„Wieso liebst du mich immer noch, obwohl du mich nicht mal berühren kannst?"

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Auch diese Nacht verbrachte Paul an meiner Seite, was auch gut war denn ich wachte mitten in der Nacht, schweißgebadet auf. „Geht's wieder?", Pauls Stimme war nur ein zartes Flüstern aber ich erschrak trotzdem. „Bin hier unten.", hörte ich ihn wieder und musste mir eine Hand auf den Mund drücken um nicht zu laut zu lachen, denn Paul lag zwischen dem Couchtisch und dem Sofa und sah zu mir hoch. „Was machst du da unten?", wollte ich von ihm wissen und sah mich nach meinem Vater um. „Ich wollte dich nicht allein lassen.", gab der Oberkommissar zu und setzte sich stöhnend auf, „Dein Vater ist im Bett, die Tür ist aber auf für den Fall das du ihn rufen solltest.". Dadurch dass meine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich sein überraschtes Gesicht als ich meinen Kopf schüttelte.
Einige Minuten blieben wir still und ich wartete bis sich mein Herzschlag normalisiert hatte bevor ich mich wieder auf das Sofa legte. Ich wartete ab bis Paul sich ebenfalls hingelegt hatte bevor ich die Gunst der Stunde nutzte und meinen Freund die Frage stellte die mir schon lange unter den Nägeln brannte.
„Wieso liebst du mich immer noch, obwohl du mich nicht mal berühren kannst?", hauchte ich und wartete mit einer Mischung aus Spannung und Panik auf seine Antwort. „Ich weiß es nicht, es ist aber so. Schon als ich dich damals das Erste mal gesehen habe, wusste ich dass du was besonders bist. Das du all das Hinterherlaufen wert bist und noch so viel mehr. Selbst wenn ich nur im selben Raum mit dir bin, fühle ich mich gleich viel besser. Mit dir geh ich überall hin, auch bis ans Ende dieser Welt.", gestand Paul und ich fing an zu lächeln. Ohne ein Wort zu verlieren legte ich mich auf meinen Bauch und legte meinem Freund meine linke Hand auf die Brust. So spürte ich wie sein Herz pochte und auch seine Brust sich schnell hob und senkte. Sanft strich ich mit meinen Fingerspitzen über sein Oberteil von dem ich annahm dass es ein Unterhemd war, als Paul meine Hand ergriff und sie an seinen Mund führte. Mein Herz setzte einen Schlag auf als ich seine weichen Lippen auf meiner Handinnenfläche spürte und ertappte mich bei dem Wunsch dass er nicht meine Hand sondern meine Lippen geküsst hätte. Nur mein Kopf machte einen Strich durch die Rechnung und ich sah wieder Huberts Männer vor mir. „Tut mir leid, ich weiß ich hätte es nicht einfach so tun dürfen. Aber ich...", fing mein Freund direkt an sein Handeln zu erklären aber ich brachte ihn zum Schweigen indem ich meine Hand auf seinen Mund drückte. „Sag einfach nichts. Halt sie nur fest.", bat ich ihn und Paul kam meiner Bitte gleich an.
Händchenhaltend schliefen wir ein und wachten erst auf als Martin damit drohte uns mit einem Wassereimer zu wecken. Auch Maries Versuche ihren Mann aus dem Wohnzimmer zu ziehen haben nichts gebracht, sodass Paul und ich brummend in die Badezimmer verschwanden um uns frisch zu machen. Seid meiner jüngsten Entführung waren schon vier Wochen vergangen, dennoch sah man mir die Zeit dort noch immer an. Ich konnte meine Haare nicht aufwendig frisieren ohne gleich an Chantal zu denken. Auch duschen konnte ich noch nicht und wusch mich lieber mit einem Waschlappen. Äußerlich zeugte nur noch der Gipsarm und eine kleine Narbe an meinem Hinterkopf von der Misshandlungen. „Mila?", ein lautes klopfen an der Badezimmertür riss mich aus den Gedanken und ich zog mir schnell einen frischen Bh und ein sauberes Shirt an bevor ich die Tür öffnete. Marie versuchte zwar ihre Sorgen zu verbergen, aber scheinbar hatte ich die gute Menschenkenntnis meines Vaters geerbt, sodass ich meine Stiefmutter direkt durchschaute. „Keine Sorge. Ich hab nicht vor mir meine Pulsadern aufzuschneiden.", raunte ich ihr zu als ich an ihr vorbei in Richtung der Treppe ging. „Das hab ich nicht gedacht.", Marie kam mir direkt hinterher und versuchte sich zu rechtfertigen aber ich ließ es unkommentiert.
„Ich war so frei und hab euch einen Kaffee gemacht, das Frühstück habt ihr ja schon verschlafen.", kaum hatte ich die Küche betreten hielt ich schon eine Kaffeetasse in der Hand. „Danke.", brummte ich zu ihm und setzte mich neben Paul an den Küchentisch. Dort starrte ich in die Tasse und beobachtete wie die Blasen des Milchschaumes langsam nach und nach zerplatzten.
„Sagst du mir was los ist?", Paul stupste mit seinem kleinen Finger gegen meine Hand. „Ich bezweifle nur dass ihr ihn findet. Immerhin sind es heute vier Wochen. Und scheinbar klinkt sie sich da jetzt auch noch ein.", gestand ich und sah weiterhin in die Tasse. „Dann hätte ich vielleicht gute Nachrichten.", kam es von Martin und ich riss meinen Kopf hoch. „Bitte mach darüber keine Witze.", flehte ich ihn an und spürte einen Hauch Hoffnung in mir aufkeimen. „Die Kollegen haben Pauls Idee weiter verfolgt und wirklich Kameraaufnahmen von Supermarkt nebenan bekommen, auf denen zu sehen ist, wie Olga und ein Mann, keine zwei Minuten nach dem Steinwurf, vorbeifahren. Und zwar ohne Maske.", erklärte mein Vater und ich fing an zu strahlen. „Es ist zwar nur ein kleiner Sieg für uns, aber vielleicht kommen wir so an weitere Handlanger ran.", schob Martin hinterher aber ich freute mich so sehr dass ich gleich der ersten Person um den Hals fiel der mir in die Hände fiel. Und das war in diesem Fall Paul. Freudestrahlend schlang ich ihm meine Arme um den Hals und zog ich an mich. Es dauerte einen Augenblick, aber dann erwiderte mein Freund die Umarmung und vergrub sein Gesicht in meine Halsbeuge. Als ich realisierte was ich tat löste ich mich direkt von dem Oberkommissar und stand auf um auch meinen Vater zu umarmen. „Freu dich aber nicht zu früh. Die Maurer haben gute Anwälte.", versuchte Martin meine Freunde etwas zu dämpfen, wohl um zu verhindern dass ich im schlimmsten Falle zu enttäuscht war. Erst als Marie ihn bat die Umarmung doch einfach zu genießen, drückte er mich so an sich, dass er mich sogar kurz hochhob.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt