.

Schweigend gingen Martin, Paul und ich los und spürte schon mal den ersten fünfhundert Metern dass uns ein Auto folgte. „Ich glaube wir sind gleich tot.", nuschelnd sah ich mich immer wieder nach dem Auto um. „Was?", entfuhr es den beiden Beamten gleichzeitig. „Uns folgt die ganze Zeit ein Auto.", erklärte ich ihnen und direkt sah mein Vater hinter sich. „Stöpsel.", fluchend trat er an die Straße und winkte das Auto zu sich. Er diskutierte mit dem Fahrer und winkte dann Paul und mich zu sich. „Hey ihr beiden.", begrüßte uns der Mann und erst als ich mich etwas runter beugten erkannte ich ihn. „Onkel Klaus?", überrascht sah ich den besten Freund meines Vaters an. „Schuldig im Sinne der Anklage.", lachte der Dienststellenleiter und fuhr sich durch sein lichtes Haar.
„Klaus will uns nach Hause bringen, eben weil Hubert und Olga noch frei rumlaufen.", erklärte Martin das Handeln seines besten Freundes und ich zog scharf die Luft ein. „Daran hab ich nicht mehr gedacht.", gestand ich und spürte Pauls Brust an meinem Rücken, die aber sofort wieder verschwand wohl weil Paul bei Seite trat um mir nicht unnötig Angst zu machen. Von der Geste gerührt griff ich nach seiner Hand und zog ihn an mich heran: „Dann steigen wir mal lieber ein.".

Zuhause öffnete uns eine überraschte Marie die Tür. „Nimm es mir nicht übel, aber Simone ist mit ihren Freundinnen zu einer Shoppingtour aufgebrochen und ich kann nicht kochen.", log Klaus sie an und schob mich in das Haus. „Mit anderen Worten er hatte Angst dass ich auf dem Weg hier her auf offener Straße exekutiert werde.", murmelnd ging ich an meiner Stiefmutter vorbei und ging die Treppe hoch in mein Zimmer. „War doch etwas viel heute. Ich geh ihr nach.", hörte ich meinen Vater sagen und rief über meine Schulter. „Paul.".
„Was kann ich tun?", kaum hatte ich mein Zimmer betreten stand Paul im Türrahmen. „Hier.", antwortete ich knapp und hielt ihm den Harry Potter Teil hin aus dem er mir im Krankenhaus vorgelesen hatte. „Dann komm ins Bett.", mein Freund lächelte mich sanft an und begann nach der richtigen Seite zu suchen. „Kann nicht. Aber du kannst dich gerne hinlegen. Ich setzte mich an die Wand.", erklärte ich ihm und setzte mich an die Wand, die am weitesten von der Zimmer- und Balkontür entfernt war.

Schon nach dem zweiten Satz schlief ich ein und wachte erst auf als Pauls Handy anfing zu klingeln. Das schien den Oberkommissar aber nicht zu stören, denn er brummte nur leicht auf und drehte sich auf den Bauch um weiter zu schlafen. Ohne groß darüber nach zu denken hob ich das Handy auf, das auf dem Boden lag und nahm den Anruf an, da auf dem Bildschirm 'Steffchen' stand. „Meine Güte Paul. Warst du auf dem Klo oder warum hat das so lange gedauert bis du dran gehst?", scherzte Stephan direkt und lachte über seinen eigenen Scherz. „Also eigentlich haben wir beide gerade geschlafen.", erwiderte ich und ging aus meinem Zimmer um meinen Freund nicht zu wecken. „Oh Fuck, sorry Trouble.", entschuldigte sich mein bester Freund und ich hörte wie er sich durch die Haare fuhr. „Schon gut. Wieso hast du denn angerufen?", beruhigte ich ihn und setzte mich in einen der Abstellräume um ungestört zu telefonieren. „Ich wollte ihn eigentlich fragen wie es dir geht.", gab der Oberkommissar zu und ich lächelte müde. „Ganz gut. Vorhin hab ich an nichts anderes mehr denken können, aber Paul hat mich abgelenkt.", erzählte ich ihm und strich über die raue Tapete.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt