„Das ist alles deine Schuld!"

571 20 0
                                    

„Dieser verdammte Dreckskerl.", fluchte Martin und stellte seine Schale mit so einer Wucht auf den Couchtisch dass sie zersprang. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und kniff meine Augen zusammen. „Verdammt. Verzeih mir Mila.", die Stimme meines Vaters wurde wieder weich, aber ich traute mich nicht mich zu bewegen. „Mila?", Paul rutschte näher an mich heran aber ich wich vor ihm weg. „Kleine, es ist alles gut. Denk dran du bist hier sicher.", Marie schaffte es, dass ich zaghaft meine Augen öffnete. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Geschweige denn dir Angst machen.", traurig sah mich mein Vater an. „Es ist schon gut. Ich bin bei euch sicher.", wiederholte ich die Worte meiner Stiefmutter und spürte wie sich meine Muskeln langsam entspannten.

Nachdem die Scherben und das Eis mit dem Obst aus Martins Schale im Mülleimer gelandet war, tauschten Marie und Paul ihre Plätze miteinander. „Du solltest morgen mit den Kollegen deines Vaters sprechen.", erklärte Marie und legte mir ihren Arm um die Schultern. „Ich kann nicht.", nuschelte ich und mir stiegen wieder die Tränen in die Augen. „Du musst leider. Dein Vater und ich wissen jetzt davon und machen uns strafbar wenn wir das nicht strafrechtlich verfolgen.", erklärte Paul und sah zu seinem älteren Kollegen.
„Ihr habt mich verarscht!", stellte ich fassungslos fest und stellte meine Nachtisch-Schale auf dem Couchtisch ab. „Was meinst du?", harkte mein Vater nach und spielte mit seinem Ehering. „Ihr habt mich davon überzeugt euch alles zu sagen, nur damit ihr mich zwingen könnt, ihn anzuzeigen.", keifte ich ihn an und stand auf. „Mila, wir haben dich zu nichts gezwungen.", Paul stand ebenfalls auf, wohl um mich zu beruhigen aber ich starrte ich wütend an. „Paul hat aber Recht. Wir haben dich nicht gezwungen.", bestätigte mein Vater die Aussage seines jungen Kollegen. „Ach und was ist mit 'Ich muss es fragen?' geworden?", ich stellte mich dicht vor meinen Vater hin und ballte meine Fäuste. „Das habe ich getan weil ich dein Vater bin und in meinem Kopf schon die schrecklichsten Filme abliefen was dir passiert sein könnte.", erwiderte Martin ruhig und stand auf. „Klar, veraschen kann ich mich selber!", brüllte ich ihn an und schubste ihn von mir weg. Zu mindestens hab ich es versucht, aber mein Vater bleib eisern stehen. „Du wolltest mich zwingen!", ich schubste ihn erneut. „Das ist alles deine Schuld!", ich schubste ihn ein weiteres Mal. „Wieso hast du mir das angetan?!", ich sah nicht mehr meinen Vater vor mir, sondern Max, und schlug ihm mit meiner Faust auf die Brust. „Du bist ein verdammtes Arschloch!", immer wieder trafen meine Fäuste die breite Brust des Hauptkommissars, aber er ließ alles über sich ergehen und ahnte wohl das ich schon lange nicht mehr ihn vor mir sah.
„Ich werde dich dafür immer hassen, Max!", schrie ich, boxte Martin ein letztes Mal und lehnte dann außer Atem meine Stirn an die eben malträtierten Oberkörper meines Vaters.
Niemand sagte etwas und ich ließ meinen Tränen freien Lauf, davon schienen die anderen zuerst nichts mitzubekommen, erst als ich schluchzend Luft holte.
Vorsichtig nahm mein Vater mich in den Arm und zog mich näher zu sich. Obwohl mein erster Impuls war ihn von mir zu schieben, erwiderte ich die Umarmung und schloss meine Augen.
„Geht's wieder oder brauchst du eine zweite Runde? Falls ja, würde ich Paul empfehlen.", scherzte Martin und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Sie ist deine Tochter. Also lasse ich dir den Vortritt.", hörte ich Paul sagen und auch wie Marie leise lachte. „Ich dachte sie ist deine Freundin. Aber wenn das so ist.", ging mein Vater auf Pauls Spruch ein und drückte mich noch enger an sich. „Natürlich ist sie meine Freundin.", stellte Paul klar und kam mit schnellen Schritten auf uns zu. „Bleib ruhig Junge. Wir sitzen alle im selben Boot.", beruhigte Martin seinen Kollegen und ging, ohne mich los zu lassen zum Sessel. Ehe ich mich versah setze er sich und zog mich auf seinen Schoß. „Meinst du nicht dass sie allein sitzen kann?", wollte Marie wissen, aber ich spürte noch im selben Augenblick die Decke um meinen Körper.
Der Wutausbruch hatte mich so erschöpft, dass ich in eine Art Dämmerschlaf fiel.

„Als ich sie damals auf der Wache gestoppt habe, hätte ich nie geahnt dass ich sie jemals so lieben würde.", gestand mein Vater gerade und ich kuschelte mich enger an ihn. „Es geht mir ähnlich. Es ist als wäre sie meine eigen Fleisch und Blut.", stimmte ihm meine Stiefmutter zu und ich fing an zu lächeln, bevor ich wieder einschlief.

Als ich wieder aufwachte, lag ich alleine in meinem Bett. Ich lag noch einige Minuten unter der Decke und lauschte dem Vogel Gezwitscher und den Geräuschen aus dem unteren Stockwerk, bis ich meine Beine aus dem Bett schwang, aufstand und direkt wieder ins Bett sprang da ich auf was weiches getreten war. „Fuck!", fluchte der Deckenhaufen vor meinem Bett und ich tippte mit meinen rechten Fuß dagegen. „Ist das deine Rache dafür, dass ich nicht wollte, dass du mich für die zweite Runde nutzt?", stöhnte Paul und zog sich die Decke vom Kopf.
„Was machst du hier? Und vor allem warum liegst du auf dem Fußboden?", wollte ich wissen und rutschte weiter auf dem Bett zurück. „Ganz einfach. Ich wollte dich nicht allein lassen aber dir auch nicht einfach so zu nahe kommen.", erklärte mein Freund und setzte sich auf, seine Hände behielt er unter der Decke. „Danke?", nuschelte ich und hörte wie jemand die Treppe hoch kam.
„Oh ihr seid ja schon beide wach.", Martin kam in den Raum und sah mit einer hochgezogenen Augenbraue auf die Decke die noch immer die untere Körperhälfte meines Freundes bedeckte und unter der man deutlich Pauls Hände sehen konnte. „Es ist definitiv nicht das wo nach es aussieht. Aber ich bräuchte einen Eisbeutel.", wiegelte Paul direkt ab und mein Vater brach in schallendes Lachen aus. „Komm gleich runter, ich hab noch ne Packung Tiefkühlerbsen im Gefrierschrank. Mila, wir gehen schon mal.", erklärte Martin und hielt mir die Hand hin. Verwirrt sah ich zuerst Paul an und ging dann mit meinem Vater in die Küche wo Marie schon am Frühstückstisch saß.
„Was willst du mit den Erbsen?", neugierig sah Marie ihren Mann an, der mit einem breiten Lächeln antwortete: „Pauls Kinderplanung ist wohl abgeschlossen.".

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt