„Aber hier bist du sicher. Ich bin da und deine Eltern sind da."

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„Aber du hast doch so ein schönes Kleid im Schrank. Willst du nicht lieber das anziehen, immerhin ist es sau heiß heute.", wollte Martin wissen, als ich am nächsten Abend mit Paul in den Hausflur kam und eine Jeans und ein blaues Shirt trug. Noch bevor ich antworten konnte, räusperte sich Marie und sah ihren Mann sauer an. „Aber das was du trägst sieht auch super aus.", stellte mein Vater klar und fuhr sich verlegen durchs Haar. „Alles gut Papa. Nur das Kleid kann ich nicht mehr anziehen. Nicht nach Max.", gestand ich und schlüpfte in meine Schuhe. „Das kann ich verstehen. Tut mir leid ich wollte dich nicht wieder dran erinnern.", entschuldigte ich der Hauptkommissar und zog sich ebenfalls seine Schuhe an. „Wie gesagt alles gut.", wiederholte ich mich und ging schon voraus aus dem Haus.

„Hallo ihr vier.", begrüßte uns Stephan als wir in die Kneipe traten. „Herzlichen Glückwunsch Kumpel.", umarmte Paul seinen Freund und machte dann Platz damit auch Martin, Marie und ich ihm gratulieren konnten. Da ich mir wegen dem Geschenk nicht mehr ganz so sicher war, ließ ich meinen Eltern den Vorrang die ihm einen Briefumschlag mit Geld in die Hand drückten. „Ihr hättet mir doch nichts schenken müssen.", bedankte sich Stephan und reichte dann den dreien eine Bierflasche.
„Ich hätte da auch was für dich.", nuschelnd trat ich an das Geburtstagskind heran und drückte die eingepackte Leinwand an meine Brust. „Ich sehe es. Darf ich es auch haben?", lachte Stephan und schaffte es so dass ich ihm, mit zitternden Händen, das Geschenk hinhielt. Innerhalb kürzester Zeit packte er die Leinwand aus und fing an breit zu lächeln. „Wenn es dir nicht gefällt kann ich dir was anders schenken.", ließ ich ihn wissen und hätte noch weiter geredet wenn er mir nicht die Hand auf den Mund gelegt hätte. „Es ist super. Ich liebe Sushi. Soll ich das sein?", beruhigte er mich und wies dann auf den kleinen Mann am unteren Rand der Leinwand. Erst als ich nickte fiel ihm der Briefumschlag auf. „Da ist ja noch was.", murmelte er und zog den Gutschein aus dem Umschlag. Da Paul neben mich trat, drückte Stephan ihm die Leinwand in die Hand um den Gutschein besser lesen zu können. „Wie geil ist das denn?", mit großen Augen sah mich Stephan an und sah sich dann suchend nach einer Person um. „Polanski! Komm her!", rief er und ich warf Paul einen raschen Blick zu. Als dieser kaum merklich nickte presste ich meine Lippen aufeinander um nicht verräterisch zu grinsen.
„Was gibt es Sindera? Bist du dir jetzt etwa zu fein um deine Geschenke selber auszupacken?", lachte Jule und stellte sich neben Stephan. „Ich lach später darüber. An sich wollte ich diesen Gutschein mit dir teilen, aber wenn du nicht willst.", antwortete das Geburtstagskind und sah sich nach einer weiteren Person um. „Welchen Gutschein denn?", neugierig rupfte Jule Stephan den Zettel aus der Hand und fing an zu strahlen. „Wehe du nimmst jemand anderes Sindera.", drohte sie ihrem Kollegen und grinste ihn an. „Wie könnte ich jemand anders als mein Lieblings-Chamäleon einladen?", neckte Stephan Jule und wuschelte ihr durch die Haare. „Nur weil du dich nicht traust mal was anderes als Gel an deine Haare zu lassen?", ging Jule auf die kleine Neckerei ein und die beiden schienen alle um sie herum total zu vergessen.
„Ich hab es dir doch gesagt.", flüsterte mir Paul ins Ohr und ich sah ihn erleichtert an. Unbemerkt von Jule und Stephan gingen Paul und ich zur Bar von Martin und Marie sich schon angeregt mit Klaus und einer blonden Frau unterhielten. „Mensch Simone. Lang ist es her.", begrüßte mein Freund die mir noch umbekannte Frau. „Hallo Paul. Und wenn ich mich nicht irre, müsstest du Mila sein. Ich bin Simone.", die Frau hielt mir ihre Hand hin und ich schüttelte sie kurz. Da man mir wohl meine Verwirrung ansehen konnte, legte Klaus der Frau seinen Arm um die Hüften und fügte „Simone ist seit fast 25 Jahren meine Frau.", hinzu. „Ah, freut mich Sie kennen zu lernen.", ich lächelte Simone an und griff mit meiner Hand nach Paul. „Ich müsste noch kurz was mit Mila klären. Ihr entschuldigt uns?", Paul lächelte seine Kollegen an und zog mich dann mit sich in den menschenleeren hinteren Teil der Bar.
„Danke.", erschöpft ließ ich mich gegen ihn fallen und schloss meine Augen. „Gerne. Aber sagst du mir auch was los ist?", wollte der Oberkommissar wissen, schlang seine Arme um mich und lehnte sich an die Wand hinter sich. Da ich still blieb stellte er eigene Vermutungen an: „Die Anwesenheit von Simone hat dich so überwältigt, dass du fast ohnmächtig geworden bist. Nein ich weiß was besseres, die letzten 30 Stunden an meiner Seite haben dir nicht gereicht, sodass du eine Extraportion von mir brauchtest.". Kichernd löste ich mich von meinem Freund und sah ihn ins Gesicht. „Es waren mir einfach zu viele Menschen. Zu viele Hände die was tun könnten.", erklärte ich ohne groß nachzudenken und merkte erst nach dem Aussprechen wie falsch es klang, daher lehnte ich meinen Kopf wieder an seine Brust. „Kann ich verstehen. Aber hier bist du sicher. Ich bin da und deine Eltern sind da.", versicherte Paul mir und strich mit seinen Händen über meinen Rücken. „Ich weiß. Aber du warst auch da als Max da war.", murmelte ich in seine Brust und hoffte dass er mich aufgrund der lauten Musik nicht verstanden hatte. „Und deswegen mache ich mir noch immer die größten Vorwürfe.", brummte Paul und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Aber warum?", wollte ich wissen und sah weiterhin in sein dunkles Hemd. „Eben weil ich es hätte verhindern müssen.", erklärte der Oberkommissar und zog mich enger an sich. „Du hättest nicht ahnen können dass er mir was ins Glas tut.", versuchte ich Paul die Schuldgefühle zu nehmen und schlang meine Arme um seinen Oberkörper. Das Gespräch brachte auch das Gefühl von Max Händen an meinem Körper wieder, sodass ich wieder anfing zu zittern. „Ganz ruhig Mila. War vielleicht ne blöde Idee das gerade jetzt anzusprechen.", besorgt rieb mir Paul mit seinen Händen über den Rücken um mich zu wärmen. „Schon...gut...", stammelte ich mit klappernden Zähnen und versuchte mich noch enger an meinen Freund zu drücken. „Du wirst mich gleich dafür hassen, aber es muss sein.", raunte mir Paul zu ehe er seinen Kopf hob und nach Martin rief. „Was ist los?", allarmiert eilte er auf uns zu und legte mir seine Hand auf den oberen Rücken. „Mila bräuchte deine Jacke.", informierte er meinen Vater und ich hörte noch im selben Moment wie Martin sich die Jacke auszog. „Wenn ihr mich braucht ruft einfach wieder.", bat mein Vater und legte mir dabei die Jacke um die Schultern.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt