„Lüg mich nicht an, Mila."

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Als ich aus der Dusche stieg und mir die Haare trocken rubbelte, hörte ich Paul nach mir und meinem Vater rufen, denn die Pizza war fertig. Keine fünf Minuten später saß ich, mit Jogginghose und in einem von Pauls Pullover auf dem Sofa und biss hungrig in ein Pizzastück. Von den anderen dreien war auch nur ein genüsslichen abbeißen zu hören bis auch der letzte Krümel aufgegessen war. Eigentlich wollten wir noch ein paar Spiele spielen, aber die Dusche schien sowohl Martin als auch mich müde gemacht zu haben, sodass wir auf dem Sofa einschliefen.

Am nächsten Morgen wachte ich vor allen anderen auf, was auch gut zu meinem Plan passte. Ich lief hoch in mein Zimmer und entdeckte Paul der in meinem Bett schlief. So leise wie ich konnte nahm ich mir frische Wäsche aus dem Schrank und nahm auch mein Handy mit in das angrenzende Badezimmer wo ich mich schnell umzog.
Nachdem ich die Eingangstür hinter mir geschlossen hatte atmete ich noch mal tief durch. Auf dem Weg zur Wache ging ich meinen Plan immer wieder durch, aber je näher ich der Dienstelle meines Vaters und meines Freundes kam, desto unsicherer wurde ich mir. Ich hatte vor die Drogensache auf mich zu nehmen einfach um die anderen zu schützen, aber tief in mir wusste ich dass das genau die falsche Richtung war.

„Mila?", natürlich lief ich, kaum das ich den Parkplatz der Wache erreichte, dem besten Freund meines Vaters in die Arme. „Hallo Onkel Klaus.", begrüßte ich ihn und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Da ich weiß, dass Martin und Paul gerade bei euch zuhause sind, bedeutet dass das du nicht aus Nettigkeit hier bist. Hab ich Recht?", mutmaßte er und wies mit einem Arm auf die Eingangstür der Wache, als ich verhalten nickte.
„Also? Was verschafft mir die Ehre?", kaum saß ich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch wollte der Dienstellenleiter direkt wissen was los ist. „Ich wollte dich einfach nur besuchen.", erklärte ich und biss mir auf die Innenseite meiner Wange. „Lüg mich nicht an, Mila.", bat der Hauptkommissar und ich zog seufzend mein Handy aus meiner Hosentasche. Unter dem fragenden Blick von Klaus schaltete ich es ein und öffnete die Messenger-App. Sofort erschienen dutzende Nachrichten von Tabea auf die mir eine Gänsehaut über meinen Körper jagte.
Wortlos schob ich Klaus mein Handy zu, der es verwirrt in die Hand nahm und dann seine Augen aufriss. „Ich wollte eigentlich die Drogen Sache auf mich nehmen, weil ich nicht wollte das sie euch was antut. Aber mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass ich euch vertrauen kann und vor allem sollte. Obwohl ich die ganze Sache einem deiner anderen Kollegen erzählen wollte, aber nun bist du es halt. Vielleicht auch gut so, denn so kannst du mir helfen das Papa, Mama und Paul zu sagen, weil die drei schlafen zuhause noch und wissen nicht dass ich hier bin.", plapperte ich drauf los und beobachtete die Gesichtszüge von Klaus ganz genau. „Das war die richtige Entscheidung uns die Wahrheit zu sagen. Also weiß Martin noch gar nichts davon?", harkte er nach und ich schüttelte meinen Kopf.
„Okay. Wir machen das so. Ich bringe dich zu Ilka oder zu Heidi, die nehmen deine Anzeige wegen Max auf. Die gegen Peter hat Micha ja schon aufgenommen. Solange bringe ich Charly dein Handy, damit sie die Nachrichten für unsere Akten archiviert.", entschied Klaus und ich lächelte ihn dankbar an. Kurz darauf saß ich vor der Beamtin die ich nach meiner Flucht vor meinen Entführern angesprochen hatte und erzählte ihr was Max getan hatte.
„Ich weiß dass dir das bestimmt nicht leicht gefallen ist, mir das zu erzählen. Aber glaub mir, es ist besser so.", beteuerte Frau Fischer und schloss die Papierakte in der sie immer wieder Stichpunkte notiert hatte. „Im Grunde ging es nicht anders. Ich hab Papa und Paul davon erzählt.", gab ich zu und strich mir über die Hose. „Dann wundert es mich, dass du jetzt erst da bist. Ich hätte gedacht dass die beiden dich direkt hier her schleifen.", lachte die brünette Oberkommissarin und schob ihre Brille die Nase hoch. „Ich konnte noch nicht her kommen. Sagen wir, ich hab versucht die Sache allein zu bewältigen.", antwortete ich wage. „Ich weiß, ich hab gerade die Anzeige gegen Herrn Hufnagel gesehen.", erwiderte die Beamtin und legte die Akte auf den großen Stapel neben ihrem Pc ab. Da mich Frau Fischer entließ ging ich wieder auf die Suche nach Klaus und fand ihn relativ schnell.
Als ich sein Büro betrat telefonierte er gerade mit jemanden, winkte mich dennoch herein. „Ich schwöre dir Martin, wenn ich sie sehe, rufe ich dich direkt an. Die Kollegen einzuschalten geht nicht, dass weißt du selber. Mila ist volljährig. Wartet einfach zuhause, vielleicht ist sie nur ne Runde spazieren.", versicherte Klaus meinem Vater und zwinkerte mir zu. „Ich muss jetzt aber los, denn ich hab einen Termin mit einer zukünftigen Richterin.", verabschiedete sich der Dienststellenleiter und legte auf. „War er sehr sauer?", wollte ich direkt wissen und blieb mitten im Raum stehen. „Du musst echt aufhören dir wegen allem die Schuld zu geben und zu denken dass alle sauer auf dich sind, Mila. Die Zeiten sind vorbei. Außerdem hat dein Vater dich einfach nur gesucht. Logisch wenn ihr gemeinsam auf dem Sofa einpennt und du dann spurlos verschwunden bist.", beruhigte er mich und stand auf. „Und nun?", ich versuchte seine Worte zu verinnerlichen aber die Angst dass meine Solo-Aktion das Vertrauen in mich geschädigt hatte, war zu präsent.
„Charly hat alle Nachrichten von dieser Tabea archiviert und auch von deinem Handy gelöscht. Außerdem hat Charly ihre Nummer blockiert, sodass sie dir nicht mehr schreiben kann.", erklärte der Dienststellenleiter und nahm seine Jacke vom Garderobenständer im Raum. „Ich war so frei und hab die Anzeige, wegen Bedrohung und Beleidigung, für dich gegen Tabea schon fertig gemacht. Ich werde sie auch anzeige und bin sicher Marie, Martin und Paul werden sie auch anzeigen wollen.", fügte er hinzu und öffnete seine Bürotür. „Danke. Und dir viel Spaß mit deinem Termin. Ich glaube ich gehe jetzt wirklich eine Runde spazieren und dann heim.", ich nickte Klaus zu und ging aus dem Raum.
„Interessant wie du 'Danke dass du mich heim bringst und deinem besten Freund Schrägstrich meinem Übervater die ganze Sache erklärst' formulierst.", lachte der Hauptkommissar und folgte mir. „Hä?", stammelte ich und sah ihn verwirrt an. „Ich bringe dich heim Mila. Allein weil ich schon ahne wie Martin reagieren wird, wenn du ihm von den Nachrichten berichtest.", erklärte Klaus und hielt mir die Wacheineingangstür auf. „Aber du musst nicht.", wiegelte ich ab und wollte schon in Richtung Park losgehen, aber Klaus hielt mich auf. „Kleine, du gehörst zu meiner Familie. Klar das ich mitkomme und dich nicht allein lasse.", stellte er klar und sein Tonfall ließ keine Wiederrede zu.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt